Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769].

Bild:
<< vorherige Seite

len habe; Regnard schob die Beschuldigung zu-
rück, und itzt wissen wir von diesem Streite nur
so viel mit Zuverläßigkeit, daß einer von beiden
der Plagiarius gewesen. Wenn es Regnard
war, so müssen wir es ihm wohl noch dazu dan-
ken, daß er sich überwinden konnte, die Ver-
traulichkeit seines Freundes zu mißbrauchen; er
bemächtigte sich, blos zu unserm Besten, der
Materialien, von denen er voraus sahe, daß sie
verhunzt werden würden. Wir hätten nur
einen sehr elenden Spieler, wenn er gewissen-
hafter gewesen wäre. Doch hätte er die That
eingestehen, und dem armen Du Freny einen
Theil der damit erworbnen Ehre lassen müssen.

Den dreyzehnten Abend (Freytags, den 8ten
May,) ward der verheyrathete Philosoph wie-
derholet; und den Beschluß machte, der Liebha-
ber als Schriftsteller und Bedienter.

Der Verfasser dieses kleinen artigen Stücks
heißt Cerou; er studierte die Rechte, als er es
im Jahre 1740 den Italienern in Paris zu spie-
len gab. Es fällt ungemein wohl aus.

Den vierzehnten Abend (Montags, den 11ten
May) wurden die coquette Mutter vom Quinault,
und der Advocat Patelin aufgeführt.

Jene wird von den Kennern unter die besten
Stücke gerechnet, die sich auf dem französischen
Theater aus dem vorigen Jahrhunderte erhalten
haben. Es ist wirklich viel gutes Komisches

darinn,
O 3

len habe; Regnard ſchob die Beſchuldigung zu-
ruͤck, und itzt wiſſen wir von dieſem Streite nur
ſo viel mit Zuverlaͤßigkeit, daß einer von beiden
der Plagiarius geweſen. Wenn es Regnard
war, ſo muͤſſen wir es ihm wohl noch dazu dan-
ken, daß er ſich uͤberwinden konnte, die Ver-
traulichkeit ſeines Freundes zu mißbrauchen; er
bemaͤchtigte ſich, blos zu unſerm Beſten, der
Materialien, von denen er voraus ſahe, daß ſie
verhunzt werden wuͤrden. Wir haͤtten nur
einen ſehr elenden Spieler, wenn er gewiſſen-
hafter geweſen waͤre. Doch haͤtte er die That
eingeſtehen, und dem armen Du Freny einen
Theil der damit erworbnen Ehre laſſen muͤſſen.

Den dreyzehnten Abend (Freytags, den 8ten
May,) ward der verheyrathete Philoſoph wie-
derholet; und den Beſchluß machte, der Liebha-
ber als Schriftſteller und Bedienter.

Der Verfaſſer dieſes kleinen artigen Stuͤcks
heißt Cerou; er ſtudierte die Rechte, als er es
im Jahre 1740 den Italienern in Paris zu ſpie-
len gab. Es faͤllt ungemein wohl aus.

Den vierzehnten Abend (Montags, den 11ten
May) wurden die coquette Mutter vom Quinault,
und der Advocat Patelin aufgefuͤhrt.

Jene wird von den Kennern unter die beſten
Stuͤcke gerechnet, die ſich auf dem franzoͤſiſchen
Theater aus dem vorigen Jahrhunderte erhalten
haben. Es iſt wirklich viel gutes Komiſches

darinn,
O 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0123" n="109"/>
len habe; Regnard &#x017F;chob die Be&#x017F;chuldigung zu-<lb/>
ru&#x0364;ck, und itzt wi&#x017F;&#x017F;en wir von die&#x017F;em Streite nur<lb/>
&#x017F;o viel mit Zuverla&#x0364;ßigkeit, daß einer von beiden<lb/>
der Plagiarius gewe&#x017F;en. Wenn es Regnard<lb/>
war, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir es ihm wohl noch dazu dan-<lb/>
ken, daß er &#x017F;ich u&#x0364;berwinden konnte, die Ver-<lb/>
traulichkeit &#x017F;eines Freundes zu mißbrauchen; er<lb/>
bema&#x0364;chtigte &#x017F;ich, blos zu un&#x017F;erm Be&#x017F;ten, der<lb/>
Materialien, von denen er voraus &#x017F;ahe, daß &#x017F;ie<lb/>
verhunzt werden wu&#x0364;rden. Wir ha&#x0364;tten nur<lb/>
einen &#x017F;ehr elenden Spieler, wenn er gewi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
hafter gewe&#x017F;en wa&#x0364;re. Doch ha&#x0364;tte er die That<lb/>
einge&#x017F;tehen, und dem armen Du Freny einen<lb/>
Theil der damit erworbnen Ehre la&#x017F;&#x017F;en mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Den dreyzehnten Abend (Freytags, den 8ten<lb/>
May,) ward der verheyrathete Philo&#x017F;oph wie-<lb/>
derholet; und den Be&#x017F;chluß machte, der Liebha-<lb/>
ber als Schrift&#x017F;teller und Bedienter.</p><lb/>
        <p>Der Verfa&#x017F;&#x017F;er die&#x017F;es kleinen artigen Stu&#x0364;cks<lb/>
heißt Cerou; er &#x017F;tudierte die Rechte, als er es<lb/>
im Jahre 1740 den Italienern in Paris zu &#x017F;pie-<lb/>
len gab. Es fa&#x0364;llt ungemein wohl aus.</p><lb/>
        <p>Den vierzehnten Abend (Montags, den 11ten<lb/>
May) wurden die coquette Mutter vom Quinault,<lb/>
und der Advocat Patelin aufgefu&#x0364;hrt.</p><lb/>
        <p>Jene wird von den Kennern unter die be&#x017F;ten<lb/>
Stu&#x0364;cke gerechnet, die &#x017F;ich auf dem franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen<lb/>
Theater aus dem vorigen Jahrhunderte erhalten<lb/>
haben. Es i&#x017F;t wirklich viel gutes Komi&#x017F;ches<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">O 3</fw><fw place="bottom" type="catch">darinn,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0123] len habe; Regnard ſchob die Beſchuldigung zu- ruͤck, und itzt wiſſen wir von dieſem Streite nur ſo viel mit Zuverlaͤßigkeit, daß einer von beiden der Plagiarius geweſen. Wenn es Regnard war, ſo muͤſſen wir es ihm wohl noch dazu dan- ken, daß er ſich uͤberwinden konnte, die Ver- traulichkeit ſeines Freundes zu mißbrauchen; er bemaͤchtigte ſich, blos zu unſerm Beſten, der Materialien, von denen er voraus ſahe, daß ſie verhunzt werden wuͤrden. Wir haͤtten nur einen ſehr elenden Spieler, wenn er gewiſſen- hafter geweſen waͤre. Doch haͤtte er die That eingeſtehen, und dem armen Du Freny einen Theil der damit erworbnen Ehre laſſen muͤſſen. Den dreyzehnten Abend (Freytags, den 8ten May,) ward der verheyrathete Philoſoph wie- derholet; und den Beſchluß machte, der Liebha- ber als Schriftſteller und Bedienter. Der Verfaſſer dieſes kleinen artigen Stuͤcks heißt Cerou; er ſtudierte die Rechte, als er es im Jahre 1740 den Italienern in Paris zu ſpie- len gab. Es faͤllt ungemein wohl aus. Den vierzehnten Abend (Montags, den 11ten May) wurden die coquette Mutter vom Quinault, und der Advocat Patelin aufgefuͤhrt. Jene wird von den Kennern unter die beſten Stuͤcke gerechnet, die ſich auf dem franzoͤſiſchen Theater aus dem vorigen Jahrhunderte erhalten haben. Es iſt wirklich viel gutes Komiſches darinn, O 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/123
Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/123>, abgerufen am 21.11.2024.