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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769].

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der Zuschauer durchaus durch keinen Sprung,
sondern durch eine zwar schnelle, aber doch da-
bey merkliche Gradation mit fortgerissen wird.
Erst zeiget sich Orosmann in aller seiner Groß-
muth, willig und geneigt, Zayren zu vergeben,
wann ihr Herz bereits eingenommen seyn sollte,
Falls sie nur aufrichtig genug ist, ihm länger
kein Geheimniß davon zu machen. Indem er-
wacht seine Leidenschaft aufs neue, und er fodert
die Aufopferung seines Nebenbuhlers. Er
wird zärtlich genug, sie unter dieser Bedingung
aller seiner Huld zu versichern. Doch da
Zayre auf ihrer Unschuld bestehet, wider die er
so offenbar Beweise zu haben glaubet, bemeistert
sich seiner nach und nach der äußerste Unwille.
Und so geht er von dem Stolze zur Zärtlichkeit,
und von der Zärtlichkeit zur Erbitterung über.
Alles was Remond de Saint Albine, in seinem
Schauspieler, (*) hierbey beobachtet wissen will,
leistet Hr. Eckhof auf eine so vollkommene Art,
daß man glauben sollte, er allein könne das Vor-
bild des Kunstrichters gewesen seyn.



Ham-
(*) Le Comedien, Partie II. Chap. X. p. 209.

der Zuſchauer durchaus durch keinen Sprung,
ſondern durch eine zwar ſchnelle, aber doch da-
bey merkliche Gradation mit fortgeriſſen wird.
Erſt zeiget ſich Orosmann in aller ſeiner Groß-
muth, willig und geneigt, Zayren zu vergeben,
wann ihr Herz bereits eingenommen ſeyn ſollte,
Falls ſie nur aufrichtig genug iſt, ihm laͤnger
kein Geheimniß davon zu machen. Indem er-
wacht ſeine Leidenſchaft aufs neue, und er fodert
die Aufopferung ſeines Nebenbuhlers. Er
wird zaͤrtlich genug, ſie unter dieſer Bedingung
aller ſeiner Huld zu verſichern. Doch da
Zayre auf ihrer Unſchuld beſtehet, wider die er
ſo offenbar Beweiſe zu haben glaubet, bemeiſtert
ſich ſeiner nach und nach der aͤußerſte Unwille.
Und ſo geht er von dem Stolze zur Zaͤrtlichkeit,
und von der Zaͤrtlichkeit zur Erbitterung uͤber.
Alles was Remond de Saint Albine, in ſeinem
Schauſpieler, (*) hierbey beobachtet wiſſen will,
leiſtet Hr. Eckhof auf eine ſo vollkommene Art,
daß man glauben ſollte, er allein koͤnne das Vor-
bild des Kunſtrichters geweſen ſeyn.



Ham-
(*) Le Comedien, Partie II. Chap. X. p. 209.
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[128/0142] der Zuſchauer durchaus durch keinen Sprung, ſondern durch eine zwar ſchnelle, aber doch da- bey merkliche Gradation mit fortgeriſſen wird. Erſt zeiget ſich Orosmann in aller ſeiner Groß- muth, willig und geneigt, Zayren zu vergeben, wann ihr Herz bereits eingenommen ſeyn ſollte, Falls ſie nur aufrichtig genug iſt, ihm laͤnger kein Geheimniß davon zu machen. Indem er- wacht ſeine Leidenſchaft aufs neue, und er fodert die Aufopferung ſeines Nebenbuhlers. Er wird zaͤrtlich genug, ſie unter dieſer Bedingung aller ſeiner Huld zu verſichern. Doch da Zayre auf ihrer Unſchuld beſtehet, wider die er ſo offenbar Beweiſe zu haben glaubet, bemeiſtert ſich ſeiner nach und nach der aͤußerſte Unwille. Und ſo geht er von dem Stolze zur Zaͤrtlichkeit, und von der Zaͤrtlichkeit zur Erbitterung uͤber. Alles was Remond de Saint Albine, in ſeinem Schauſpieler, (*) hierbey beobachtet wiſſen will, leiſtet Hr. Eckhof auf eine ſo vollkommene Art, daß man glauben ſollte, er allein koͤnne das Vor- bild des Kunſtrichters geweſen ſeyn. Ham- (*) Le Comedien, Partie II. Chap. X. p. 209.

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Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/142>, abgerufen am 21.11.2024.