den Namen zu schildern. Diese Schilderung ist das Hauptwerk des komischen Dichters, und nicht die historische Wahrheit.
Andere Fehler möchten schwerer zu entschuldi- gen seyn; der Mangel des Interesse, die kahle Verwickelung, die Menge müßiger Personen, das abgeschmackte Geschwätz des Demokrits, nicht deswegen nur abgeschmackt, weil es der Idee widerspricht, die wir von dem Demokrit haben, sondern weil es Unsinn in jedes andern Munde seyn würde, der Dichter möchte ihn ge- nannt haben, wie er wolle. Aber was übersieht man nicht bey der guten Laune, in die uns Strabo und Thaler setzen? Der Charakter des Strabo ist gleichwohl schwer zu bestimmen; man weiß nicht, was man aus ihm machen soll; er ändert seinen Ton gegen jeden, mit dem er spricht; bald ist er ein feiner witziger Spötter, bald ein plumper Spaßmacher, bald ein zärtlicher Schulfuchs, bald ein unverschämter Stutzer. Seine Erken- nung mit der Cleanthis ist ungemein komisch, aber unnatürlich. Die Art, mit der Made- moisell Beauval und la Thorilliere diese Scenen zuerst spielten, hat sich von einem Akteur zum andern, von einer Aktrice zur andern fortge- pflanzt. Es sind die unanständigsten Grimas- sen; aber da sie durch die Ueberlieferung bey Franzosen und Deutschen geheiliget sind, so
kömmt
den Namen zu ſchildern. Dieſe Schilderung iſt das Hauptwerk des komiſchen Dichters, und nicht die hiſtoriſche Wahrheit.
Andere Fehler moͤchten ſchwerer zu entſchuldi- gen ſeyn; der Mangel des Intereſſe, die kahle Verwickelung, die Menge muͤßiger Perſonen, das abgeſchmackte Geſchwaͤtz des Demokrits, nicht deswegen nur abgeſchmackt, weil es der Idee widerſpricht, die wir von dem Demokrit haben, ſondern weil es Unſinn in jedes andern Munde ſeyn wuͤrde, der Dichter moͤchte ihn ge- nannt haben, wie er wolle. Aber was uͤberſieht man nicht bey der guten Laune, in die uns Strabo und Thaler ſetzen? Der Charakter des Strabo iſt gleichwohl ſchwer zu beſtimmen; man weiß nicht, was man aus ihm machen ſoll; er aͤndert ſeinen Ton gegen jeden, mit dem er ſpricht; bald iſt er ein feiner witziger Spoͤtter, bald ein plumper Spaßmacher, bald ein zaͤrtlicher Schulfuchs, bald ein unverſchaͤmter Stutzer. Seine Erken- nung mit der Cleanthis iſt ungemein komiſch, aber unnatuͤrlich. Die Art, mit der Made- moiſell Beauval und la Thorilliere dieſe Scenen zuerſt ſpielten, hat ſich von einem Akteur zum andern, von einer Aktrice zur andern fortge- pflanzt. Es ſind die unanſtaͤndigſten Grimaſ- ſen; aber da ſie durch die Ueberlieferung bey Franzoſen und Deutſchen geheiliget ſind, ſo
koͤmmt
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den Namen zu ſchildern. Dieſe Schilderung iſt
das Hauptwerk des komiſchen Dichters, und
nicht die hiſtoriſche Wahrheit.
Andere Fehler moͤchten ſchwerer zu entſchuldi-
gen ſeyn; der Mangel des Intereſſe, die kahle
Verwickelung, die Menge muͤßiger Perſonen,
das abgeſchmackte Geſchwaͤtz des Demokrits,
nicht deswegen nur abgeſchmackt, weil es der
Idee widerſpricht, die wir von dem Demokrit
haben, ſondern weil es Unſinn in jedes andern
Munde ſeyn wuͤrde, der Dichter moͤchte ihn ge-
nannt haben, wie er wolle. Aber was uͤberſieht
man nicht bey der guten Laune, in die uns Strabo
und Thaler ſetzen? Der Charakter des Strabo iſt
gleichwohl ſchwer zu beſtimmen; man weiß nicht,
was man aus ihm machen ſoll; er aͤndert ſeinen
Ton gegen jeden, mit dem er ſpricht; bald iſt er
ein feiner witziger Spoͤtter, bald ein plumper
Spaßmacher, bald ein zaͤrtlicher Schulfuchs,
bald ein unverſchaͤmter Stutzer. Seine Erken-
nung mit der Cleanthis iſt ungemein komiſch,
aber unnatuͤrlich. Die Art, mit der Made-
moiſell Beauval und la Thorilliere dieſe Scenen
zuerſt ſpielten, hat ſich von einem Akteur zum
andern, von einer Aktrice zur andern fortge-
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/149>, abgerufen am 21.11.2024.
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