mag mich in Deutschland umsehen, wo ich will, die Stadt soll noch gebauet werden, von der sich erwarten liesse, daß sie nur den tausendsten Theil der Achtung und Erkenntlichkeit gegen einen deutschen Dichter haben würde, die Calais gegen den Du Belloy gehabt hat. Man erkenne es immer für französische Eitelkeit: wie weit haben wir noch hin, ehe wir zu so einer Eitelkeit fähig seyn werden! Was Wunder auch? Unsere Ge- lehrte selbst sind klein genug, die Nation in der Geringschätzung alles dessen zu bestärken, was nicht gerade zu den Beutel füllet. Man spreche von einem Werke des Genies, von welchem man will; man rede von der Aufmunterung der Künstler; man äußere den Wunsch, daß eine reiche blühende Stadt der anständigsten Erho- lung für Männer, die in ihren Geschäften des Tages Last und Hitze getragen, und der nützlich- sten Zeitverkürzung für andere, die gar keine Ge- schäfte haben wollen, (das wird doch wenigstens das Theater seyn?) durch ihre bloße Theilneh- mung aufhelfen möge: -- und sehe und höre um sich. "Dem Himmel sey Dank, ruft nicht blos der Wucherer Albinus, daß unsere Bürger wich- tigere Dinge zu thun haben!"
-- -- -- -- Eu! Rem poteris servare tuam! -- --
Wichtigere? Einträglichere; das gebe ich zu! Einträglich ist freylich unter uns nichts, was
im
mag mich in Deutſchland umſehen, wo ich will, die Stadt ſoll noch gebauet werden, von der ſich erwarten lieſſe, daß ſie nur den tauſendſten Theil der Achtung und Erkenntlichkeit gegen einen deutſchen Dichter haben wuͤrde, die Calais gegen den Du Belloy gehabt hat. Man erkenne es immer fuͤr franzoͤſiſche Eitelkeit: wie weit haben wir noch hin, ehe wir zu ſo einer Eitelkeit faͤhig ſeyn werden! Was Wunder auch? Unſere Ge- lehrte ſelbſt ſind klein genug, die Nation in der Geringſchaͤtzung alles deſſen zu beſtaͤrken, was nicht gerade zu den Beutel fuͤllet. Man ſpreche von einem Werke des Genies, von welchem man will; man rede von der Aufmunterung der Kuͤnſtler; man aͤußere den Wunſch, daß eine reiche bluͤhende Stadt der anſtaͤndigſten Erho- lung fuͤr Maͤnner, die in ihren Geſchaͤften des Tages Laſt und Hitze getragen, und der nuͤtzlich- ſten Zeitverkuͤrzung fuͤr andere, die gar keine Ge- ſchaͤfte haben wollen, (das wird doch wenigſtens das Theater ſeyn?) durch ihre bloße Theilneh- mung aufhelfen moͤge: — und ſehe und hoͤre um ſich. „Dem Himmel ſey Dank, ruft nicht blos der Wucherer Albinus, daß unſere Buͤrger wich- tigere Dinge zu thun haben!„
— — — — Eu! Rem poteris ſervare tuam! — —
Wichtigere? Eintraͤglichere; das gebe ich zu! Eintraͤglich iſt freylich unter uns nichts, was
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mag mich in Deutſchland umſehen, wo ich will,
die Stadt ſoll noch gebauet werden, von der ſich
erwarten lieſſe, daß ſie nur den tauſendſten Theil
der Achtung und Erkenntlichkeit gegen einen
deutſchen Dichter haben wuͤrde, die Calais gegen
den Du Belloy gehabt hat. Man erkenne es
immer fuͤr franzoͤſiſche Eitelkeit: wie weit haben
wir noch hin, ehe wir zu ſo einer Eitelkeit faͤhig
ſeyn werden! Was Wunder auch? Unſere Ge-
lehrte ſelbſt ſind klein genug, die Nation in der
Geringſchaͤtzung alles deſſen zu beſtaͤrken, was
nicht gerade zu den Beutel fuͤllet. Man ſpreche
von einem Werke des Genies, von welchem man
will; man rede von der Aufmunterung der
Kuͤnſtler; man aͤußere den Wunſch, daß eine
reiche bluͤhende Stadt der anſtaͤndigſten Erho-
lung fuͤr Maͤnner, die in ihren Geſchaͤften des
Tages Laſt und Hitze getragen, und der nuͤtzlich-
ſten Zeitverkuͤrzung fuͤr andere, die gar keine Ge-
ſchaͤfte haben wollen, (das wird doch wenigſtens
das Theater ſeyn?) durch ihre bloße Theilneh-
mung aufhelfen moͤge: — und ſehe und hoͤre um
ſich. „Dem Himmel ſey Dank, ruft nicht blos
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/156>, abgerufen am 16.02.2025.
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