ses; magst du mir doch alle die andern dafür neh- men! Hier trat ein Mann, der eine von ihren übrigen Töchtern geheyrathet hatte, näher zu ihr hinzu, zupfte sie bey dem Aermel, und fragte: Madame, auch die Schwiegersöhne? Das kalte Blut, der komische Ton, mit denen er diese Worte aussprach, machten einen solchen Ein- druck auf die betrübte Dame, daß sie in vollem Gelächter herauslaufen mußte; alles folgte ihr und lachte; die Kranke selbst, als sie es hörte, wäre vor Lachen fast erstickt." "Homer,
sagt er an einem andern Orte,
läßt sogar die Götter, indem sie das Schicksal der Welt entscheiden, über den poßirlichen Anstand des Vulkans lachen. Hektor lacht über die Furcht seines kleinen Sohnes, indem Andro- macha die heissesten Thränen vergießt. Es trift sich wohl, daß mitten unter den Greueln einer Schlacht, mitten in den Schrecken einer Feuers- brunst, oder sonst eines traurigen Verhäng- nisses, ein Einfall, eine ungefehre Posse, Trotz aller Beängstigung, Trotz alles Mitleids, das unbändigste Lachen erregt. Man befahl, in der Schlacht bey Speyern, einem Regimente, daß es keinen Pardon geben sollte. Ein deut- scher Officier bat darum, und der Franzose, den er darum bat, antwortete: Bitten Sie, mein Herr, was Sie wollen; nur das Leben nicht;
da-
ſes; magſt du mir doch alle die andern dafuͤr neh- men! Hier trat ein Mann, der eine von ihren uͤbrigen Toͤchtern geheyrathet hatte, naͤher zu ihr hinzu, zupfte ſie bey dem Aermel, und fragte: Madame, auch die Schwiegerſoͤhne? Das kalte Blut, der komiſche Ton, mit denen er dieſe Worte ausſprach, machten einen ſolchen Ein- druck auf die betruͤbte Dame, daß ſie in vollem Gelaͤchter herauslaufen mußte; alles folgte ihr und lachte; die Kranke ſelbſt, als ſie es hoͤrte, waͤre vor Lachen faſt erſtickt.〟 〟Homer,
ſagt er an einem andern Orte,
laͤßt ſogar die Goͤtter, indem ſie das Schickſal der Welt entſcheiden, uͤber den poßirlichen Anſtand des Vulkans lachen. Hektor lacht uͤber die Furcht ſeines kleinen Sohnes, indem Andro- macha die heiſſeſten Thraͤnen vergießt. Es trift ſich wohl, daß mitten unter den Greueln einer Schlacht, mitten in den Schrecken einer Feuers- brunſt, oder ſonſt eines traurigen Verhaͤng- niſſes, ein Einfall, eine ungefehre Poſſe, Trotz aller Beaͤngſtigung, Trotz alles Mitleids, das unbaͤndigſte Lachen erregt. Man befahl, in der Schlacht bey Speyern, einem Regimente, daß es keinen Pardon geben ſollte. Ein deut- ſcher Officier bat darum, und der Franzoſe, den er darum bat, antwortete: Bitten Sie, mein Herr, was Sie wollen; nur das Leben nicht;
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ſes; magſt du mir doch alle die andern dafuͤr neh-
men! Hier trat ein Mann, der eine von ihren
uͤbrigen Toͤchtern geheyrathet hatte, naͤher zu ihr
hinzu, zupfte ſie bey dem Aermel, und fragte:
Madame, auch die Schwiegerſoͤhne? Das
kalte Blut, der komiſche Ton, mit denen er dieſe
Worte ausſprach, machten einen ſolchen Ein-
druck auf die betruͤbte Dame, daß ſie in vollem
Gelaͤchter herauslaufen mußte; alles folgte ihr
und lachte; die Kranke ſelbſt, als ſie es hoͤrte,
waͤre vor Lachen faſt erſtickt.〟
〟Homer, ſagt er an einem andern Orte,
laͤßt
ſogar die Goͤtter, indem ſie das Schickſal der
Welt entſcheiden, uͤber den poßirlichen Anſtand
des Vulkans lachen. Hektor lacht uͤber die
Furcht ſeines kleinen Sohnes, indem Andro-
macha die heiſſeſten Thraͤnen vergießt. Es trift
ſich wohl, daß mitten unter den Greueln einer
Schlacht, mitten in den Schrecken einer Feuers-
brunſt, oder ſonſt eines traurigen Verhaͤng-
niſſes, ein Einfall, eine ungefehre Poſſe, Trotz
aller Beaͤngſtigung, Trotz alles Mitleids, das
unbaͤndigſte Lachen erregt. Man befahl, in
der Schlacht bey Speyern, einem Regimente,
daß es keinen Pardon geben ſollte. Ein deut-
ſcher Officier bat darum, und der Franzoſe, den
er darum bat, antwortete: Bitten Sie, mein
Herr, was Sie wollen; nur das Leben nicht;
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/181>, abgerufen am 21.11.2024.
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