Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769].

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

der Uhr, oder der ordentliche Mann, sagen
ziemlich das nehmliche; außer daß das erste ohn-
gefehr die Karrikatur von dem andern ist.

Den dreyßigsten Abend (Donnerstags, den
4ten Junius,) ward der Graf von Essex, vom
Thomas Corneille, aufgeführt.

Dieses Trauerspiel ist fast das einzige, wel-
ches sich aus der beträchtlichen Anzahl der Stücke
des jüngern Corneille, auf dem Theater erhalten
hat. Und ich glaube, es wird auf den deutschen
Bühnen noch öfterer wiederholt, als auf den
französischen. Es ist vom Jahre 1678, nach-
dem vierzig Jahre vorher bereits Calprenede die
nehmliche Geschichte bearbeitet hatte.

"Es ist gewiß,

schreibt Corneille,

daß der
Graf von Essex bey der Königinn Elisabeth in
besondern Gnaden gestanden. Er war von Na-
tur sehr stolz. Die Dienste, die er England
geleistet hatte, bliesen ihn noch mehr auf. Seine
Feinde beschuldigten ihn eines Verständnisses
mit dem Grafen von Tyrone, den die Rebellen
in Irrland zu ihrem Haupte erwählet hatten.
Der Verdacht, der dieserwegen auf ihm blieb,
brachte ihn um das Kommando der Armee. Er
ward erbittert, kam nach London, wiegelte das
Volk auf, ward in Verhaft gezogen, verur-
theilt, und nachdem er durchaus nicht um Gnade
bitten wollen, den 25sten Februar, 1601, ent-
hauptet.
Y 3

der Uhr, oder der ordentliche Mann, ſagen
ziemlich das nehmliche; außer daß das erſte ohn-
gefehr die Karrikatur von dem andern iſt.

Den dreyßigſten Abend (Donnerſtags, den
4ten Junius,) ward der Graf von Eſſex, vom
Thomas Corneille, aufgefuͤhrt.

Dieſes Trauerſpiel iſt faſt das einzige, wel-
ches ſich aus der betraͤchtlichen Anzahl der Stuͤcke
des juͤngern Corneille, auf dem Theater erhalten
hat. Und ich glaube, es wird auf den deutſchen
Buͤhnen noch oͤfterer wiederholt, als auf den
franzoͤſiſchen. Es iſt vom Jahre 1678, nach-
dem vierzig Jahre vorher bereits Calprenede die
nehmliche Geſchichte bearbeitet hatte.

〟Es iſt gewiß,

ſchreibt Corneille,

daß der
Graf von Eſſex bey der Koͤniginn Eliſabeth in
beſondern Gnaden geſtanden. Er war von Na-
tur ſehr ſtolz. Die Dienſte, die er England
geleiſtet hatte, blieſen ihn noch mehr auf. Seine
Feinde beſchuldigten ihn eines Verſtaͤndniſſes
mit dem Grafen von Tyrone, den die Rebellen
in Irrland zu ihrem Haupte erwaͤhlet hatten.
Der Verdacht, der dieſerwegen auf ihm blieb,
brachte ihn um das Kommando der Armee. Er
ward erbittert, kam nach London, wiegelte das
Volk auf, ward in Verhaft gezogen, verur-
theilt, und nachdem er durchaus nicht um Gnade
bitten wollen, den 25ſten Februar, 1601, ent-
hauptet.
Y 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0187" n="173"/>
der Uhr, oder der ordentliche Mann, &#x017F;agen<lb/>
ziemlich das nehmliche; außer daß das er&#x017F;te ohn-<lb/>
gefehr die Karrikatur von dem andern i&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Den dreyßig&#x017F;ten Abend (Donner&#x017F;tags, den<lb/>
4ten Junius,) ward der Graf von E&#x017F;&#x017F;ex, vom<lb/>
Thomas Corneille, aufgefu&#x0364;hrt.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;es Trauer&#x017F;piel i&#x017F;t fa&#x017F;t das einzige, wel-<lb/>
ches &#x017F;ich aus der betra&#x0364;chtlichen Anzahl der Stu&#x0364;cke<lb/>
des ju&#x0364;ngern Corneille, auf dem Theater erhalten<lb/>
hat. Und ich glaube, es wird auf den deut&#x017F;chen<lb/>
Bu&#x0364;hnen noch o&#x0364;fterer wiederholt, als auf den<lb/>
franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen. Es i&#x017F;t vom Jahre 1678, nach-<lb/>
dem vierzig Jahre vorher bereits Calprenede die<lb/>
nehmliche Ge&#x017F;chichte bearbeitet hatte.</p><lb/>
        <cit>
          <quote>&#x301F;Es i&#x017F;t gewiß,</quote>
        </cit>
        <p>&#x017F;chreibt Corneille,</p>
        <cit>
          <quote>daß der<lb/>
Graf von E&#x017F;&#x017F;ex bey der Ko&#x0364;niginn Eli&#x017F;abeth in<lb/>
be&#x017F;ondern Gnaden ge&#x017F;tanden. Er war von Na-<lb/>
tur &#x017F;ehr &#x017F;tolz. Die Dien&#x017F;te, die er England<lb/>
gelei&#x017F;tet hatte, blie&#x017F;en ihn noch mehr auf. Seine<lb/>
Feinde be&#x017F;chuldigten ihn eines Ver&#x017F;ta&#x0364;ndni&#x017F;&#x017F;es<lb/>
mit dem Grafen von Tyrone, den die Rebellen<lb/>
in Irrland zu ihrem Haupte erwa&#x0364;hlet hatten.<lb/>
Der Verdacht, der die&#x017F;erwegen auf ihm blieb,<lb/>
brachte ihn um das Kommando der Armee. Er<lb/>
ward erbittert, kam nach London, wiegelte das<lb/>
Volk auf, ward in Verhaft gezogen, verur-<lb/>
theilt, und nachdem er durchaus nicht um Gnade<lb/>
bitten wollen, den 25&#x017F;ten Februar, 1601, ent-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Y 3</fw><fw place="bottom" type="catch">hauptet.</fw><lb/></quote>
        </cit>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[173/0187] der Uhr, oder der ordentliche Mann, ſagen ziemlich das nehmliche; außer daß das erſte ohn- gefehr die Karrikatur von dem andern iſt. Den dreyßigſten Abend (Donnerſtags, den 4ten Junius,) ward der Graf von Eſſex, vom Thomas Corneille, aufgefuͤhrt. Dieſes Trauerſpiel iſt faſt das einzige, wel- ches ſich aus der betraͤchtlichen Anzahl der Stuͤcke des juͤngern Corneille, auf dem Theater erhalten hat. Und ich glaube, es wird auf den deutſchen Buͤhnen noch oͤfterer wiederholt, als auf den franzoͤſiſchen. Es iſt vom Jahre 1678, nach- dem vierzig Jahre vorher bereits Calprenede die nehmliche Geſchichte bearbeitet hatte. 〟Es iſt gewiß, ſchreibt Corneille, daß der Graf von Eſſex bey der Koͤniginn Eliſabeth in beſondern Gnaden geſtanden. Er war von Na- tur ſehr ſtolz. Die Dienſte, die er England geleiſtet hatte, blieſen ihn noch mehr auf. Seine Feinde beſchuldigten ihn eines Verſtaͤndniſſes mit dem Grafen von Tyrone, den die Rebellen in Irrland zu ihrem Haupte erwaͤhlet hatten. Der Verdacht, der dieſerwegen auf ihm blieb, brachte ihn um das Kommando der Armee. Er ward erbittert, kam nach London, wiegelte das Volk auf, ward in Verhaft gezogen, verur- theilt, und nachdem er durchaus nicht um Gnade bitten wollen, den 25ſten Februar, 1601, ent- hauptet. Y 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/187
Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/187>, abgerufen am 21.11.2024.