senden. Wie die Gräfinn der Königinn ihr Ge- heimniß entdeckt hatte, bath sie dieselbe um Ver- gebung; allein Elisabeth, die nunmehr sowohl die Bosheit der Feinde des Grafen, als ihre eigene Ungerechtigkeit einsahe, daß sie ihn im Verdacht eines unbändigen Eigensinnes gehabt, antwortete: Gott mag Euch vergeben; ich kann es nimmermehr! Sie verließ das Zimmer in großer Entsetzung, und von dem Augenblicke an sanken ihre Lebensgeister gänzlich. Sie nahm weder Speise noch Trank zu sich; sie ver- weigerte sich allen Arzeneyen; sie kam in kein Bette; sie blieb zehn Tage und zehn Nächte auf einem Polster, ohne ein Wort zu sprechen, in Gedanken sitzen; einen Finger im Munde, mit offenen, auf die Erde geschlagenen Augen; bis sie endlich, von innerlicher Angst der Seelen und von so langem Fasten ganz entkräftet, den Geist aufgab."
Ham-
ſenden. Wie die Graͤfinn der Koͤniginn ihr Ge- heimniß entdeckt hatte, bath ſie dieſelbe um Ver- gebung; allein Eliſabeth, die nunmehr ſowohl die Bosheit der Feinde des Grafen, als ihre eigene Ungerechtigkeit einſahe, daß ſie ihn im Verdacht eines unbaͤndigen Eigenſinnes gehabt, antwortete: Gott mag Euch vergeben; ich kann es nimmermehr! Sie verließ das Zimmer in großer Entſetzung, und von dem Augenblicke an ſanken ihre Lebensgeiſter gaͤnzlich. Sie nahm weder Speiſe noch Trank zu ſich; ſie ver- weigerte ſich allen Arzeneyen; ſie kam in kein Bette; ſie blieb zehn Tage und zehn Naͤchte auf einem Polſter, ohne ein Wort zu ſprechen, in Gedanken ſitzen; einen Finger im Munde, mit offenen, auf die Erde geſchlagenen Augen; bis ſie endlich, von innerlicher Angſt der Seelen und von ſo langem Faſten ganz entkraͤftet, den Geiſt aufgab.〟
Ham-
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ſenden. Wie die Graͤfinn der Koͤniginn ihr Ge-
heimniß entdeckt hatte, bath ſie dieſelbe um Ver-
gebung; allein Eliſabeth, die nunmehr ſowohl
die Bosheit der Feinde des Grafen, als ihre
eigene Ungerechtigkeit einſahe, daß ſie ihn im
Verdacht eines unbaͤndigen Eigenſinnes gehabt,
antwortete: Gott mag Euch vergeben; ich kann
es nimmermehr! Sie verließ das Zimmer in
großer Entſetzung, und von dem Augenblicke
an ſanken ihre Lebensgeiſter gaͤnzlich. Sie
nahm weder Speiſe noch Trank zu ſich; ſie ver-
weigerte ſich allen Arzeneyen; ſie kam in kein
Bette; ſie blieb zehn Tage und zehn Naͤchte auf
einem Polſter, ohne ein Wort zu ſprechen, in
Gedanken ſitzen; einen Finger im Munde, mit
offenen, auf die Erde geſchlagenen Augen; bis
ſie endlich, von innerlicher Angſt der Seelen
und von ſo langem Faſten ganz entkraͤftet, den
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/190>, abgerufen am 21.11.2024.
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