beständigkeit, würden ganz andere Symphonien erfordern, als der verlohrne Sohn. So wür- den sich auch nicht die Symphonien, die sich zum Geitzigen, oder zum Kranken in der Einbildung, sehr wohl schicken möchten, zum Unentschlüßi- gen, oder zum Zerstreuten, schicken. Jene müssen schon lustiger und scherzhafter seyn, diese aber verdrießlicher und ernsthafter." "Die Anfangssymphonie muß sich auf das ganze Stück beziehen; zugleich aber muß sie auch den Anfang desselben vorbereiten, und folglich mit dem ersten Auftritte übereinkommen. Sie kann aus zwey oder drey Sätzen bestehen, so wie es der Komponist für gut findet. -- Die Symphonien zwischen den Aufzügen aber, weil sie sich nach dem Schlusse des vorhergehenden Aufzuges und nach dem Anfange des folgenden richten sollen, werden am natürlichsten zwey Sätze haben können. Im ersten kann man mehr auf das Vorhergegangene, im zweyten aber mehr auf das Folgende sehen. Doch ist solches nur allein nöthig, wenn die Affekten einander allzu sehr entgegen sind; sonst kann man auch wohl nur einen Satz machen, wenn er nur die gehörige Länge erhält, damit die Bedürfnisse der Vorstellung, als Lichtputzen, Umklei- den u. s. w. indeß besorget werden können. -- Die Schlußsymphonie endlich muß mit dem Schlusse des Schauspiels auf das genaueste
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beſtaͤndigkeit, wuͤrden ganz andere Symphonien erfordern, als der verlohrne Sohn. So wuͤr- den ſich auch nicht die Symphonien, die ſich zum Geitzigen, oder zum Kranken in der Einbildung, ſehr wohl ſchicken moͤchten, zum Unentſchluͤßi- gen, oder zum Zerſtreuten, ſchicken. Jene muͤſſen ſchon luſtiger und ſcherzhafter ſeyn, dieſe aber verdrießlicher und ernſthafter.〟 〟Die Anfangsſymphonie muß ſich auf das ganze Stuͤck beziehen; zugleich aber muß ſie auch den Anfang deſſelben vorbereiten, und folglich mit dem erſten Auftritte uͤbereinkommen. Sie kann aus zwey oder drey Saͤtzen beſtehen, ſo wie es der Komponiſt fuͤr gut findet. — Die Symphonien zwiſchen den Aufzuͤgen aber, weil ſie ſich nach dem Schluſſe des vorhergehenden Aufzuges und nach dem Anfange des folgenden richten ſollen, werden am natuͤrlichſten zwey Saͤtze haben koͤnnen. Im erſten kann man mehr auf das Vorhergegangene, im zweyten aber mehr auf das Folgende ſehen. Doch iſt ſolches nur allein noͤthig, wenn die Affekten einander allzu ſehr entgegen ſind; ſonſt kann man auch wohl nur einen Satz machen, wenn er nur die gehoͤrige Laͤnge erhaͤlt, damit die Beduͤrfniſſe der Vorſtellung, als Lichtputzen, Umklei- den u. ſ. w. indeß beſorget werden koͤnnen. — Die Schlußſymphonie endlich muß mit dem Schluſſe des Schauſpiels auf das genaueſte
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[205/0219]
beſtaͤndigkeit, wuͤrden ganz andere Symphonien
erfordern, als der verlohrne Sohn. So wuͤr-
den ſich auch nicht die Symphonien, die ſich zum
Geitzigen, oder zum Kranken in der Einbildung,
ſehr wohl ſchicken moͤchten, zum Unentſchluͤßi-
gen, oder zum Zerſtreuten, ſchicken. Jene
muͤſſen ſchon luſtiger und ſcherzhafter ſeyn, dieſe
aber verdrießlicher und ernſthafter.〟
〟Die Anfangsſymphonie muß ſich auf das
ganze Stuͤck beziehen; zugleich aber muß ſie auch
den Anfang deſſelben vorbereiten, und folglich
mit dem erſten Auftritte uͤbereinkommen. Sie
kann aus zwey oder drey Saͤtzen beſtehen, ſo
wie es der Komponiſt fuͤr gut findet. — Die
Symphonien zwiſchen den Aufzuͤgen aber, weil
ſie ſich nach dem Schluſſe des vorhergehenden
Aufzuges und nach dem Anfange des folgenden
richten ſollen, werden am natuͤrlichſten zwey
Saͤtze haben koͤnnen. Im erſten kann man mehr
auf das Vorhergegangene, im zweyten aber
mehr auf das Folgende ſehen. Doch iſt ſolches
nur allein noͤthig, wenn die Affekten einander
allzu ſehr entgegen ſind; ſonſt kann man auch
wohl nur einen Satz machen, wenn er nur die
gehoͤrige Laͤnge erhaͤlt, damit die Beduͤrfniſſe
der Vorſtellung, als Lichtputzen, Umklei-
den u. ſ. w. indeß beſorget werden koͤnnen. —
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/219>, abgerufen am 21.11.2024.
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