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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769].

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Böse, um des Bösen wegen, wollen, er könne
nach lasterhaften Grundsätzen handeln, das La-
sterhafte derselben erkennen, und doch gegen sich
und andere damit prahlen. Ein solcher Mensch
ist ein Unding, so gräßlich als ununterrichtend,
und nichts als die armselige Zuflucht eines scha-
len Kopfes, der schimmernde Tiraden für die
höchste Schönheit des Trauerspieles hält. Wenn
Ismenor ein grausamer Priester ist, sind darum
alle Priester Ismenors? Man wende nicht ein,
daß von Priestern einer falschen Religion die
Rede sey. So falsch war noch keine in der
Welt, daß ihre Lehrer nothwendig Unmenschen
seyn müssen. Priester haben in den falschen
Religionen, so wie in der wahren, Unheil ge-
stiftet, aber nicht weil sie Priester, sondern weil
sie Bösewichter waren, die, zum Behuf ihrer
schlimmen Neigungen, die Vorrechte auch eines
jeden andern Standes gemißbraucht hätten.

Wenn die Bühne so unbesonnene Urtheile
über die Priester überhaupt ertönen läßt, was
Wunder, wenn sich auch unter diesen Unbeson-
nene finden, die sie als die grade Heerstraße zur
Hölle ausschreyen?

Aber ich verfalle wiederum in die Kritik des
Stückes, und ich wollte von dem Schauspieler
sprechen.



Ham-

Boͤſe, um des Boͤſen wegen, wollen, er koͤnne
nach laſterhaften Grundſaͤtzen handeln, das La-
ſterhafte derſelben erkennen, und doch gegen ſich
und andere damit prahlen. Ein ſolcher Menſch
iſt ein Unding, ſo graͤßlich als ununterrichtend,
und nichts als die armſelige Zuflucht eines ſcha-
len Kopfes, der ſchimmernde Tiraden fuͤr die
hoͤchſte Schoͤnheit des Trauerſpieles haͤlt. Wenn
Iſmenor ein grauſamer Prieſter iſt, ſind darum
alle Prieſter Iſmenors? Man wende nicht ein,
daß von Prieſtern einer falſchen Religion die
Rede ſey. So falſch war noch keine in der
Welt, daß ihre Lehrer nothwendig Unmenſchen
ſeyn muͤſſen. Prieſter haben in den falſchen
Religionen, ſo wie in der wahren, Unheil ge-
ſtiftet, aber nicht weil ſie Prieſter, ſondern weil
ſie Boͤſewichter waren, die, zum Behuf ihrer
ſchlimmen Neigungen, die Vorrechte auch eines
jeden andern Standes gemißbraucht haͤtten.

Wenn die Buͤhne ſo unbeſonnene Urtheile
uͤber die Prieſter uͤberhaupt ertoͤnen laͤßt, was
Wunder, wenn ſich auch unter dieſen Unbeſon-
nene finden, die ſie als die grade Heerſtraße zur
Hoͤlle ausſchreyen?

Aber ich verfalle wiederum in die Kritik des
Stuͤckes, und ich wollte von dem Schauſpieler
ſprechen.



Ham-
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[16/0030] Boͤſe, um des Boͤſen wegen, wollen, er koͤnne nach laſterhaften Grundſaͤtzen handeln, das La- ſterhafte derſelben erkennen, und doch gegen ſich und andere damit prahlen. Ein ſolcher Menſch iſt ein Unding, ſo graͤßlich als ununterrichtend, und nichts als die armſelige Zuflucht eines ſcha- len Kopfes, der ſchimmernde Tiraden fuͤr die hoͤchſte Schoͤnheit des Trauerſpieles haͤlt. Wenn Iſmenor ein grauſamer Prieſter iſt, ſind darum alle Prieſter Iſmenors? Man wende nicht ein, daß von Prieſtern einer falſchen Religion die Rede ſey. So falſch war noch keine in der Welt, daß ihre Lehrer nothwendig Unmenſchen ſeyn muͤſſen. Prieſter haben in den falſchen Religionen, ſo wie in der wahren, Unheil ge- ſtiftet, aber nicht weil ſie Prieſter, ſondern weil ſie Boͤſewichter waren, die, zum Behuf ihrer ſchlimmen Neigungen, die Vorrechte auch eines jeden andern Standes gemißbraucht haͤtten. Wenn die Buͤhne ſo unbeſonnene Urtheile uͤber die Prieſter uͤberhaupt ertoͤnen laͤßt, was Wunder, wenn ſich auch unter dieſen Unbeſon- nene finden, die ſie als die grade Heerſtraße zur Hoͤlle ausſchreyen? Aber ich verfalle wiederum in die Kritik des Stuͤckes, und ich wollte von dem Schauſpieler ſprechen. Ham-

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Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/30>, abgerufen am 21.11.2024.