Aber von was für Art sind die Bewegungen der Hände, mit welchen, in ruhigen Si- tuationen, die Moral gesprochen zu seyn liebet?
Von der Chironomie der Alten, das ist, von dem Inbegriffe der Regeln, welche die Alten den Bewegungen der Hände vorgeschrieben hat- ten, wissen wir nur sehr wenig; aber dieses wissen wir, daß sie die Händesprache zu einer Vollkommenheit gebracht, von der sich aus dem, was unsere Redner darinn zu leisten im Stande sind, kaum die Möglichkeit sollte begreifen las- sen. Wir scheinen von dieser ganzen Sprache nichts als ein unartikulirtes Geschrey behalten zu haben; nichts als das Vermögen, Bewe- gungen zu machen, ohne zu wissen, wie diesen Bewegungen eine fixirte Bedeutung zu geben, und wie sie unter einander zu verbinden, daß sie
nicht
D
Hamburgiſche Dramaturgie. Viertes Stuͤck.
Den 12ten May, 1767.
Aber von was fuͤr Art ſind die Bewegungen der Haͤnde, mit welchen, in ruhigen Si- tuationen, die Moral geſprochen zu ſeyn liebet?
Von der Chironomie der Alten, das iſt, von dem Inbegriffe der Regeln, welche die Alten den Bewegungen der Haͤnde vorgeſchrieben hat- ten, wiſſen wir nur ſehr wenig; aber dieſes wiſſen wir, daß ſie die Haͤndeſprache zu einer Vollkommenheit gebracht, von der ſich aus dem, was unſere Redner darinn zu leiſten im Stande ſind, kaum die Moͤglichkeit ſollte begreifen laſ- ſen. Wir ſcheinen von dieſer ganzen Sprache nichts als ein unartikulirtes Geſchrey behalten zu haben; nichts als das Vermoͤgen, Bewe- gungen zu machen, ohne zu wiſſen, wie dieſen Bewegungen eine fixirte Bedeutung zu geben, und wie ſie unter einander zu verbinden, daß ſie
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[[25]/0039]
Hamburgiſche
Dramaturgie.
Viertes Stuͤck.
Den 12ten May, 1767.
Aber von was fuͤr Art ſind die Bewegungen
der Haͤnde, mit welchen, in ruhigen Si-
tuationen, die Moral geſprochen zu ſeyn
liebet?
Von der Chironomie der Alten, das iſt, von
dem Inbegriffe der Regeln, welche die Alten
den Bewegungen der Haͤnde vorgeſchrieben hat-
ten, wiſſen wir nur ſehr wenig; aber dieſes
wiſſen wir, daß ſie die Haͤndeſprache zu einer
Vollkommenheit gebracht, von der ſich aus dem,
was unſere Redner darinn zu leiſten im Stande
ſind, kaum die Moͤglichkeit ſollte begreifen laſ-
ſen. Wir ſcheinen von dieſer ganzen Sprache
nichts als ein unartikulirtes Geſchrey behalten
zu haben; nichts als das Vermoͤgen, Bewe-
gungen zu machen, ohne zu wiſſen, wie dieſen
Bewegungen eine fixirte Bedeutung zu geben,
und wie ſie unter einander zu verbinden, daß ſie
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. [25]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/39>, abgerufen am 21.11.2024.
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