[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769].
nicht blos ein; es währte nicht lange, so gab ich den Ton. Um Witz, um Lebensart zu zeigen, was für albernes Zeug habe ich nicht gesprochen! Eheliche Treue, beständige Liebe, pfuy, wie schmeckt das nach dem kleinstädischen Bürger! Der Mann, der seiner Frau nicht allen Willen läßt, ist ein Bär! Der es ihr übel nimmt, wenn sie auch andern gefällt und zu gefallen sucht, gehört ins Tollhaus. So sprach ich, und mich hätte man da sollen ins Tollhaus schicken. -- Dubois. Aber warum sprachen Sie so? Dorante. Hörst du nicht? Weil ich ein Geck war, und glaubte, es ließe noch so galant und weise. -- Inzwischen wollte mich meine Familie ver- heyrathet wissen. Sie schlugen mir ein junges, unschuldiges Mädchen vor; und ich nahm es. Mit der, dachte ich, soll es gute Wege haben; die soll in meiner Denkungsart nicht viel ändern; ich liebe sie itzt nicht besonders, und der Besitz wird mich noch gleichgültiger gegen sie machen. Aber wie sehr habe ich mich betrogen! Sie ward täglich schö- ner, taglich reitzender. Ich sah es und entbrannte, und entbrannte je mehr und mehr; und itzt bin ich so verliebt, so verliebt in sie -- Dubois. Nun, das nenne ich gefangen wer- den! Dorante. Denn ich bin so eifersüchtig! -- Daß ich mich schame, es auch nur dir zu beken- nen. -- Alle meine Freunde sind mir zuwider -- und
nicht blos ein; es waͤhrte nicht lange, ſo gab ich den Ton. Um Witz, um Lebensart zu zeigen, was fuͤr albernes Zeug habe ich nicht geſprochen! Eheliche Treue, beſtaͤndige Liebe, pfuy, wie ſchmeckt das nach dem kleinſtaͤdiſchen Buͤrger! Der Mann, der ſeiner Frau nicht allen Willen laͤßt, iſt ein Baͤr! Der es ihr uͤbel nimmt, wenn ſie auch andern gefaͤllt und zu gefallen ſucht, gehoͤrt ins Tollhaus. So ſprach ich, und mich haͤtte man da ſollen ins Tollhaus ſchicken. — Dubois. Aber warum ſprachen Sie ſo? Dorante. Hoͤrſt du nicht? Weil ich ein Geck war, und glaubte, es ließe noch ſo galant und weiſe. — Inzwiſchen wollte mich meine Familie ver- heyrathet wiſſen. Sie ſchlugen mir ein junges, unſchuldiges Maͤdchen vor; und ich nahm es. Mit der, dachte ich, ſoll es gute Wege haben; die ſoll in meiner Denkungsart nicht viel aͤndern; ich liebe ſie itzt nicht beſonders, und der Beſitz wird mich noch gleichguͤltiger gegen ſie machen. Aber wie ſehr habe ich mich betrogen! Sie ward taͤglich ſchoͤ- ner, taglich reitzender. Ich ſah es und entbrannte, und entbrannte je mehr und mehr; und itzt bin ich ſo verliebt, ſo verliebt in ſie — Dubois. Nun, das nenne ich gefangen wer- den! Dorante. Denn ich bin ſo eiferſuͤchtig! — Daß ich mich ſchame, es auch nur dir zu beken- nen. — Alle meine Freunde ſind mir zuwider — und
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nicht blos ein; es waͤhrte nicht lange, ſo gab ich
den Ton. Um Witz, um Lebensart zu zeigen,
was fuͤr albernes Zeug habe ich nicht geſprochen!
Eheliche Treue, beſtaͤndige Liebe, pfuy, wie ſchmeckt
das nach dem kleinſtaͤdiſchen Buͤrger! Der Mann,
der ſeiner Frau nicht allen Willen laͤßt, iſt ein
Baͤr! Der es ihr uͤbel nimmt, wenn ſie auch andern
gefaͤllt und zu gefallen ſucht, gehoͤrt ins Tollhaus.
So ſprach ich, und mich haͤtte man da ſollen ins
Tollhaus ſchicken. —
Dubois. Aber warum ſprachen Sie ſo?
Dorante. Hoͤrſt du nicht? Weil ich ein Geck
war, und glaubte, es ließe noch ſo galant und
weiſe. — Inzwiſchen wollte mich meine Familie ver-
heyrathet wiſſen. Sie ſchlugen mir ein junges,
unſchuldiges Maͤdchen vor; und ich nahm es. Mit
der, dachte ich, ſoll es gute Wege haben; die ſoll
in meiner Denkungsart nicht viel aͤndern; ich liebe
ſie itzt nicht beſonders, und der Beſitz wird mich
noch gleichguͤltiger gegen ſie machen. Aber wie
ſehr habe ich mich betrogen! Sie ward taͤglich ſchoͤ-
ner, taglich reitzender. Ich ſah es und entbrannte,
und entbrannte je mehr und mehr; und itzt bin ich
ſo verliebt, ſo verliebt in ſie —
Dubois. Nun, das nenne ich gefangen wer-
den!
Dorante. Denn ich bin ſo eiferſuͤchtig! —
Daß ich mich ſchame, es auch nur dir zu beken-
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