von zu machen. Der Saame, sie zu glauben, liegt in uns allen, und in denen am häufigsten, für die er vornehmlich dichtet. Es kömmt nur auf seine Kunst an, diesen Saamen zum Käu- men zu bringen; nur auf gewisse Handgriffe, den Gründen für ihre Wirklichkeit in der Ge- schwindigkeit den Schwung zu geben. Hat er diese in seiner Gewalt, so mögen wir in gemei- nem Leben glauben, was wir wollen; im Theater müssen wir glauben, was Er will.
So ein Dichter ist Shakespear, und Shake- spear fast einzig und allein. Vor seinem Ge- spenste im Hamlet richten sich die Haare zu Ber- ge, sie mögen ein gläubiges oder ungläubiges Gehirn bedecken. Der Herr von Voltaire that gar nicht wohl, sich auf dieses Gespenst zu be- rufen; es macht ihn und seinen Geist des Ni- nus -- lächerlich.
Shakespears Gespenst kömmt wirklich aus jener Welt; so dünkt uns. Denn es kömmt zu der feyerlichen Stunde, in der schaudernden Stille der Nacht, in der vollen Begleitung aller der düstern, geheimnißvollen Nebenbegriffe, wenn und mit welchen wir, von der Amme an, Gespenster zu erwarten und zu denken gewohnt sind. Aber Voltairens Geist ist auch nicht ein- mal zum Popanze gut, Kinder damit zu schrecken;
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von zu machen. Der Saame, ſie zu glauben, liegt in uns allen, und in denen am haͤufigſten, fuͤr die er vornehmlich dichtet. Es koͤmmt nur auf ſeine Kunſt an, dieſen Saamen zum Kaͤu- men zu bringen; nur auf gewiſſe Handgriffe, den Gruͤnden fuͤr ihre Wirklichkeit in der Ge- ſchwindigkeit den Schwung zu geben. Hat er dieſe in ſeiner Gewalt, ſo moͤgen wir in gemei- nem Leben glauben, was wir wollen; im Theater muͤſſen wir glauben, was Er will.
So ein Dichter iſt Shakeſpear, und Shake- ſpear faſt einzig und allein. Vor ſeinem Ge- ſpenſte im Hamlet richten ſich die Haare zu Ber- ge, ſie moͤgen ein glaͤubiges oder unglaͤubiges Gehirn bedecken. Der Herr von Voltaire that gar nicht wohl, ſich auf dieſes Geſpenſt zu be- rufen; es macht ihn und ſeinen Geiſt des Ni- nus — laͤcherlich.
Shakeſpears Geſpenſt koͤmmt wirklich aus jener Welt; ſo duͤnkt uns. Denn es koͤmmt zu der feyerlichen Stunde, in der ſchaudernden Stille der Nacht, in der vollen Begleitung aller der duͤſtern, geheimnißvollen Nebenbegriffe, wenn und mit welchen wir, von der Amme an, Geſpenſter zu erwarten und zu denken gewohnt ſind. Aber Voltairens Geiſt iſt auch nicht ein- mal zum Popanze gut, Kinder damit zu ſchrecken;
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von zu machen. Der Saame, ſie zu glauben,
liegt in uns allen, und in denen am haͤufigſten,
fuͤr die er vornehmlich dichtet. Es koͤmmt nur
auf ſeine Kunſt an, dieſen Saamen zum Kaͤu-
men zu bringen; nur auf gewiſſe Handgriffe,
den Gruͤnden fuͤr ihre Wirklichkeit in der Ge-
ſchwindigkeit den Schwung zu geben. Hat er
dieſe in ſeiner Gewalt, ſo moͤgen wir in gemei-
nem Leben glauben, was wir wollen; im Theater
muͤſſen wir glauben, was Er will.
So ein Dichter iſt Shakeſpear, und Shake-
ſpear faſt einzig und allein. Vor ſeinem Ge-
ſpenſte im Hamlet richten ſich die Haare zu Ber-
ge, ſie moͤgen ein glaͤubiges oder unglaͤubiges
Gehirn bedecken. Der Herr von Voltaire that
gar nicht wohl, ſich auf dieſes Geſpenſt zu be-
rufen; es macht ihn und ſeinen Geiſt des Ni-
nus — laͤcherlich.
Shakeſpears Geſpenſt koͤmmt wirklich aus
jener Welt; ſo duͤnkt uns. Denn es koͤmmt zu
der feyerlichen Stunde, in der ſchaudernden
Stille der Nacht, in der vollen Begleitung aller
der duͤſtern, geheimnißvollen Nebenbegriffe,
wenn und mit welchen wir, von der Amme an,
Geſpenſter zu erwarten und zu denken gewohnt
ſind. Aber Voltairens Geiſt iſt auch nicht ein-
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/99>, abgerufen am 21.11.2024.
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