ratione atque consilio: nam labefactatis aliorum opinionibus, u. s. w. O des Pedan- ten! würde der Herr von Voltaire rufen. -- Jch bin es blos aus Mißtrauen in mich selbst.
"Die Brüder des Terenz, sagt der Herr von Voltaire, "können höchstens die Jdee zu der "Männerschule gegeben haben. Jn den Brü- "dern sind zwey Alte von verschiedner Gemüths- "art, die ihre Söhne ganz verschieden erziehen; "eben so sind in der Männerschule zwey Vor- "münder, ein sehr strenger und ein sehr nachse- "hender: das ist die ganze Aehnlichkeit. Jn "den Brüdern ist fast ganz und gar keine Jntri- "gue: die Jntrigue in der Männerschule hinge- "gen ist fein, und unterhaltend und komisch. "Eine von den Frauenzimmern des Terenz, wel- "che eigentlich die interessanteste Rolle spielen "müßte, erscheinet blos auf dem Theater, um nie- "der zu kommen. Die Jsabelle des Moliere ist fast "immer auf der Scene, und zeigt sich immer witzig "und reitzend, und verbindet sogar die Streiche, "die sie ihrem Vormunde spielt, noch mit Anstand. "Die Entwicklung in den Brüdern ist ganz unwahr- "scheinlich; es ist wider die Natur, daß ein Alter, der "sechzig Jahre ärgerlich und streng u. geitzig gewesen, "auf einmal lustig und höflich und freygebig werden "sollte. Die Entwicklung in der Männerschule aber, "ist die beste von allen Entwicklungen des Moliere; "wahrscheinlich, natürlich, aus der Jntrigue selbst "hergenommen, und was ohnstreitig nicht das schlech- "teste daran ist, äußerst komisch."
Ham-
ratione atque conſilio: nam labefactatis aliorum opinionibus, u. ſ. w. O des Pedan- ten! würde der Herr von Voltaire rufen. — Jch bin es blos aus Mißtrauen in mich ſelbſt.
„Die Brüder des Terenz, ſagt der Herr von Voltaire, „können höchſtens die Jdee zu der „Männerſchule gegeben haben. Jn den Brü- „dern ſind zwey Alte von verſchiedner Gemüths- „art, die ihre Söhne ganz verſchieden erziehen; „eben ſo ſind in der Männerſchule zwey Vor- „münder, ein ſehr ſtrenger und ein ſehr nachſe- „hender: das iſt die ganze Aehnlichkeit. Jn „den Brüdern iſt faſt ganz und gar keine Jntri- „gue: die Jntrigue in der Männerſchule hinge- „gen iſt fein, und unterhaltend und komiſch. „Eine von den Frauenzimmern des Terenz, wel- „che eigentlich die intereſſanteſte Rolle ſpielen „müßte, erſcheinet blos auf dem Theater, um nie- „der zu kom̃en. Die Jſabelle des Moliere iſt faſt „immer auf der Scene, und zeigt ſich immer witzig „und reitzend, und verbindet ſogar die Streiche, „die ſie ihrem Vormunde ſpielt, noch mit Anſtand. „Die Entwicklung in den Brüdern iſt ganz unwahr- „ſcheinlich; es iſt wider die Natur, daß ein Alter, der „ſechzig Jahre ärgerlich und ſtreng u. geitzig geweſen, „auf einmal luſtig und höflich und freygebig werden „ſollte. Die Entwicklung in der Männerſchule aber, „iſt die beſte von allen Entwicklungen des Moliere; „wahrſcheinlich, natürlich, aus der Jntrigue ſelbſt „hergenommen, und was ohnſtreitig nicht das ſchlech- „teſte daran iſt, äußerſt komiſch.„
Ham-
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ratione atque conſilio: nam labefactatis
aliorum opinionibus, u. ſ. w. O des Pedan-
ten! würde der Herr von Voltaire rufen. —
Jch bin es blos aus Mißtrauen in mich ſelbſt.
„Die Brüder des Terenz, ſagt der Herr von
Voltaire, „können höchſtens die Jdee zu der
„Männerſchule gegeben haben. Jn den Brü-
„dern ſind zwey Alte von verſchiedner Gemüths-
„art, die ihre Söhne ganz verſchieden erziehen;
„eben ſo ſind in der Männerſchule zwey Vor-
„münder, ein ſehr ſtrenger und ein ſehr nachſe-
„hender: das iſt die ganze Aehnlichkeit. Jn
„den Brüdern iſt faſt ganz und gar keine Jntri-
„gue: die Jntrigue in der Männerſchule hinge-
„gen iſt fein, und unterhaltend und komiſch.
„Eine von den Frauenzimmern des Terenz, wel-
„che eigentlich die intereſſanteſte Rolle ſpielen
„müßte, erſcheinet blos auf dem Theater, um nie-
„der zu kom̃en. Die Jſabelle des Moliere iſt faſt
„immer auf der Scene, und zeigt ſich immer witzig
„und reitzend, und verbindet ſogar die Streiche,
„die ſie ihrem Vormunde ſpielt, noch mit Anſtand.
„Die Entwicklung in den Brüdern iſt ganz unwahr-
„ſcheinlich; es iſt wider die Natur, daß ein Alter, der
„ſechzig Jahre ärgerlich und ſtreng u. geitzig geweſen,
„auf einmal luſtig und höflich und freygebig werden
„ſollte. Die Entwicklung in der Männerſchule aber,
„iſt die beſte von allen Entwicklungen des Moliere;
„wahrſcheinlich, natürlich, aus der Jntrigue ſelbſt
„hergenommen, und was ohnſtreitig nicht das ſchlech-
„teſte daran iſt, äußerſt komiſch.„
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/150>, abgerufen am 21.11.2024.
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