Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769].

Bild:
<< vorherige Seite

dem, was er dem Micio antwortet, der sich
durch den Anschein betriegen läßt, und ihn
wirklich verändert glaubt. (*) Hic ostendit
Terentius,
sagt Donatus, magis Demeam
simulasse mutatos mores, quam mutavisse.

Jch will aber nicht hoffen, daß der Herr von
Voltaire meinet, selbst diese Verstellung laufe
wider den Charakter des Demea, der vorher
nichts als geschmählt und gepoltert habe: denn
eine solche Verstellung erfodere mehr Gelassen-
heit und Kälte, als man dem Demea zutrauen
dürfe. Auch hierinn ist Terenz ohne Tadel, und
er hat alles so vortrefflich motiviret, bey jedem
Schritte Natur und Wahrheit so genau beobach-
tet, bey dem geringsten Uebergange so feine

Schat-
(*) Mi. Quid istuc? quae res tam repente mo-
res mutavit tuos?
Quod prolubium, quae istaec subita est lar-
gitas? De. Dicam tibi:
Ut id ostenderem, quod te isti facilem &
festivum putant,
Id non fieri ex vera vita, neque adeo ex
aequo & bono,
Sed ex assentando, indulgendo, & largi-
endo, Micio.
Nunc adeo, si ob eam rem vobis mea vita
invisa est, Aeschine,
Quia non justa injusta prorsus omnia, om-
nino absequor;
Missa facio; effundite, emite, facite quod
vobis lubet!

dem, was er dem Micio antwortet, der ſich
durch den Anſchein betriegen läßt, und ihn
wirklich verändert glaubt. (*) Hic oſtendit
Terentius,
ſagt Donatus, magis Demeam
ſimulaſſe mutatos mores, quam mutaviſſe.

Jch will aber nicht hoffen, daß der Herr von
Voltaire meinet, ſelbſt dieſe Verſtellung laufe
wider den Charakter des Demea, der vorher
nichts als geſchmählt und gepoltert habe: denn
eine ſolche Verſtellung erfodere mehr Gelaſſen-
heit und Kälte, als man dem Demea zutrauen
dürfe. Auch hierinn iſt Terenz ohne Tadel, und
er hat alles ſo vortrefflich motiviret, bey jedem
Schritte Natur und Wahrheit ſo genau beobach-
tet, bey dem geringſten Uebergange ſo feine

Schat-
(*) Mi. Quid iſtuc? quæ res tam repente mo-
res mutavit tuos?
Quod prolubium, quæ iſtæc ſubita eſt lar-
gitas? De. Dicam tibi:
Ut id oſtenderem, quod te iſti facilem &
feſtivum putant,
Id non fieri ex vera vita, neque adeo ex
æquo & bono,
Sed ex aſſentando, indulgendo, & largi-
endo, Micio.
Nunc adeo, ſi ob eam rem vobis mea vita
inviſa eſt, Aeſchine,
Quia non juſta injuſta prorſus omnia, om-
nino abſequor;
Miſſa facio; effundite, emite, facite quod
vobis lubet!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0154" n="148"/>
dem, was er dem Micio antwortet, der &#x017F;ich<lb/>
durch den An&#x017F;chein betriegen läßt, und ihn<lb/>
wirklich verändert glaubt. <note place="foot" n="(*)"><cit><quote><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Mi</hi>. Quid i&#x017F;tuc? quæ res tam repente mo-<lb/><hi rendition="#et">res mutavit tuos?</hi><lb/>
Quod prolubium, quæ i&#x017F;tæc &#x017F;ubita e&#x017F;t lar-<lb/><hi rendition="#et">gitas? <hi rendition="#k">De</hi>. Dicam tibi:</hi><lb/>
Ut id o&#x017F;tenderem, quod te i&#x017F;ti facilem &amp;<lb/><hi rendition="#et">fe&#x017F;tivum putant,</hi><lb/>
Id non fieri ex vera vita, neque adeo ex<lb/><hi rendition="#et">æquo &amp; bono,</hi><lb/>
Sed ex a&#x017F;&#x017F;entando, indulgendo, &amp; largi-<lb/><hi rendition="#et">endo, Micio.</hi><lb/>
Nunc adeo, &#x017F;i ob eam rem vobis mea vita<lb/><hi rendition="#et">invi&#x017F;a e&#x017F;t, Ae&#x017F;chine,</hi><lb/>
Quia non ju&#x017F;ta inju&#x017F;ta pror&#x017F;us omnia, om-<lb/><hi rendition="#et">nino ab&#x017F;equor;</hi><lb/>
Mi&#x017F;&#x017F;a facio; effundite, emite, facite quod<lb/><hi rendition="#et">vobis lubet!</hi></hi></quote><bibl/></cit></note> <hi rendition="#aq">Hic o&#x017F;tendit<lb/>
Terentius,</hi> &#x017F;agt Donatus, <hi rendition="#aq">magis Demeam<lb/>
&#x017F;imula&#x017F;&#x017F;e mutatos mores, quam mutavi&#x017F;&#x017F;e.</hi></p><lb/>
        <p>Jch will aber nicht hoffen, daß der Herr von<lb/>
Voltaire meinet, &#x017F;elb&#x017F;t die&#x017F;e Ver&#x017F;tellung laufe<lb/>
wider den Charakter des Demea, der vorher<lb/>
nichts als ge&#x017F;chmählt und gepoltert habe: denn<lb/>
eine &#x017F;olche Ver&#x017F;tellung erfodere mehr Gela&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
heit und Kälte, als man dem Demea zutrauen<lb/>
dürfe. Auch hierinn i&#x017F;t Terenz ohne Tadel, und<lb/>
er hat alles &#x017F;o vortrefflich motiviret, bey jedem<lb/>
Schritte Natur und Wahrheit &#x017F;o genau beobach-<lb/>
tet, bey dem gering&#x017F;ten Uebergange &#x017F;o feine<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Schat-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[148/0154] dem, was er dem Micio antwortet, der ſich durch den Anſchein betriegen läßt, und ihn wirklich verändert glaubt. (*) Hic oſtendit Terentius, ſagt Donatus, magis Demeam ſimulaſſe mutatos mores, quam mutaviſſe. Jch will aber nicht hoffen, daß der Herr von Voltaire meinet, ſelbſt dieſe Verſtellung laufe wider den Charakter des Demea, der vorher nichts als geſchmählt und gepoltert habe: denn eine ſolche Verſtellung erfodere mehr Gelaſſen- heit und Kälte, als man dem Demea zutrauen dürfe. Auch hierinn iſt Terenz ohne Tadel, und er hat alles ſo vortrefflich motiviret, bey jedem Schritte Natur und Wahrheit ſo genau beobach- tet, bey dem geringſten Uebergange ſo feine Schat- (*) Mi. Quid iſtuc? quæ res tam repente mo- res mutavit tuos? Quod prolubium, quæ iſtæc ſubita eſt lar- gitas? De. Dicam tibi: Ut id oſtenderem, quod te iſti facilem & feſtivum putant, Id non fieri ex vera vita, neque adeo ex æquo & bono, Sed ex aſſentando, indulgendo, & largi- endo, Micio. Nunc adeo, ſi ob eam rem vobis mea vita inviſa eſt, Aeſchine, Quia non juſta injuſta prorſus omnia, om- nino abſequor; Miſſa facio; effundite, emite, facite quod vobis lubet!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/154
Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/154>, abgerufen am 09.11.2024.