Denn Richard der Dritte, so wie ihn Herr Weiß geschildert hat, ist unstreitig das größte, abscheulichste Ungeheuer, das jemals die Bühne getragen. Jch sage, die Bühne: daß es die Erde wirklich getragen habe, daran zweifle ich.
Was für Mitleid kann der Untergang dieses Ungeheuers erwecken? Doch, das soll er auch nicht; der Dichter hat es darauf nicht angelegt; und es sind ganz andere Personen in seinem Werke, die er zu Gegenständen unsers Mit- leids gemacht hat.
Aber Schrecken? -- Sollte dieser Bösewicht, der die Kluft, die sich zwischen ihm und dem Throne befunden, mit lauter Leichen gefüllet, mit den Leichen derer, die ihm das Liebste in der Welt hätten seyn müssen; sollte dieser blut- dürstige, seines Blutdurstes sich rühmende, über seine Verbrechen sich kitzelnde Teufel, nicht Schrecken in vollem Maaße erwecken?
Wohl erweckt er Schrecken: wenn unter Schrecken das Erstaunen über unbegreifliche Missethaten, das Entsetzen über Bosheiten, die unsern Begriff übersteigen, wenn darunter der Schauder zu verstehen ist, der uns bey Er- blickung vorsetzlicher Greuel, die mit Lust be- gangen werden, überfällt. Von diesem Schrecken hat mich Richard der Dritte mein gutes Theil empfinden lassen.
Aber
Denn Richard der Dritte, ſo wie ihn Herr Weiß geſchildert hat, iſt unſtreitig das größte, abſcheulichſte Ungeheuer, das jemals die Bühne getragen. Jch ſage, die Bühne: daß es die Erde wirklich getragen habe, daran zweifle ich.
Was für Mitleid kann der Untergang dieſes Ungeheuers erwecken? Doch, das ſoll er auch nicht; der Dichter hat es darauf nicht angelegt; und es ſind ganz andere Perſonen in ſeinem Werke, die er zu Gegenſtänden unſers Mit- leids gemacht hat.
Aber Schrecken? — Sollte dieſer Böſewicht, der die Kluft, die ſich zwiſchen ihm und dem Throne befunden, mit lauter Leichen gefüllet, mit den Leichen derer, die ihm das Liebſte in der Welt hätten ſeyn müſſen; ſollte dieſer blut- dürſtige, ſeines Blutdurſtes ſich rühmende, über ſeine Verbrechen ſich kitzelnde Teufel, nicht Schrecken in vollem Maaße erwecken?
Wohl erweckt er Schrecken: wenn unter Schrecken das Erſtaunen über unbegreifliche Miſſethaten, das Entſetzen über Bosheiten, die unſern Begriff überſteigen, wenn darunter der Schauder zu verſtehen iſt, der uns bey Er- blickung vorſetzlicher Greuel, die mit Luſt be- gangen werden, überfällt. Von dieſem Schrecken hat mich Richard der Dritte mein gutes Theil empfinden laſſen.
Aber
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Denn Richard der Dritte, ſo wie ihn Herr
Weiß geſchildert hat, iſt unſtreitig das größte,
abſcheulichſte Ungeheuer, das jemals die Bühne
getragen. Jch ſage, die Bühne: daß es die
Erde wirklich getragen habe, daran zweifle ich.
Was für Mitleid kann der Untergang dieſes
Ungeheuers erwecken? Doch, das ſoll er auch
nicht; der Dichter hat es darauf nicht angelegt;
und es ſind ganz andere Perſonen in ſeinem
Werke, die er zu Gegenſtänden unſers Mit-
leids gemacht hat.
Aber Schrecken? — Sollte dieſer Böſewicht,
der die Kluft, die ſich zwiſchen ihm und dem
Throne befunden, mit lauter Leichen gefüllet,
mit den Leichen derer, die ihm das Liebſte in der
Welt hätten ſeyn müſſen; ſollte dieſer blut-
dürſtige, ſeines Blutdurſtes ſich rühmende, über
ſeine Verbrechen ſich kitzelnde Teufel, nicht
Schrecken in vollem Maaße erwecken?
Wohl erweckt er Schrecken: wenn unter
Schrecken das Erſtaunen über unbegreifliche
Miſſethaten, das Entſetzen über Bosheiten, die
unſern Begriff überſteigen, wenn darunter der
Schauder zu verſtehen iſt, der uns bey Er-
blickung vorſetzlicher Greuel, die mit Luſt be-
gangen werden, überfällt. Von dieſem Schrecken
hat mich Richard der Dritte mein gutes Theil
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/176>, abgerufen am 21.11.2024.
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