[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769].leid und Bewunderung, als Mitleid und Furcht, Es beruhet aber alles auf dem Begriffe, den mit- (*) Os d' aplos eipein, phobera esin, osa [fremdsprachliches Material - 1 Zeichen fehlt] eteron
gignomena, e mellonta, eleeina esin. Jch weiß nicht, was dem Aemilius Portus (in seiner Ausgabe der Rhetorik, Spirae 1598.) einge- kommen ist, dieses zu übersetzen: Denique ut simpliciter loquar, formidabilia sunt, quae- leid und Bewunderung, als Mitleid und Furcht, Es beruhet aber alles auf dem Begriffe, den mit- (*) Ὡς δ᾽ ἁπλως εἰπειν, φοϐεϱα ἐςιν, ὀσα [fremdsprachliches Material – 1 Zeichen fehlt] ἑτερων
γιγνομενα, ἠ μελλοντα, ἐλεεινα ἐςιν. Jch weiß nicht, was dem Aemilius Portus (in ſeiner Ausgabe der Rhetorik, Spiræ 1598.) einge- kommen iſt, dieſes zu überſetzen: Denique ut ſimpliciter loquar, formidabilia ſunt, quæ- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0186" n="180"/> leid und Bewunderung, als Mitleid und Furcht,<lb/> erregen könne und dürfe?</p><lb/> <p>Es beruhet aber alles auf dem Begriffe, den<lb/> ſich Ariſtoteles von dem Mitleiden gemacht hat.<lb/> Er glaubte nehmlich, daß das Uebel, welches<lb/> der Gegenſtand unſers Mitleidens werden ſolle,<lb/> nothwendig von der Beſchaffenheit ſeyn müſſe,<lb/> daß wir es auch für uns ſelbſt, oder für eines<lb/> von den Unſrigen, zu befürchten hätten. Wo<lb/> dieſe Furcht nicht ſey, könne auch kein Mitlei-<lb/> den Statt finden. Denn weder der, den das<lb/> Unglück ſo tief herabgedrückt habe, daß er wei-<lb/> ter nichts für ſich zu fürchten ſähe, noch der,<lb/> welcher ſich ſo vollkommen glücklich glaube, daß<lb/> er gar nicht begreife, woher ihm ein Unglück<lb/> zuſtoſſen könne, weder der Verzweifelnde noch<lb/> der Uebermüthige, pflege mit andern Mitleid<lb/> zu haben. Er erkläret daher auch das Fürch-<lb/> terliche und das Mitleidswürdige, eines durch<lb/> das andere. Alles das, ſagt er, iſt uns fürch-<lb/> terlich, was, wenn es einem andern begegnet<lb/> wäre, oder begegnen ſollte, unſer Mitleid er-<lb/> wecken würde: <note xml:id="seg2pn_20_1" next="#seg2pn_20_2" place="foot" n="(*)">Ὡς δ᾽ ἁπλως εἰπειν, φοϐεϱα ἐςιν, ὀσα <gap reason="fm" unit="chars" quantity="1"/> ἑτερων<lb/> γιγνομενα, ἠ μελλοντα, ἐλεεινα ἐςιν. Jch weiß<lb/> nicht, was dem Aemilius Portus (in ſeiner<lb/> Ausgabe der Rhetorik, <hi rendition="#aq">Spiræ</hi> 1598.) einge-<lb/> kommen iſt, dieſes zu überſetzen: <hi rendition="#aq">Denique<lb/> ut ſimpliciter loquar, formidabilia ſunt,</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">quæ-</hi></fw></note> und alles das finden wir<lb/> <fw place="bottom" type="catch">mit-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [180/0186]
leid und Bewunderung, als Mitleid und Furcht,
erregen könne und dürfe?
Es beruhet aber alles auf dem Begriffe, den
ſich Ariſtoteles von dem Mitleiden gemacht hat.
Er glaubte nehmlich, daß das Uebel, welches
der Gegenſtand unſers Mitleidens werden ſolle,
nothwendig von der Beſchaffenheit ſeyn müſſe,
daß wir es auch für uns ſelbſt, oder für eines
von den Unſrigen, zu befürchten hätten. Wo
dieſe Furcht nicht ſey, könne auch kein Mitlei-
den Statt finden. Denn weder der, den das
Unglück ſo tief herabgedrückt habe, daß er wei-
ter nichts für ſich zu fürchten ſähe, noch der,
welcher ſich ſo vollkommen glücklich glaube, daß
er gar nicht begreife, woher ihm ein Unglück
zuſtoſſen könne, weder der Verzweifelnde noch
der Uebermüthige, pflege mit andern Mitleid
zu haben. Er erkläret daher auch das Fürch-
terliche und das Mitleidswürdige, eines durch
das andere. Alles das, ſagt er, iſt uns fürch-
terlich, was, wenn es einem andern begegnet
wäre, oder begegnen ſollte, unſer Mitleid er-
wecken würde: (*) und alles das finden wir
mit-
(*) Ὡς δ᾽ ἁπλως εἰπειν, φοϐεϱα ἐςιν, ὀσα _ ἑτερων
γιγνομενα, ἠ μελλοντα, ἐλεεινα ἐςιν. Jch weiß
nicht, was dem Aemilius Portus (in ſeiner
Ausgabe der Rhetorik, Spiræ 1598.) einge-
kommen iſt, dieſes zu überſetzen: Denique
ut ſimpliciter loquar, formidabilia ſunt,
quæ-
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