lasterhaften oder tugendhaften Menschen, hage- re Gerippe von Lastern und Tugenden gewor- den sind. --
Hier will ich diese Materie abbrechen. Wer ihr gewachsen ist, mag die Anwendung auf un- sern Richard, selbst machen.
Vom Herzog Michel, welcher auf den Ri- chard folgte, brauche ich wohl nichts zu sagen. Auf welchem Theater wird er nicht gespielt, und wer hat ihn nicht gesehen oder gelesen? Krüger hat indeß das wenigste Verdienst darum; denn er ist ganz aus einer Erzehlung in den Bremi- schen Beyträgen genommen. Die vielen guten satyrischen Züge, die er enthält, gehören jenem Dichter, so wie der ganze Verfolg der Fabel. Krügern gehört nichts, als die dramatische Form. Doch hat wirklich unsere Bühne an Krügern viel verloren. Er hatte Talent zum niedrig Komischen, wie seine Candidaten be- weisen. Wo er aber rührend und edel seyn will, ist er frostig und affectirt. Hr. Löwen hat seine Schriften gesammelt, unter welchen man jedoch die Geistlichen auf dem Lande vermißt. Dieses war der erste dramatische Versuch, wel- chen Krüger wagte, als er noch auf dem Grauen Kloster in Berlin studierte.
Den neun und vierzigsten Abend, (Donner- stags, den 23sten Julius) ward das Lustspiel
des
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laſterhaften oder tugendhaften Menſchen, hage- re Gerippe von Laſtern und Tugenden gewor- den ſind. —
Hier will ich dieſe Materie abbrechen. Wer ihr gewachſen iſt, mag die Anwendung auf un- ſern Richard, ſelbſt machen.
Vom Herzog Michel, welcher auf den Ri- chard folgte, brauche ich wohl nichts zu ſagen. Auf welchem Theater wird er nicht geſpielt, und wer hat ihn nicht geſehen oder geleſen? Krüger hat indeß das wenigſte Verdienſt darum; denn er iſt ganz aus einer Erzehlung in den Bremi- ſchen Beyträgen genommen. Die vielen guten ſatyriſchen Züge, die er enthält, gehören jenem Dichter, ſo wie der ganze Verfolg der Fabel. Krügern gehört nichts, als die dramatiſche Form. Doch hat wirklich unſere Bühne an Krügern viel verloren. Er hatte Talent zum niedrig Komiſchen, wie ſeine Candidaten be- weiſen. Wo er aber rührend und edel ſeyn will, iſt er froſtig und affectirt. Hr. Löwen hat ſeine Schriften geſammelt, unter welchen man jedoch die Geiſtlichen auf dem Lande vermißt. Dieſes war der erſte dramatiſche Verſuch, wel- chen Krüger wagte, als er noch auf dem Grauen Kloſter in Berlin ſtudierte.
Den neun und vierzigſten Abend, (Donner- ſtags, den 23ſten Julius) ward das Luſtſpiel
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laſterhaften oder tugendhaften Menſchen, hage-
re Gerippe von Laſtern und Tugenden gewor-
den ſind. —
Hier will ich dieſe Materie abbrechen. Wer
ihr gewachſen iſt, mag die Anwendung auf un-
ſern Richard, ſelbſt machen.
Vom Herzog Michel, welcher auf den Ri-
chard folgte, brauche ich wohl nichts zu ſagen.
Auf welchem Theater wird er nicht geſpielt, und
wer hat ihn nicht geſehen oder geleſen? Krüger
hat indeß das wenigſte Verdienſt darum; denn
er iſt ganz aus einer Erzehlung in den Bremi-
ſchen Beyträgen genommen. Die vielen guten
ſatyriſchen Züge, die er enthält, gehören jenem
Dichter, ſo wie der ganze Verfolg der Fabel.
Krügern gehört nichts, als die dramatiſche
Form. Doch hat wirklich unſere Bühne an
Krügern viel verloren. Er hatte Talent zum
niedrig Komiſchen, wie ſeine Candidaten be-
weiſen. Wo er aber rührend und edel ſeyn will,
iſt er froſtig und affectirt. Hr. Löwen hat ſeine
Schriften geſammelt, unter welchen man jedoch
die Geiſtlichen auf dem Lande vermißt.
Dieſes war der erſte dramatiſche Verſuch, wel-
chen Krüger wagte, als er noch auf dem Grauen
Kloſter in Berlin ſtudierte.
Den neun und vierzigſten Abend, (Donner-
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/251>, abgerufen am 22.11.2024.
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