sie mit allem didaktischen Ernste wiederhohlt, und mit Proben begleitet wurden, in welchen sich der Verfasser von einigen der gerügten Mängel zu entfernen, und den Weg der Natur und Täuschung besser einzuschlagen, bemüht hatte. Nun weckte der Neid die Critik. Nun war es klar, warum Diderot das Theater seiner Nation auf dem Gipfel der Vollkommenheit nicht sahe, auf dem wir es durchaus glauben sollen; warum er so viel Fehler in den gepriesenen Meister- stücken desselben fand: blos und allein, um seinen Stücken Platz zu schaffen. Er mußte die Me- thode seiner Vorgänger verschrien haben, weil er empfand, daß in Befolgung der nehmlichen Methode, er unendlich unter ihnen bleiben wür- de. Er mußte ein elender Charlatan seyn, der allen fremden Theriak verachtet, damit kein Mensch andern als seinen kaufe. Und so fielen die Palissots über seine Stücke her.
Allerdings hatte er ihnen auch, in seinem na- türlichen Sohne, manche Blöße gegeben. Dieser erste Versuch ist bey weiten das nicht, was der Hausvater ist. Zu viel Einförmigkeit in den Charakteren, das Romantische in diesen Charakteren selbst, ein steifer kostbarer Dialog, ein pedantisches Geklingle von neumodisch phi- losophischen Sentenzen: alles das machte den Tadlern leichtes Spiel. Besonders zog die feyerliche Theresia (oder Constantia, wie sie in
dem
ſie mit allem didaktiſchen Ernſte wiederhohlt, und mit Proben begleitet wurden, in welchen ſich der Verfaſſer von einigen der gerügten Mängel zu entfernen, und den Weg der Natur und Täuſchung beſſer einzuſchlagen, bemüht hatte. Nun weckte der Neid die Critik. Nun war es klar, warum Diderot das Theater ſeiner Nation auf dem Gipfel der Vollkommenheit nicht ſahe, auf dem wir es durchaus glauben ſollen; warum er ſo viel Fehler in den geprieſenen Meiſter- ſtücken deſſelben fand: blos und allein, um ſeinen Stücken Platz zu ſchaffen. Er mußte die Me- thode ſeiner Vorgänger verſchrien haben, weil er empfand, daß in Befolgung der nehmlichen Methode, er unendlich unter ihnen bleiben wür- de. Er mußte ein elender Charlatan ſeyn, der allen fremden Theriak verachtet, damit kein Menſch andern als ſeinen kaufe. Und ſo fielen die Paliſſots über ſeine Stücke her.
Allerdings hatte er ihnen auch, in ſeinem na- türlichen Sohne, manche Blöße gegeben. Dieſer erſte Verſuch iſt bey weiten das nicht, was der Hausvater iſt. Zu viel Einförmigkeit in den Charakteren, das Romantiſche in dieſen Charakteren ſelbſt, ein ſteifer koſtbarer Dialog, ein pedantiſches Geklingle von neumodiſch phi- loſophiſchen Sentenzen: alles das machte den Tadlern leichtes Spiel. Beſonders zog die feyerliche Thereſia (oder Conſtantia, wie ſie in
dem
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ſie mit allem didaktiſchen Ernſte wiederhohlt,
und mit Proben begleitet wurden, in welchen
ſich der Verfaſſer von einigen der gerügten
Mängel zu entfernen, und den Weg der Natur
und Täuſchung beſſer einzuſchlagen, bemüht hatte.
Nun weckte der Neid die Critik. Nun war es
klar, warum Diderot das Theater ſeiner Nation
auf dem Gipfel der Vollkommenheit nicht ſahe,
auf dem wir es durchaus glauben ſollen; warum
er ſo viel Fehler in den geprieſenen Meiſter-
ſtücken deſſelben fand: blos und allein, um ſeinen
Stücken Platz zu ſchaffen. Er mußte die Me-
thode ſeiner Vorgänger verſchrien haben, weil
er empfand, daß in Befolgung der nehmlichen
Methode, er unendlich unter ihnen bleiben wür-
de. Er mußte ein elender Charlatan ſeyn, der
allen fremden Theriak verachtet, damit kein
Menſch andern als ſeinen kaufe. Und ſo fielen
die Paliſſots über ſeine Stücke her.
Allerdings hatte er ihnen auch, in ſeinem na-
türlichen Sohne, manche Blöße gegeben.
Dieſer erſte Verſuch iſt bey weiten das nicht,
was der Hausvater iſt. Zu viel Einförmigkeit
in den Charakteren, das Romantiſche in dieſen
Charakteren ſelbſt, ein ſteifer koſtbarer Dialog,
ein pedantiſches Geklingle von neumodiſch phi-
loſophiſchen Sentenzen: alles das machte den
Tadlern leichtes Spiel. Beſonders zog die
feyerliche Thereſia (oder Conſtantia, wie ſie in
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/269>, abgerufen am 21.11.2024.
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