Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769].

Bild:
<< vorherige Seite

kaum in einem ganzen Jahrhunderte ein einziges
Beyspiel zeiget? Zwar in hundert und mehr
Stücken könnte ihm auch wohl Ein solcher Cha-

rakter
sondern blos, was im Lateinischen noch nicht
vorhanden gewesen. Daß mein Stück, will
er sagen, ein neues Stück sey, das ist, ein
solches Stück, welches noch nie lateinisch er-
schienen, welches ich selbst aus dem Griechi-
schen übersetzt, das habe in den Aedilen, die
mir es abgekauft, bewiesen. Um mir hierinn
ohne Bedenken beyzufallen, darf man sich nur
an den Streit erinnern, welchen er, wegen
seines Evnuchus, vor den Aedilen hatte. Die-
sen hatte er ihnen als ein neues, von ihm aus
dem Griechischen übersetztes Stück verkauft:
aber sein Widersacher, Lavinius, wollte den
Aedilen überreden, daß er es nicht aus dem
Griechischen, sondern aus zwey alten Stücken
des Nävius und Plautus genommen habe.
Freylich hatte der Evnuchus mit diesen Stücken
vieles gemein; aber doch war die Beschuldi-
gung des Lavinius falsch; denn Terenz hatte
nur aus eben der griechischen Quelle geschöpft,
aus welcher, ihm unwissend, schon Nävius
und Plautus vor ihm geschöpft hatten. Al-
so, um dergleichen Verleumdungen bey seinem
Heavtontimorun enos vorzubauen, was war
natürlicher, als daß er den Aedilen das grie-
chische Original vorgezeigt, und sie wegen des
Jnhalts unterrichtet hatte? Ja, die Aedi-
len konnten das leicht selbst von ihm gefodert
haben. Und darauf geht das
Novam esse ostendi, & quae esset.
N n

kaum in einem ganzen Jahrhunderte ein einziges
Beyſpiel zeiget? Zwar in hundert und mehr
Stücken könnte ihm auch wohl Ein ſolcher Cha-

rakter
ſondern blos, was im Lateiniſchen noch nicht
vorhanden geweſen. Daß mein Stück, will
er ſagen, ein neues Stück ſey, das iſt, ein
ſolches Stück, welches noch nie lateiniſch er-
ſchienen, welches ich ſelbſt aus dem Griechi-
ſchen überſetzt, das habe in den Aedilen, die
mir es abgekauft, bewieſen. Um mir hierinn
ohne Bedenken beyzufallen, darf man ſich nur
an den Streit erinnern, welchen er, wegen
ſeines Evnuchus, vor den Aedilen hatte. Die-
ſen hatte er ihnen als ein neues, von ihm aus
dem Griechiſchen überſetztes Stück verkauft:
aber ſein Widerſacher, Lavinius, wollte den
Aedilen überreden, daß er es nicht aus dem
Griechiſchen, ſondern aus zwey alten Stücken
des Nävius und Plautus genommen habe.
Freylich hatte der Evnuchus mit dieſen Stücken
vieles gemein; aber doch war die Beſchuldi-
gung des Lavinius falſch; denn Terenz hatte
nur aus eben der griechiſchen Quelle geſchöpft,
aus welcher, ihm unwiſſend, ſchon Nävius
und Plautus vor ihm geſchöpft hatten. Al-
ſo, um dergleichen Verleumdungen bey ſeinem
Heavtontimorun enos vorzubauen, was war
natürlicher, als daß er den Aedilen das grie-
chiſche Original vorgezeigt, und ſie wegen des
Jnhalts unterrichtet hatte? Ja, die Aedi-
len konnten das leicht ſelbſt von ihm gefodert
haben. Und darauf geht das
Novam eſſe oſtendi, & quæ eſſet.
N n
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0287" n="281"/>
kaum in einem ganzen Jahrhunderte ein einziges<lb/>
Bey&#x017F;piel zeiget? Zwar in hundert und mehr<lb/>
Stücken könnte ihm auch wohl Ein &#x017F;olcher Cha-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">rakter</fw><lb/><note xml:id="seg2pn_23_6" prev="#seg2pn_23_5" place="foot" n="(*)">&#x017F;ondern blos, was im Lateini&#x017F;chen noch nicht<lb/>
vorhanden gewe&#x017F;en. Daß mein Stück, will<lb/>
er &#x017F;agen, ein neues Stück &#x017F;ey, das i&#x017F;t, ein<lb/>
&#x017F;olches Stück, welches noch nie lateini&#x017F;ch er-<lb/>
&#x017F;chienen, welches ich &#x017F;elb&#x017F;t aus dem Griechi-<lb/>
&#x017F;chen über&#x017F;etzt, das habe in den Aedilen, die<lb/>
mir es abgekauft, bewie&#x017F;en. Um mir hierinn<lb/>
ohne Bedenken beyzufallen, darf man &#x017F;ich nur<lb/>
an den Streit erinnern, welchen er, wegen<lb/>
&#x017F;eines Evnuchus, vor den Aedilen hatte. Die-<lb/>
&#x017F;en hatte er ihnen als ein neues, von ihm aus<lb/>
dem Griechi&#x017F;chen über&#x017F;etztes Stück verkauft:<lb/>
aber &#x017F;ein Wider&#x017F;acher, Lavinius, wollte den<lb/>
Aedilen überreden, daß er es nicht aus dem<lb/>
Griechi&#x017F;chen, &#x017F;ondern aus zwey alten Stücken<lb/>
des Nävius und Plautus genommen habe.<lb/>
Freylich hatte der Evnuchus mit die&#x017F;en Stücken<lb/>
vieles gemein; aber doch war die Be&#x017F;chuldi-<lb/>
gung des Lavinius fal&#x017F;ch; denn Terenz hatte<lb/>
nur aus eben der griechi&#x017F;chen Quelle ge&#x017F;chöpft,<lb/>
aus welcher, ihm unwi&#x017F;&#x017F;end, &#x017F;chon Nävius<lb/>
und Plautus vor ihm ge&#x017F;chöpft hatten. Al-<lb/>
&#x017F;o, um dergleichen Verleumdungen bey &#x017F;einem<lb/>
Heavtontimorun enos vorzubauen, was war<lb/>
natürlicher, als daß er den Aedilen das grie-<lb/>
chi&#x017F;che Original vorgezeigt, und &#x017F;ie wegen des<lb/>
Jnhalts unterrichtet hatte? Ja, die Aedi-<lb/>
len konnten das leicht &#x017F;elb&#x017F;t von ihm gefodert<lb/>
haben. Und darauf geht das<lb/><cit><quote><hi rendition="#aq">Novam e&#x017F;&#x017F;e o&#x017F;tendi, &amp; quæ e&#x017F;&#x017F;et.</hi></quote><bibl/></cit><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">N n</fw></note><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[281/0287] kaum in einem ganzen Jahrhunderte ein einziges Beyſpiel zeiget? Zwar in hundert und mehr Stücken könnte ihm auch wohl Ein ſolcher Cha- rakter (*) (*) ſondern blos, was im Lateiniſchen noch nicht vorhanden geweſen. Daß mein Stück, will er ſagen, ein neues Stück ſey, das iſt, ein ſolches Stück, welches noch nie lateiniſch er- ſchienen, welches ich ſelbſt aus dem Griechi- ſchen überſetzt, das habe in den Aedilen, die mir es abgekauft, bewieſen. Um mir hierinn ohne Bedenken beyzufallen, darf man ſich nur an den Streit erinnern, welchen er, wegen ſeines Evnuchus, vor den Aedilen hatte. Die- ſen hatte er ihnen als ein neues, von ihm aus dem Griechiſchen überſetztes Stück verkauft: aber ſein Widerſacher, Lavinius, wollte den Aedilen überreden, daß er es nicht aus dem Griechiſchen, ſondern aus zwey alten Stücken des Nävius und Plautus genommen habe. Freylich hatte der Evnuchus mit dieſen Stücken vieles gemein; aber doch war die Beſchuldi- gung des Lavinius falſch; denn Terenz hatte nur aus eben der griechiſchen Quelle geſchöpft, aus welcher, ihm unwiſſend, ſchon Nävius und Plautus vor ihm geſchöpft hatten. Al- ſo, um dergleichen Verleumdungen bey ſeinem Heavtontimorun enos vorzubauen, was war natürlicher, als daß er den Aedilen das grie- chiſche Original vorgezeigt, und ſie wegen des Jnhalts unterrichtet hatte? Ja, die Aedi- len konnten das leicht ſelbſt von ihm gefodert haben. Und darauf geht das Novam eſſe oſtendi, & quæ eſſet. N n

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/287
Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/287>, abgerufen am 22.11.2024.