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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769].

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es ist, daß die ältere Griechische Komödie sich
nur wahrer Namen bedient habe. Selbst in

den-
die Neue Komödie allerdings erlebt,
und er gedenkt ihrer namentlich in der Mo-
ral an den Nicomachus, wo er von dem an-
ständigen und unanständigen Scherze han-
delt. (Lib. IV. cap. 14.) Idoi d an tis kai
ek ton komodion ton palaion kai ton
kainon. Tois men gar en geloion e
aiskhrologia tois de mallon, e uponia.
Man könnte zwar sagen, daß unter der
Neuen Komödie hier die Mittlere ver-
standen werde; denn als noch keine Neue
gewesen, habe nothwendig die Mittlere die
Neue heissen müssen. Man könnte hinzu-
setzen, daß Aristoteles in eben der Olym-
piade gestorben, in welcher Menander sein
erstes Stück aufführen lassen, und zwar noch
das Jahr vorher. (Eusebius in Chronico
ad Olymp. CXIV.
4.) Allein man hat Un-
recht, wenn man den Anfang der Neuen Ko-
mödie von dem Menander rechnet; Menan-
der war der erste Dichter dieser Epoche, dem
poetischen Werthe nach, aber nicht der Zeit
nach. Philemon, der dazu gehört, schrieb
viel früher, und der Uebergang von der
Mittlern zur Neuen Komödie war so un-
merklich, daß es dem Aristoteles unmöglich
an Mustern derselben kann gefehlt haben.
Aristophanes selbst hatte schon ein solches
Muster gegeben; sein Kokalos war so
beschaffen, wie ihn Philemon sich mit weni-
gen

es iſt, daß die ältere Griechiſche Komödie ſich
nur wahrer Namen bedient habe. Selbſt in

den-
die Neue Komödie allerdings erlebt,
und er gedenkt ihrer namentlich in der Mo-
ral an den Nicomachus, wo er von dem an-
ſtändigen und unanſtändigen Scherze han-
delt. (Lib. IV. cap. 14.) Ἰδοι δ ἀν τις και
ἐϰ των ϰωμῳδιων των παλαιων ϰαι των
ϰαινων. Τοις μεν γαρ ἠν γελοιον ἠ
ἀισχρολογια τοις δε μαλλον, η ὐπονια.
Man könnte zwar ſagen, daß unter der
Neuen Komödie hier die Mittlere ver-
ſtanden werde; denn als noch keine Neue
geweſen, habe nothwendig die Mittlere die
Neue heiſſen müſſen. Man könnte hinzu-
ſetzen, daß Ariſtoteles in eben der Olym-
piade geſtorben, in welcher Menander ſein
erſtes Stück aufführen laſſen, und zwar noch
das Jahr vorher. (Euſebius in Chronico
ad Olymp. CXIV.
4.) Allein man hat Un-
recht, wenn man den Anfang der Neuen Ko-
mödie von dem Menander rechnet; Menan-
der war der erſte Dichter dieſer Epoche, dem
poetiſchen Werthe nach, aber nicht der Zeit
nach. Philemon, der dazu gehört, ſchrieb
viel früher, und der Uebergang von der
Mittlern zur Neuen Komödie war ſo un-
merklich, daß es dem Ariſtoteles unmöglich
an Muſtern derſelben kann gefehlt haben.
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[303/0309] es iſt, daß die ältere Griechiſche Komödie ſich nur wahrer Namen bedient habe. Selbſt in den- (*) (*) die Neue Komödie allerdings erlebt, und er gedenkt ihrer namentlich in der Mo- ral an den Nicomachus, wo er von dem an- ſtändigen und unanſtändigen Scherze han- delt. (Lib. IV. cap. 14.) Ἰδοι δ ἀν τις και ἐϰ των ϰωμῳδιων των παλαιων ϰαι των ϰαινων. Τοις μεν γαρ ἠν γελοιον ἠ ἀισχρολογια τοις δε μαλλον, η ὐπονια. Man könnte zwar ſagen, daß unter der Neuen Komödie hier die Mittlere ver- ſtanden werde; denn als noch keine Neue geweſen, habe nothwendig die Mittlere die Neue heiſſen müſſen. Man könnte hinzu- ſetzen, daß Ariſtoteles in eben der Olym- piade geſtorben, in welcher Menander ſein erſtes Stück aufführen laſſen, und zwar noch das Jahr vorher. (Euſebius in Chronico ad Olymp. CXIV. 4.) Allein man hat Un- recht, wenn man den Anfang der Neuen Ko- mödie von dem Menander rechnet; Menan- der war der erſte Dichter dieſer Epoche, dem poetiſchen Werthe nach, aber nicht der Zeit nach. Philemon, der dazu gehört, ſchrieb viel früher, und der Uebergang von der Mittlern zur Neuen Komödie war ſo un- merklich, daß es dem Ariſtoteles unmöglich an Muſtern derſelben kann gefehlt haben. Ariſtophanes ſelbſt hatte ſchon ein ſolches Muſter gegeben; ſein Kokalos war ſo beſchaffen, wie ihn Philemon ſich mit weni- gen

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Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/309>, abgerufen am 22.11.2024.