was einmal geschehen, glaubwürdiger ist, als was nicht geschehen. Die erste dieser Ursachen fließt aus der Verbindung der Aristotelischen Begriffe überhaupt; sie liegt zum Grunde, und Aristoteles hatte nicht nöthig, sich umständlicher bey ihr zu verweilen; wohl aber bey der zwey- ten, als einer von anderwärts noch dazu kom- menden Ursache. Doch diese liegt itzt außer meinem Wege, und die Ausleger insgesamt ha- ben sie weniger mißverstanden als jene.
Nun also auf die Behauptung des Diderot zurück zu kommen. Wenn ich die Lehre des Aristoteles richtig erklärt zu haben, glauben darf: so darf ich auch glauben, durch meine Er- klärung bewiesen zu haben, daß die Sache selbst unmöglich anders seyn kann, als sie Aristoteles lehret. Die Charaktere der Tragödie müssen eben so allgemein seyn, als die Charaktere der Komödie. Der Unterschied, den Diderot be- hauptet, ist falsch: oder Diderot muß unter der Allgemeinheit eines Charakters ganz etwas anders verstehen, als Aristoteles darunter ver- stand.
Ham-
was einmal geſchehen, glaubwürdiger iſt, als was nicht geſchehen. Die erſte dieſer Urſachen fließt aus der Verbindung der Ariſtoteliſchen Begriffe überhaupt; ſie liegt zum Grunde, und Ariſtoteles hatte nicht nöthig, ſich umſtändlicher bey ihr zu verweilen; wohl aber bey der zwey- ten, als einer von anderwärts noch dazu kom- menden Urſache. Doch dieſe liegt itzt außer meinem Wege, und die Ausleger insgeſamt ha- ben ſie weniger mißverſtanden als jene.
Nun alſo auf die Behauptung des Diderot zurück zu kommen. Wenn ich die Lehre des Ariſtoteles richtig erklärt zu haben, glauben darf: ſo darf ich auch glauben, durch meine Er- klärung bewieſen zu haben, daß die Sache ſelbſt unmöglich anders ſeyn kann, als ſie Ariſtoteles lehret. Die Charaktere der Tragödie müſſen eben ſo allgemein ſeyn, als die Charaktere der Komödie. Der Unterſchied, den Diderot be- hauptet, iſt falſch: oder Diderot muß unter der Allgemeinheit eines Charakters ganz etwas anders verſtehen, als Ariſtoteles darunter ver- ſtand.
Ham-
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[312/0318]
was einmal geſchehen, glaubwürdiger iſt, als
was nicht geſchehen. Die erſte dieſer Urſachen
fließt aus der Verbindung der Ariſtoteliſchen
Begriffe überhaupt; ſie liegt zum Grunde, und
Ariſtoteles hatte nicht nöthig, ſich umſtändlicher
bey ihr zu verweilen; wohl aber bey der zwey-
ten, als einer von anderwärts noch dazu kom-
menden Urſache. Doch dieſe liegt itzt außer
meinem Wege, und die Ausleger insgeſamt ha-
ben ſie weniger mißverſtanden als jene.
Nun alſo auf die Behauptung des Diderot
zurück zu kommen. Wenn ich die Lehre des
Ariſtoteles richtig erklärt zu haben, glauben
darf: ſo darf ich auch glauben, durch meine Er-
klärung bewieſen zu haben, daß die Sache ſelbſt
unmöglich anders ſeyn kann, als ſie Ariſtoteles
lehret. Die Charaktere der Tragödie müſſen
eben ſo allgemein ſeyn, als die Charaktere der
Komödie. Der Unterſchied, den Diderot be-
hauptet, iſt falſch: oder Diderot muß unter
der Allgemeinheit eines Charakters ganz etwas
anders verſtehen, als Ariſtoteles darunter ver-
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/318>, abgerufen am 22.11.2024.
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