[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769]."eine unnatürliche, und wie es die Mahler nen- "von cherlich zu machen, schilderte Johnson Hu- mor. Die Sache genau zu nehmen, müßte auch nur der affectirte, und nie der wahre Humor ein Gegenstand der Komödie seyn. Denn nur die Begierde, sich von andern aus- zuzeichnen, sich durch etwas Eigenthümliches merkbar zu machen, ist eine allgemeine menschliche Schwachheit, die, nach Be- schaffenheit der Mittel, welche sie wählet, sehr lächerlich, oder auch sehr strafbar wer- den kann. Das aber, wodurch die Natur selbst, oder eine anhaltende zur Natur ge- wordene Gewohnheit, einen einzeln Men- schen von allen andern auszeichnet, ist viel zu speciell, als daß es sich mit der allgemei- nen philosophischen Absicht des Drama ver- tragen könnte. Der überhäufte Humor in vielen Englischen Stücken, dürfte sonach auch wohl das Eigene, aber nicht das Bessere derselben seyn. Gewiß ist es, daß sich in dem Drama der Alten keine Spur von Hu- mor findet. Die alten dramatischen Dichter wußten das Kunststück, ihre Personen auch ohne Humor zu individualisiren: ja die al- ten Dichter überhaupt. Wohl aber zeigen die alten Geschichtschreiber und Redner dann und wann Humor; wenn nehmlich die hi- storische Wahrheit, oder die Aufklärung ei- nes gewissen Facti, diese genaue Schilderung kath' ekaston erfodert. Jch habe Exempel davon fleißig gesammelt, die ich auch blos darum S s 3
„eine unnatürliche, und wie es die Mahler nen- „von cherlich zu machen, ſchilderte Johnſon Hu- mor. Die Sache genau zu nehmen, müßte auch nur der affectirte, und nie der wahre Humor ein Gegenſtand der Komödie ſeyn. Denn nur die Begierde, ſich von andern aus- zuzeichnen, ſich durch etwas Eigenthümliches merkbar zu machen, iſt eine allgemeine menſchliche Schwachheit, die, nach Be- ſchaffenheit der Mittel, welche ſie wählet, ſehr lächerlich, oder auch ſehr ſtrafbar wer- den kann. Das aber, wodurch die Natur ſelbſt, oder eine anhaltende zur Natur ge- wordene Gewohnheit, einen einzeln Men- ſchen von allen andern auszeichnet, iſt viel zu ſpeciell, als daß es ſich mit der allgemei- nen philoſophiſchen Abſicht des Drama ver- tragen könnte. Der überhäufte Humor in vielen Engliſchen Stücken, dürfte ſonach auch wohl das Eigene, aber nicht das Beſſere derſelben ſeyn. Gewiß iſt es, daß ſich in dem Drama der Alten keine Spur von Hu- mor findet. Die alten dramatiſchen Dichter wußten das Kunſtſtück, ihre Perſonen auch ohne Humor zu individualiſiren: ja die al- ten Dichter überhaupt. Wohl aber zeigen die alten Geſchichtſchreiber und Redner dann und wann Humor; wenn nehmlich die hi- ſtoriſche Wahrheit, oder die Aufklärung ei- nes gewiſſen Facti, dieſe genaue Schilderung ϰαϑ᾽ ἑϰαϛον erfodert. Jch habe Exempel davon fleißig geſammelt, die ich auch blos darum S s 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0331" n="325"/> „eine unnatürliche, und wie es die Mahler nen-<lb/> „nen würden, <hi rendition="#g">harte</hi> Schilderung einer Gruppe<lb/> <fw place="bottom" type="sig">S s 3</fw><fw place="bottom" type="catch">„von</fw><lb/><note next="#seg2pn_30_4" xml:id="seg2pn_30_3" prev="#seg2pn_30_2" place="foot" n="(*)">cherlich zu machen, ſchilderte Johnſon Hu-<lb/> mor. Die Sache genau zu nehmen, müßte<lb/> auch nur der affectirte, und nie der wahre<lb/> Humor ein Gegenſtand der Komödie ſeyn.<lb/> Denn nur die Begierde, ſich von andern aus-<lb/> zuzeichnen, ſich durch etwas Eigenthümliches<lb/> merkbar zu machen, iſt eine allgemeine<lb/> menſchliche Schwachheit, die, nach Be-<lb/> ſchaffenheit der Mittel, welche ſie wählet,<lb/> ſehr lächerlich, oder auch ſehr ſtrafbar wer-<lb/> den kann. Das aber, wodurch die Natur<lb/> ſelbſt, oder eine anhaltende zur Natur ge-<lb/> wordene Gewohnheit, einen einzeln Men-<lb/> ſchen von allen andern auszeichnet, iſt viel<lb/> zu ſpeciell, als daß es ſich mit der allgemei-<lb/> nen philoſophiſchen Abſicht des Drama ver-<lb/> tragen könnte. Der überhäufte Humor in<lb/> vielen Engliſchen Stücken, dürfte ſonach auch<lb/> wohl das Eigene, aber nicht das Beſſere<lb/> derſelben ſeyn. Gewiß iſt es, daß ſich in<lb/> dem Drama der Alten keine Spur von Hu-<lb/> mor findet. Die alten dramatiſchen Dichter<lb/> wußten das Kunſtſtück, ihre Perſonen auch<lb/> ohne Humor zu individualiſiren: ja die al-<lb/> ten Dichter überhaupt. Wohl aber zeigen<lb/> die alten Geſchichtſchreiber und Redner dann<lb/> und wann Humor; wenn nehmlich die hi-<lb/> ſtoriſche Wahrheit, oder die Aufklärung ei-<lb/> nes gewiſſen Facti, dieſe genaue Schilderung<lb/> ϰαϑ᾽ ἑϰαϛον erfodert. Jch habe Exempel<lb/> davon fleißig geſammelt, die ich auch blos<lb/> <fw place="bottom" type="catch">darum</fw></note><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [325/0331]
„eine unnatürliche, und wie es die Mahler nen-
„nen würden, harte Schilderung einer Gruppe
„von
(*)
(*) cherlich zu machen, ſchilderte Johnſon Hu-
mor. Die Sache genau zu nehmen, müßte
auch nur der affectirte, und nie der wahre
Humor ein Gegenſtand der Komödie ſeyn.
Denn nur die Begierde, ſich von andern aus-
zuzeichnen, ſich durch etwas Eigenthümliches
merkbar zu machen, iſt eine allgemeine
menſchliche Schwachheit, die, nach Be-
ſchaffenheit der Mittel, welche ſie wählet,
ſehr lächerlich, oder auch ſehr ſtrafbar wer-
den kann. Das aber, wodurch die Natur
ſelbſt, oder eine anhaltende zur Natur ge-
wordene Gewohnheit, einen einzeln Men-
ſchen von allen andern auszeichnet, iſt viel
zu ſpeciell, als daß es ſich mit der allgemei-
nen philoſophiſchen Abſicht des Drama ver-
tragen könnte. Der überhäufte Humor in
vielen Engliſchen Stücken, dürfte ſonach auch
wohl das Eigene, aber nicht das Beſſere
derſelben ſeyn. Gewiß iſt es, daß ſich in
dem Drama der Alten keine Spur von Hu-
mor findet. Die alten dramatiſchen Dichter
wußten das Kunſtſtück, ihre Perſonen auch
ohne Humor zu individualiſiren: ja die al-
ten Dichter überhaupt. Wohl aber zeigen
die alten Geſchichtſchreiber und Redner dann
und wann Humor; wenn nehmlich die hi-
ſtoriſche Wahrheit, oder die Aufklärung ei-
nes gewiſſen Facti, dieſe genaue Schilderung
ϰαϑ᾽ ἑϰαϛον erfodert. Jch habe Exempel
davon fleißig geſammelt, die ich auch blos
darum
S s 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/331 |
Zitationshilfe: | [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/331>, abgerufen am 23.06.2024. |