[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769]."von für sich bestehenden Leidenschaf- "Auch darum in Ordnung bringen zu können wünsch-
te, um gelegentlich einen Fehler wieder gut zu machen, der ziemlich allgemein geworden ist. Wir übersetzen nehmlich itzt, fast durch- gängig, Humor durch Laune; und ich glaube mir bewußt zu seyn, daß ich der erste bin, der es so übersetzt hat. Jch habe sehr un- recht daran gethan, und ich wünschte, daß man mir nicht gefolgt wäre. Denn ich glaube es unwidersprechlich beweisen zu kön- nen, daß Humor und Laune ganz verschie- dene, ja in gewissem Verstande gerade ent- gegen gesetzte Dinge sind. Laune kann zu Humor werden; aber Humor ist, außer die- sem einzigen Falle, nie Laune. Jch hätte die Abstammung unsers deutschen Worts und den gewöhnlichen Gebrauch desselben, besser untersuchen und genauer erwägen sol- len. Jch schloß zu eilig, weil Laune das Französische Humeur ausdrücke, daß es auch das Englische Humour ausdrücken könnte: aber die Franzosen selbst können Humour nicht durch Humeur übersetzen. -- Von „von für ſich beſtehenden Leidenſchaf- „Auch darum in Ordnung bringen zu können wünſch-
te, um gelegentlich einen Fehler wieder gut zu machen, der ziemlich allgemein geworden iſt. Wir überſetzen nehmlich itzt, faſt durch- gängig, Humor durch Laune; und ich glaube mir bewußt zu ſeyn, daß ich der erſte bin, der es ſo überſetzt hat. Jch habe ſehr un- recht daran gethan, und ich wünſchte, daß man mir nicht gefolgt wäre. Denn ich glaube es unwiderſprechlich beweiſen zu kön- nen, daß Humor und Laune ganz verſchie- dene, ja in gewiſſem Verſtande gerade ent- gegen geſetzte Dinge ſind. Laune kann zu Humor werden; aber Humor iſt, außer die- ſem einzigen Falle, nie Laune. Jch hätte die Abſtammung unſers deutſchen Worts und den gewöhnlichen Gebrauch deſſelben, beſſer unterſuchen und genauer erwägen ſol- len. Jch ſchloß zu eilig, weil Laune das Franzöſiſche Humeur ausdrücke, daß es auch das Engliſche Humour ausdrücken könnte: aber die Franzoſen ſelbſt können Humour nicht durch Humeur überſetzen. — Von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0332" n="326"/> „von <hi rendition="#g">für ſich beſtehenden Leidenſchaf-<lb/> „ten</hi> iſt, wovon man das Urbild in dem wirk-<lb/> „lichen Leben nirgends findet. Dennoch hat<lb/> „dieſe Komödie immer ihre Bewunderer gehabt;<lb/> „und beſonders muß <hi rendition="#g">Randolph</hi> von ihrer<lb/> „Einrichtung ſehr bezaubert geweſen ſeyn, weil<lb/> „er ſie in ſeinem <hi rendition="#g">Spiegel der Muſe</hi> aus-<lb/> „drücklich nachgeahmet zu haben ſcheint.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">„Auch</fw><lb/> <p> <note next="#seg2pn_30_5" xml:id="seg2pn_30_4" prev="#seg2pn_30_3" place="foot" n="(*)">darum in Ordnung bringen zu können wünſch-<lb/> te, um gelegentlich einen Fehler wieder gut<lb/> zu machen, der ziemlich allgemein geworden<lb/> iſt. Wir überſetzen nehmlich itzt, faſt durch-<lb/> gängig, Humor durch Laune; und ich glaube<lb/> mir bewußt zu ſeyn, daß ich der erſte bin,<lb/> der es ſo überſetzt hat. Jch habe ſehr un-<lb/> recht daran gethan, und ich wünſchte, daß<lb/> man mir nicht gefolgt wäre. Denn ich<lb/> glaube es unwiderſprechlich beweiſen zu kön-<lb/> nen, daß Humor und Laune ganz verſchie-<lb/> dene, ja in gewiſſem Verſtande gerade ent-<lb/> gegen geſetzte Dinge ſind. Laune kann zu<lb/> Humor werden; aber Humor iſt, außer die-<lb/> ſem einzigen Falle, nie Laune. Jch hätte<lb/> die Abſtammung unſers deutſchen Worts<lb/> und den gewöhnlichen Gebrauch deſſelben,<lb/> beſſer unterſuchen und genauer erwägen ſol-<lb/> len. Jch ſchloß zu eilig, weil Laune das<lb/> Franzöſiſche <hi rendition="#aq">Humeur</hi> ausdrücke, daß es<lb/> auch das Engliſche <hi rendition="#aq">Humour</hi> ausdrücken<lb/> könnte: aber die Franzoſen ſelbſt können<lb/><hi rendition="#aq">Humour</hi> nicht durch <hi rendition="#aq">Humeur</hi> überſetzen. —<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Von</fw></note> </p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [326/0332]
„von für ſich beſtehenden Leidenſchaf-
„ten iſt, wovon man das Urbild in dem wirk-
„lichen Leben nirgends findet. Dennoch hat
„dieſe Komödie immer ihre Bewunderer gehabt;
„und beſonders muß Randolph von ihrer
„Einrichtung ſehr bezaubert geweſen ſeyn, weil
„er ſie in ſeinem Spiegel der Muſe aus-
„drücklich nachgeahmet zu haben ſcheint.
„Auch
(*)
(*) darum in Ordnung bringen zu können wünſch-
te, um gelegentlich einen Fehler wieder gut
zu machen, der ziemlich allgemein geworden
iſt. Wir überſetzen nehmlich itzt, faſt durch-
gängig, Humor durch Laune; und ich glaube
mir bewußt zu ſeyn, daß ich der erſte bin,
der es ſo überſetzt hat. Jch habe ſehr un-
recht daran gethan, und ich wünſchte, daß
man mir nicht gefolgt wäre. Denn ich
glaube es unwiderſprechlich beweiſen zu kön-
nen, daß Humor und Laune ganz verſchie-
dene, ja in gewiſſem Verſtande gerade ent-
gegen geſetzte Dinge ſind. Laune kann zu
Humor werden; aber Humor iſt, außer die-
ſem einzigen Falle, nie Laune. Jch hätte
die Abſtammung unſers deutſchen Worts
und den gewöhnlichen Gebrauch deſſelben,
beſſer unterſuchen und genauer erwägen ſol-
len. Jch ſchloß zu eilig, weil Laune das
Franzöſiſche Humeur ausdrücke, daß es
auch das Engliſche Humour ausdrücken
könnte: aber die Franzoſen ſelbſt können
Humour nicht durch Humeur überſetzen. —
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Zitationshilfe: | [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/332>, abgerufen am 16.06.2024. |