Namens, der in Provinzen Deutschlandes ge- nannt wird, wo er ohne sie wohl nie wäre gehöret worden. Aber welches widrige Schick- sal hat auch diesen Mann abgehalten, mit seinen Arbeiten für das Theater so lange fortzufahren, bis die Stücke aufgehört hätten, seinen Namen zu empfehlen, und sein Name dafür die Stücke empfohlen hätte?
Das meiste, was wir Deutsche noch in der schönen Litteratur haben, sind Versuche junger Leute. Ja das Vorurtheil ist bey uns fast all- gemein, daß es nur jungen Leuten zukomme, in diesem Felde zu arbeiten. Männer, sagt man, haben ernsthaftere Studia, oder wichtigere Ge- schäfte, zu welchen sie die Kirche oder der Staat auffodert. Verse und Komödien heissen Spiel- werke; allenfalls nicht unnützliche Vorübungen, mit welchen man sich höchstens bis in sein fünf und zwanzigstes Jahr beschäftigen darf. So- bald wir uns dem männlichen Alter nähern, sollen wir fein alle unsere Kräfte einem nützli- chen Amte widmen; und läßt uns dieses Amt einige Zeit, etwas zu schreiben, so soll man ja nichts anders schreiben, als was mit der Gra- vität und dem bürgerlichen Range desselben be- stehen kann; ein hübsches Compendium aus den höhern Facultäten, eine gute Chronike von der lieben Vaterstadt, eine erbauliche Predigt und dergleichen.
Daher
Namens, der in Provinzen Deutſchlandes ge- nannt wird, wo er ohne ſie wohl nie wäre gehöret worden. Aber welches widrige Schick- ſal hat auch dieſen Mann abgehalten, mit ſeinen Arbeiten für das Theater ſo lange fortzufahren, bis die Stücke aufgehört hätten, ſeinen Namen zu empfehlen, und ſein Name dafür die Stücke empfohlen hätte?
Das meiſte, was wir Deutſche noch in der ſchönen Litteratur haben, ſind Verſuche junger Leute. Ja das Vorurtheil iſt bey uns faſt all- gemein, daß es nur jungen Leuten zukomme, in dieſem Felde zu arbeiten. Männer, ſagt man, haben ernſthaftere Studia, oder wichtigere Ge- ſchäfte, zu welchen ſie die Kirche oder der Staat auffodert. Verſe und Komödien heiſſen Spiel- werke; allenfalls nicht unnützliche Vorübungen, mit welchen man ſich höchſtens bis in ſein fünf und zwanzigſtes Jahr beſchäftigen darf. So- bald wir uns dem männlichen Alter nähern, ſollen wir fein alle unſere Kräfte einem nützli- chen Amte widmen; und läßt uns dieſes Amt einige Zeit, etwas zu ſchreiben, ſo ſoll man ja nichts anders ſchreiben, als was mit der Gra- vität und dem bürgerlichen Range deſſelben be- ſtehen kann; ein hübſches Compendium aus den höhern Facultäten, eine gute Chronike von der lieben Vaterſtadt, eine erbauliche Predigt und dergleichen.
Daher
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0352"n="346"/>
Namens, der in Provinzen Deutſchlandes ge-<lb/>
nannt wird, wo er ohne ſie wohl nie wäre<lb/>
gehöret worden. Aber welches widrige Schick-<lb/>ſal hat auch dieſen Mann abgehalten, mit ſeinen<lb/>
Arbeiten für das Theater ſo lange fortzufahren,<lb/>
bis die Stücke aufgehört hätten, ſeinen Namen<lb/>
zu empfehlen, und ſein Name dafür die Stücke<lb/>
empfohlen hätte?</p><lb/><p>Das meiſte, was wir Deutſche noch in der<lb/>ſchönen Litteratur haben, ſind Verſuche junger<lb/>
Leute. Ja das Vorurtheil iſt bey uns faſt all-<lb/>
gemein, daß es nur jungen Leuten zukomme, in<lb/>
dieſem Felde zu arbeiten. Männer, ſagt man,<lb/>
haben ernſthaftere Studia, oder wichtigere Ge-<lb/>ſchäfte, zu welchen ſie die Kirche oder der Staat<lb/>
auffodert. Verſe und Komödien heiſſen Spiel-<lb/>
werke; allenfalls nicht unnützliche Vorübungen,<lb/>
mit welchen man ſich höchſtens bis in ſein fünf<lb/>
und zwanzigſtes Jahr beſchäftigen darf. So-<lb/>
bald wir uns dem männlichen Alter nähern,<lb/>ſollen wir fein alle unſere Kräfte einem nützli-<lb/>
chen Amte widmen; und läßt uns dieſes Amt<lb/>
einige Zeit, etwas zu ſchreiben, ſo ſoll man ja<lb/>
nichts anders ſchreiben, als was mit der Gra-<lb/>
vität und dem bürgerlichen Range deſſelben be-<lb/>ſtehen kann; ein hübſches Compendium aus<lb/>
den höhern Facultäten, eine gute Chronike von<lb/>
der lieben Vaterſtadt, eine erbauliche Predigt<lb/>
und dergleichen.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Daher</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[346/0352]
Namens, der in Provinzen Deutſchlandes ge-
nannt wird, wo er ohne ſie wohl nie wäre
gehöret worden. Aber welches widrige Schick-
ſal hat auch dieſen Mann abgehalten, mit ſeinen
Arbeiten für das Theater ſo lange fortzufahren,
bis die Stücke aufgehört hätten, ſeinen Namen
zu empfehlen, und ſein Name dafür die Stücke
empfohlen hätte?
Das meiſte, was wir Deutſche noch in der
ſchönen Litteratur haben, ſind Verſuche junger
Leute. Ja das Vorurtheil iſt bey uns faſt all-
gemein, daß es nur jungen Leuten zukomme, in
dieſem Felde zu arbeiten. Männer, ſagt man,
haben ernſthaftere Studia, oder wichtigere Ge-
ſchäfte, zu welchen ſie die Kirche oder der Staat
auffodert. Verſe und Komödien heiſſen Spiel-
werke; allenfalls nicht unnützliche Vorübungen,
mit welchen man ſich höchſtens bis in ſein fünf
und zwanzigſtes Jahr beſchäftigen darf. So-
bald wir uns dem männlichen Alter nähern,
ſollen wir fein alle unſere Kräfte einem nützli-
chen Amte widmen; und läßt uns dieſes Amt
einige Zeit, etwas zu ſchreiben, ſo ſoll man ja
nichts anders ſchreiben, als was mit der Gra-
vität und dem bürgerlichen Range deſſelben be-
ſtehen kann; ein hübſches Compendium aus
den höhern Facultäten, eine gute Chronike von
der lieben Vaterſtadt, eine erbauliche Predigt
und dergleichen.
Daher
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/352>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.