Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769].

Bild:
<< vorherige Seite
Hamburgische
Dramaturgie.


Neun und neunzigstes Stück.





Sonach hatte Terenz auch nicht nöthig, uns
seinen Ktesipho am Ende des Stücks be-
schämt, und durch die Beschämung auf
dem Wege der Besserung, zu zeigen. Wohl aber
mußte dieses unser Verfasser thun. Nur fürchte
ich, daß der Zuschauer die kriechende Reue,
und die furchtsame Unterwerfung eines so leicht-
sinnigen Buben nicht für sehr aufrichtig halten
kann. Eben so wenig, als die Gemüthsände-
rung seines Vaters. Beider Umkehrung ist so
wenig in ihrem Charakter gegründet, daß man
das Bedürfniß des Dichters, sein Stück schlies-
sen zu müssen, und die Verlegenheit, es auf
eine bessere Art zu schließen, ein wenig zu sehr
darinn empfindet. -- Jch weis überhaupt nicht,
woher so viele komische Dichter die Regel genom-
men haben, daß der Böse nothwendig am Ende
des Stücks entweder bestraft werden, oder sich

bessern
A a a
Hamburgiſche
Dramaturgie.


Neun und neunzigſtes Stück.





Sonach hatte Terenz auch nicht nöthig, uns
ſeinen Kteſipho am Ende des Stücks be-
ſchämt, und durch die Beſchämung auf
dem Wege der Beſſerung, zu zeigen. Wohl aber
mußte dieſes unſer Verfaſſer thun. Nur fürchte
ich, daß der Zuſchauer die kriechende Reue,
und die furchtſame Unterwerfung eines ſo leicht-
ſinnigen Buben nicht für ſehr aufrichtig halten
kann. Eben ſo wenig, als die Gemüthsände-
rung ſeines Vaters. Beider Umkehrung iſt ſo
wenig in ihrem Charakter gegründet, daß man
das Bedürfniß des Dichters, ſein Stück ſchlieſ-
ſen zu müſſen, und die Verlegenheit, es auf
eine beſſere Art zu ſchließen, ein wenig zu ſehr
darinn empfindet. — Jch weis überhaupt nicht,
woher ſo viele komiſche Dichter die Regel genom-
men haben, daß der Böſe nothwendig am Ende
des Stücks entweder beſtraft werden, oder ſich

beſſern
A a a
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0375" n="[369]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Hamburgi&#x017F;che<lb/><hi rendition="#g">Dramaturgie.</hi><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Neun und neunzig&#x017F;tes Stück.</hi> </head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#c">Den 12ten April, 1768.</hi> </dateline><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p><hi rendition="#in">S</hi>onach hatte Terenz auch nicht nöthig, uns<lb/>
&#x017F;einen Kte&#x017F;ipho am Ende des Stücks be-<lb/>
&#x017F;chämt, und durch die Be&#x017F;chämung auf<lb/>
dem Wege der Be&#x017F;&#x017F;erung, zu zeigen. Wohl aber<lb/>
mußte die&#x017F;es un&#x017F;er Verfa&#x017F;&#x017F;er thun. Nur fürchte<lb/>
ich, daß der Zu&#x017F;chauer die kriechende Reue,<lb/>
und die furcht&#x017F;ame Unterwerfung eines &#x017F;o leicht-<lb/>
&#x017F;innigen Buben nicht für &#x017F;ehr aufrichtig halten<lb/>
kann. Eben &#x017F;o wenig, als die Gemüthsände-<lb/>
rung &#x017F;eines Vaters. Beider Umkehrung i&#x017F;t &#x017F;o<lb/>
wenig in ihrem Charakter gegründet, daß man<lb/>
das Bedürfniß des Dichters, &#x017F;ein Stück &#x017F;chlie&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en zu mü&#x017F;&#x017F;en, und die Verlegenheit, es auf<lb/>
eine be&#x017F;&#x017F;ere Art zu &#x017F;chließen, ein wenig zu &#x017F;ehr<lb/>
darinn empfindet. &#x2014; Jch weis überhaupt nicht,<lb/>
woher &#x017F;o viele komi&#x017F;che Dichter die Regel genom-<lb/>
men haben, daß der Bö&#x017F;e nothwendig am Ende<lb/>
des Stücks entweder be&#x017F;traft werden, oder &#x017F;ich<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A a a</fw><fw place="bottom" type="catch">be&#x017F;&#x017F;ern</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[369]/0375] Hamburgiſche Dramaturgie. Neun und neunzigſtes Stück. Den 12ten April, 1768. Sonach hatte Terenz auch nicht nöthig, uns ſeinen Kteſipho am Ende des Stücks be- ſchämt, und durch die Beſchämung auf dem Wege der Beſſerung, zu zeigen. Wohl aber mußte dieſes unſer Verfaſſer thun. Nur fürchte ich, daß der Zuſchauer die kriechende Reue, und die furchtſame Unterwerfung eines ſo leicht- ſinnigen Buben nicht für ſehr aufrichtig halten kann. Eben ſo wenig, als die Gemüthsände- rung ſeines Vaters. Beider Umkehrung iſt ſo wenig in ihrem Charakter gegründet, daß man das Bedürfniß des Dichters, ſein Stück ſchlieſ- ſen zu müſſen, und die Verlegenheit, es auf eine beſſere Art zu ſchließen, ein wenig zu ſehr darinn empfindet. — Jch weis überhaupt nicht, woher ſo viele komiſche Dichter die Regel genom- men haben, daß der Böſe nothwendig am Ende des Stücks entweder beſtraft werden, oder ſich beſſern A a a

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/375
Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. [369]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/375>, abgerufen am 18.12.2024.