Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769].

Bild:
<< vorherige Seite
Harmonie mit dem andern! Und doch das Ganze
von einem so sauften lieblichen Umrisse! Das wahre
Modell der Natur, einen vollkommenen Mann zu
bilden! Das seltene Muster der Kunst, die aus
hundert Gegenständen zusammen suchen muß, was
sie hier bey einander findet!
Die Königinn. (bey Seite) Ich dacht es! --
Das ist nicht länger auszuhalten. -- (zu ihr) Wie
ist dir, Rutland? Du geräthst außer dir. Ein
Wort, ein Bild überjagt das andere. Was spielt
so den Meister über dich? Ist es blos deine Kö-
niginn, ist es Essex selbst, was diese wahre, oder
diese erzwungene Leidenschaft wirket? -- (bey Seite)
Sie schweigt; -- ganz gewiß, sie liebt ihn. -- Was
habe ich gethan? Welchen neuen Sturm habe ich
in meinem Busen erregt? u. s. w.

Hier erscheinen Burleigh und die Notting-
ham wieder, der Königinn zu sagen, daß Essex
ihren Befehl erwarte. Er soll vor sie kommen.
"Rutland, sagt die Königinn, "wir sprechen
"einander schon weiter; geh nur. -- Notting-
"ham, tritt du näher." Dieser Zug der Ei-
fersucht ist vortrefflich. Essex kömmt; und nun
erfolgt die Scene mit der Ohrfeige. Ich wüßte
nicht, wie sie verständiger und glücklicher vor-
bereitet seyn könnte. Essex anfangs, scheinet
sich völlig unterwerfen zu wollen; aber, da sie
ihm befiehlt, sich zu rechtfertigen, wird er nach

und
Harmonie mit dem andern! Und doch das Ganze
von einem ſo ſauften lieblichen Umriſſe! Das wahre
Modell der Natur, einen vollkommenen Mann zu
bilden! Das ſeltene Muſter der Kunſt, die aus
hundert Gegenſtänden zuſammen ſuchen muß, was
ſie hier bey einander findet!
Die Königinn. (bey Seite) Ich dacht es! —
Das iſt nicht länger auszuhalten. — (zu ihr) Wie
iſt dir, Rutland? Du geräthſt außer dir. Ein
Wort, ein Bild überjagt das andere. Was ſpielt
ſo den Meiſter über dich? Iſt es blos deine Kö-
niginn, iſt es Eſſex ſelbſt, was dieſe wahre, oder
dieſe erzwungene Leidenſchaft wirket? — (bey Seite)
Sie ſchweigt; — ganz gewiß, ſie liebt ihn. — Was
habe ich gethan? Welchen neuen Sturm habe ich
in meinem Buſen erregt? u. ſ. w.

Hier erſcheinen Burleigh und die Notting-
ham wieder, der Königinn zu ſagen, daß Eſſex
ihren Befehl erwarte. Er ſoll vor ſie kommen.
„Rutland, ſagt die Königinn, „wir ſprechen
„einander ſchon weiter; geh nur. — Notting-
„ham, tritt du näher.„ Dieſer Zug der Ei-
ferſucht iſt vortrefflich. Eſſex kömmt; und nun
erfolgt die Scene mit der Ohrfeige. Ich wüßte
nicht, wie ſie verſtändiger und glücklicher vor-
bereitet ſeyn könnte. Eſſex anfangs, ſcheinet
ſich völlig unterwerfen zu wollen; aber, da ſie
ihm befiehlt, ſich zu rechtfertigen, wird er nach

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp>
          <p><pb facs="#f0053" n="47"/>
Harmonie mit dem andern! Und doch das Ganze<lb/>
von einem &#x017F;o &#x017F;auften lieblichen Umri&#x017F;&#x017F;e! Das wahre<lb/>
Modell der Natur, einen vollkommenen Mann zu<lb/>
bilden! Das &#x017F;eltene Mu&#x017F;ter der Kun&#x017F;t, die aus<lb/>
hundert Gegen&#x017F;tänden zu&#x017F;ammen &#x017F;uchen muß, was<lb/>
&#x017F;ie hier bey einander findet!</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker><hi rendition="#g">Die Königinn</hi>.</speaker>
          <stage>(bey Seite)</stage>
          <p>Ich dacht es! &#x2014;<lb/>
Das i&#x017F;t nicht länger auszuhalten. &#x2014; <stage>(zu ihr)</stage> Wie<lb/>
i&#x017F;t dir, Rutland? Du geräth&#x017F;t außer dir. Ein<lb/>
Wort, ein Bild überjagt das andere. Was &#x017F;pielt<lb/>
&#x017F;o den Mei&#x017F;ter über dich? I&#x017F;t es blos deine Kö-<lb/>
niginn, i&#x017F;t es E&#x017F;&#x017F;ex &#x017F;elb&#x017F;t, was die&#x017F;e wahre, oder<lb/>
die&#x017F;e erzwungene Leiden&#x017F;chaft wirket? &#x2014; <stage>(bey Seite)</stage><lb/>
Sie &#x017F;chweigt; &#x2014; ganz gewiß, &#x017F;ie liebt ihn. &#x2014; Was<lb/>
habe ich gethan? Welchen neuen Sturm habe ich<lb/>
in meinem Bu&#x017F;en erregt? u. &#x017F;. w.</p>
        </sp><lb/>
        <p>Hier er&#x017F;cheinen Burleigh und die Notting-<lb/>
ham wieder, der Königinn zu &#x017F;agen, daß E&#x017F;&#x017F;ex<lb/>
ihren Befehl erwarte. Er &#x017F;oll vor &#x017F;ie kommen.<lb/>
&#x201E;Rutland, &#x017F;agt die Königinn, &#x201E;wir &#x017F;prechen<lb/>
&#x201E;einander &#x017F;chon weiter; geh nur. &#x2014; Notting-<lb/>
&#x201E;ham, tritt du näher.&#x201E; Die&#x017F;er Zug der Ei-<lb/>
fer&#x017F;ucht i&#x017F;t vortrefflich. E&#x017F;&#x017F;ex kömmt; und nun<lb/>
erfolgt die Scene mit der Ohrfeige. Ich wüßte<lb/>
nicht, wie &#x017F;ie ver&#x017F;tändiger und glücklicher vor-<lb/>
bereitet &#x017F;eyn könnte. E&#x017F;&#x017F;ex anfangs, &#x017F;cheinet<lb/>
&#x017F;ich völlig unterwerfen zu wollen; aber, da &#x017F;ie<lb/>
ihm befiehlt, &#x017F;ich zu rechtfertigen, wird er nach<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0053] Harmonie mit dem andern! Und doch das Ganze von einem ſo ſauften lieblichen Umriſſe! Das wahre Modell der Natur, einen vollkommenen Mann zu bilden! Das ſeltene Muſter der Kunſt, die aus hundert Gegenſtänden zuſammen ſuchen muß, was ſie hier bey einander findet! Die Königinn. (bey Seite) Ich dacht es! — Das iſt nicht länger auszuhalten. — (zu ihr) Wie iſt dir, Rutland? Du geräthſt außer dir. Ein Wort, ein Bild überjagt das andere. Was ſpielt ſo den Meiſter über dich? Iſt es blos deine Kö- niginn, iſt es Eſſex ſelbſt, was dieſe wahre, oder dieſe erzwungene Leidenſchaft wirket? — (bey Seite) Sie ſchweigt; — ganz gewiß, ſie liebt ihn. — Was habe ich gethan? Welchen neuen Sturm habe ich in meinem Buſen erregt? u. ſ. w. Hier erſcheinen Burleigh und die Notting- ham wieder, der Königinn zu ſagen, daß Eſſex ihren Befehl erwarte. Er ſoll vor ſie kommen. „Rutland, ſagt die Königinn, „wir ſprechen „einander ſchon weiter; geh nur. — Notting- „ham, tritt du näher.„ Dieſer Zug der Ei- ferſucht iſt vortrefflich. Eſſex kömmt; und nun erfolgt die Scene mit der Ohrfeige. Ich wüßte nicht, wie ſie verſtändiger und glücklicher vor- bereitet ſeyn könnte. Eſſex anfangs, ſcheinet ſich völlig unterwerfen zu wollen; aber, da ſie ihm befiehlt, ſich zu rechtfertigen, wird er nach und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/53
Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/53>, abgerufen am 18.12.2024.