Es kostet ihr alle Mühe, ihre Neigung zu ver- bergen. Sie thut verschiedne Fragen, ihn aus- zulocken und zu hören, ob sein Herz schon einge- nommen, und ob er es vermuthe, wem er das Leben in den Garten gerettet. Das letzte giebt er ihr durch seine Antworten gewissermaaßen zu verstehen, und zugleich, daß er für eben diese Person mehr empfinde, als er derselben zu ent- decken sich erkühnen dürfe. Die Königinn ist auf dem Punkte, sich ihm zu erkennen zu gebene doch siegt noch ihr Stolz über ihre Liebe. Eben so sehr hat der Graf mit seinem Stolze zu käm- pfen: er kann sich des Gedankens nicht entweh- ren, daß ihn die Königinn liebe, ob er schon die Vermessenheit dieses Gedankens erkennet. (Daß diese Scene größtentheils aus Reden bestehen müsse, die jedes seitab führet, ist leicht zu erach- ten.) Sie heißt ihn gehen, und heißt ihn wie- der so lange warten, bis der Kanzler ihm das Patent bringe. Er bringt es; sie überreicht es ihm; er bedankt sich, und das Seitab fängt mit neuem Feuer an.
Die Königinn. Thörichte Liebe! --
Esser. Eitler Wahnsinn! --
Die Königinn. Wie blind! --
Essex. Wie verwegen! --
Die Königinn. So tief willst du, daß ich mich herabsetze? --
Essex.
K 3
Es koſtet ihr alle Mühe, ihre Neigung zu ver- bergen. Sie thut verſchiedne Fragen, ihn aus- zulocken und zu hören, ob ſein Herz ſchon einge- nommen, und ob er es vermuthe, wem er das Leben in den Garten gerettet. Das letzte giebt er ihr durch ſeine Antworten gewiſſermaaßen zu verſtehen, und zugleich, daß er für eben dieſe Perſon mehr empfinde, als er derſelben zu ent- decken ſich erkühnen dürfe. Die Königinn iſt auf dem Punkte, ſich ihm zu erkennen zu gebene doch ſiegt noch ihr Stolz über ihre Liebe. Eben ſo ſehr hat der Graf mit ſeinem Stolze zu käm- pfen: er kann ſich des Gedankens nicht entweh- ren, daß ihn die Königinn liebe, ob er ſchon die Vermeſſenheit dieſes Gedankens erkennet. (Daß dieſe Scene größtentheils aus Reden beſtehen müſſe, die jedes ſeitab führet, iſt leicht zu erach- ten.) Sie heißt ihn gehen, und heißt ihn wie- der ſo lange warten, bis der Kanzler ihm das Patent bringe. Er bringt es; ſie überreicht es ihm; er bedankt ſich, und das Seitab fängt mit neuem Feuer an.
Die Königinn. Thörichte Liebe! —
Eſſer. Eitler Wahnſinn! —
Die Königinn. Wie blind! —
Eſſex. Wie verwegen! —
Die Königinn. So tief willſt du, daß ich mich herabſetze? —
Eſſex.
K 3
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Es koſtet ihr alle Mühe, ihre Neigung zu ver-
bergen. Sie thut verſchiedne Fragen, ihn aus-
zulocken und zu hören, ob ſein Herz ſchon einge-
nommen, und ob er es vermuthe, wem er das
Leben in den Garten gerettet. Das letzte giebt
er ihr durch ſeine Antworten gewiſſermaaßen zu
verſtehen, und zugleich, daß er für eben dieſe
Perſon mehr empfinde, als er derſelben zu ent-
decken ſich erkühnen dürfe. Die Königinn iſt
auf dem Punkte, ſich ihm zu erkennen zu gebene
doch ſiegt noch ihr Stolz über ihre Liebe. Eben
ſo ſehr hat der Graf mit ſeinem Stolze zu käm-
pfen: er kann ſich des Gedankens nicht entweh-
ren, daß ihn die Königinn liebe, ob er ſchon die
Vermeſſenheit dieſes Gedankens erkennet. (Daß
dieſe Scene größtentheils aus Reden beſtehen
müſſe, die jedes ſeitab führet, iſt leicht zu erach-
ten.) Sie heißt ihn gehen, und heißt ihn wie-
der ſo lange warten, bis der Kanzler ihm das
Patent bringe. Er bringt es; ſie überreicht es
ihm; er bedankt ſich, und das Seitab fängt mit
neuem Feuer an.
Die Königinn. Thörichte Liebe! —
Eſſer. Eitler Wahnſinn! —
Die Königinn. Wie blind! —
Eſſex. Wie verwegen! —
Die Königinn. So tief willſt du, daß ich
mich herabſetze? —
Eſſex.
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/83>, abgerufen am 21.11.2024.
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