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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769].

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"gen zu deiner Kenntniß gelangen: o so laß das
"Mitleid, welches sie verdienen, den Unwillen
"überwältigen, den du darüber empfindest, daß
"ich es bin, der sie führet." Der Königinn
gefällt das Lied; und Essex findet es bequem,
ihr durch dasselbe, auf eine versteckte Weise,
seine Liebe zu erklären. Er sagt, er habe es
glossiret, (*) und bittet um Erlaubniß, ihr seine

Glosse
(*) Die Spanier haben eine Art von Gedichten,
welche sie Glossas nennen. Sie nehmen eine
oder mehrere Zeilen gleichsam zum Texte, und
erklären oder umschreiben diesen Text so, daß
sie die Zeilen selbst in diese Erklärung oder Um-
schreibung wiederum einflechten. Den Text
heissen sie Mote oder Letra, und die Ausle-
gung insbesondere Glossa, welches denn aber
auch der Name des Gedichts überhaupt ist.
Hier läßt der Dichter den Essex das Lied der
Jrene zum Mote machen; das aus vier Zeilen
besteht, deren jede er in einer besondern
Stanze umschreibt, die sich mit der umschrie-
benen Zeile schließt. Das Ganze sieht so aus:
Mote.
Si acaso mis desvarios
Llegaren a tus umbrales,
La lastima de ser males
Quite el horror de ser mios.

Glossa.
Aunque el dolor me provoca
De mis quexas, y no puedo,

Que

„gen zu deiner Kenntniß gelangen: o ſo laß das
„Mitleid, welches ſie verdienen, den Unwillen
„überwältigen, den du darüber empfindeſt, daß
„ich es bin, der ſie führet.„ Der Königinn
gefällt das Lied; und Eſſex findet es bequem,
ihr durch daſſelbe, auf eine verſteckte Weiſe,
ſeine Liebe zu erklären. Er ſagt, er habe es
gloſſiret, (*) und bittet um Erlaubniß, ihr ſeine

Gloſſe
(*) Die Spanier haben eine Art von Gedichten,
welche ſie Gloſſas nennen. Sie nehmen eine
oder mehrere Zeilen gleichſam zum Texte, und
erklären oder umſchreiben dieſen Text ſo, daß
ſie die Zeilen ſelbſt in dieſe Erklärung oder Um-
ſchreibung wiederum einflechten. Den Text
heiſſen ſie Mote oder Letra, und die Ausle-
gung insbeſondere Gloſſa, welches denn aber
auch der Name des Gedichts überhaupt iſt.
Hier läßt der Dichter den Eſſex das Lied der
Jrene zum Mote machen; das aus vier Zeilen
beſteht, deren jede er in einer beſondern
Stanze umſchreibt, die ſich mit der umſchrie-
benen Zeile ſchließt. Das Ganze ſieht ſo aus:
Mote.
Si acaſo mis deſvarios
Llegaren a tus umbrales,
La laſtima de ſer males
Quite el horror de ſer mios.

Glossa.
Aunque el dolor me provoca
De mis quexas, y no puedo,

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[86/0092] „gen zu deiner Kenntniß gelangen: o ſo laß das „Mitleid, welches ſie verdienen, den Unwillen „überwältigen, den du darüber empfindeſt, daß „ich es bin, der ſie führet.„ Der Königinn gefällt das Lied; und Eſſex findet es bequem, ihr durch daſſelbe, auf eine verſteckte Weiſe, ſeine Liebe zu erklären. Er ſagt, er habe es gloſſiret, (*) und bittet um Erlaubniß, ihr ſeine Gloſſe (*) Die Spanier haben eine Art von Gedichten, welche ſie Gloſſas nennen. Sie nehmen eine oder mehrere Zeilen gleichſam zum Texte, und erklären oder umſchreiben dieſen Text ſo, daß ſie die Zeilen ſelbſt in dieſe Erklärung oder Um- ſchreibung wiederum einflechten. Den Text heiſſen ſie Mote oder Letra, und die Ausle- gung insbeſondere Gloſſa, welches denn aber auch der Name des Gedichts überhaupt iſt. Hier läßt der Dichter den Eſſex das Lied der Jrene zum Mote machen; das aus vier Zeilen beſteht, deren jede er in einer beſondern Stanze umſchreibt, die ſich mit der umſchrie- benen Zeile ſchließt. Das Ganze ſieht ſo aus: Mote. Si acaſo mis deſvarios Llegaren a tus umbrales, La laſtima de ſer males Quite el horror de ſer mios. Glossa. Aunque el dolor me provoca De mis quexas, y no puedo, Que

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Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/92>, abgerufen am 21.11.2024.