Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite
Emilia Galotti.


Odoardo. Sprach sie in der Messe? Der
Prinz meine Tochter?
Orsina. Mit einer Vertraulichkeit! mit einer
Jnnbrunst! -- Sie hatten nichts Kleines abzure-
den. Und recht gut, wenn es abgeredet worden;
recht gut, wenn Jhre Tochter freywillig sich hier-
her gerettet! Sehen Sie: so ist es doch keine ge-
waltsame Entführung; sondern blos ein kleiner --
kleiner Meuchelmord.
Odoardo. Verleumdung! verdammte Ver-
leumdung! Jch kenne meine Tochter. Jst es
Meuchelmord: so ist es auch Entführung. -- (blickt
wild um sich, und stampft und schäumet)
Nun, Claudia?
Nun, Mütterchen? -- Haben wir nicht Freude
erlebt! O des guädigen Prinzen! O der ganz be-
sondern Ehre!
Orsina. Wirkt es, Alter! wirkt es?
Odoardo. Da steh' ich nun vor der Höhle
des Räubers -- (indem er den Rock von beiden Seiten
aus einander schlägt, und sich ohne Gewehr sieht)
Wun-
der, daß ich aus Eilfertigkeit nicht auch die Hände
zurück gelassen! -- (an alle Schubsäcke fühlend, als
etwas suchend)
Nichts! gar nichts! nirgends!
Orsina.
Emilia Galotti.


Odoardo. Sprach ſie in der Meſſe? Der
Prinz meine Tochter?
Orſina. Mit einer Vertraulichkeit! mit einer
Jnnbrunſt! — Sie hatten nichts Kleines abzure-
den. Und recht gut, wenn es abgeredet worden;
recht gut, wenn Jhre Tochter freywillig ſich hier-
her gerettet! Sehen Sie: ſo iſt es doch keine ge-
waltſame Entfuͤhrung; ſondern blos ein kleiner —
kleiner Meuchelmord.
Odoardo. Verleumdung! verdammte Ver-
leumdung! Jch kenne meine Tochter. Jſt es
Meuchelmord: ſo iſt es auch Entfuͤhrung. — (blickt
wild um ſich, und ſtampft und ſchaͤumet)
Nun, Claudia?
Nun, Muͤtterchen? — Haben wir nicht Freude
erlebt! O des guaͤdigen Prinzen! O der ganz be-
ſondern Ehre!
Orſina. Wirkt es, Alter! wirkt es?
Odoardo. Da ſteh’ ich nun vor der Hoͤhle
des Raͤubers — (indem er den Rock von beiden Seiten
aus einander ſchlaͤgt, und ſich ohne Gewehr ſieht)
Wun-
der, daß ich aus Eilfertigkeit nicht auch die Haͤnde
zuruͤck gelaſſen! — (an alle Schubſaͤcke fuͤhlend, als
etwas ſuchend)
Nichts! gar nichts! nirgends!
Orſina.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0126" n="122"/>
          <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Emilia Galotti</hi>.</fw><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <sp who="#ODO">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Odoardo.</hi> </speaker>
            <p>Sprach &#x017F;ie in der Me&#x017F;&#x017F;e? Der<lb/>
Prinz meine Tochter?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#ORS">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Or&#x017F;ina.</hi> </speaker>
            <p>Mit einer Vertraulichkeit! mit einer<lb/>
Jnnbrun&#x017F;t! &#x2014; Sie hatten nichts Kleines abzure-<lb/>
den. Und recht gut, wenn es abgeredet worden;<lb/>
recht gut, wenn Jhre Tochter freywillig &#x017F;ich hier-<lb/>
her gerettet! Sehen Sie: &#x017F;o i&#x017F;t es doch keine ge-<lb/>
walt&#x017F;ame Entfu&#x0364;hrung; &#x017F;ondern blos ein kleiner &#x2014;<lb/>
kleiner Meuchelmord.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#ODO">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Odoardo.</hi> </speaker>
            <p>Verleumdung! verdammte Ver-<lb/>
leumdung! Jch kenne meine Tochter. J&#x017F;t es<lb/>
Meuchelmord: &#x017F;o i&#x017F;t es auch Entfu&#x0364;hrung. &#x2014; <stage>(blickt<lb/>
wild um &#x017F;ich, und &#x017F;tampft und &#x017F;cha&#x0364;umet)</stage> Nun, Claudia?<lb/>
Nun, Mu&#x0364;tterchen? &#x2014; Haben wir nicht Freude<lb/>
erlebt! O des gua&#x0364;digen Prinzen! O der ganz be-<lb/>
&#x017F;ondern Ehre!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#ORS">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Or&#x017F;ina.</hi> </speaker>
            <p>Wirkt es, Alter! wirkt es?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#ODO">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Odoardo.</hi> </speaker>
            <p>Da &#x017F;teh&#x2019; ich nun vor der Ho&#x0364;hle<lb/>
des Ra&#x0364;ubers &#x2014; <stage>(indem er den Rock von beiden Seiten<lb/>
aus einander &#x017F;chla&#x0364;gt, und &#x017F;ich ohne Gewehr &#x017F;ieht)</stage> Wun-<lb/>
der, daß ich aus Eilfertigkeit nicht auch die Ha&#x0364;nde<lb/>
zuru&#x0364;ck gela&#x017F;&#x017F;en! &#x2014; <stage>(an alle Schub&#x017F;a&#x0364;cke fu&#x0364;hlend, als<lb/>
etwas &#x017F;uchend)</stage> Nichts! gar nichts! nirgends!</p>
          </sp><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Or&#x017F;ina.</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0126] Emilia Galotti. Odoardo. Sprach ſie in der Meſſe? Der Prinz meine Tochter? Orſina. Mit einer Vertraulichkeit! mit einer Jnnbrunſt! — Sie hatten nichts Kleines abzure- den. Und recht gut, wenn es abgeredet worden; recht gut, wenn Jhre Tochter freywillig ſich hier- her gerettet! Sehen Sie: ſo iſt es doch keine ge- waltſame Entfuͤhrung; ſondern blos ein kleiner — kleiner Meuchelmord. Odoardo. Verleumdung! verdammte Ver- leumdung! Jch kenne meine Tochter. Jſt es Meuchelmord: ſo iſt es auch Entfuͤhrung. — (blickt wild um ſich, und ſtampft und ſchaͤumet) Nun, Claudia? Nun, Muͤtterchen? — Haben wir nicht Freude erlebt! O des guaͤdigen Prinzen! O der ganz be- ſondern Ehre! Orſina. Wirkt es, Alter! wirkt es? Odoardo. Da ſteh’ ich nun vor der Hoͤhle des Raͤubers — (indem er den Rock von beiden Seiten aus einander ſchlaͤgt, und ſich ohne Gewehr ſieht) Wun- der, daß ich aus Eilfertigkeit nicht auch die Haͤnde zuruͤck gelaſſen! — (an alle Schubſaͤcke fuͤhlend, als etwas ſuchend) Nichts! gar nichts! nirgends! Orſina.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_emilia_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_emilia_1772/126
Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Berlin, 1772, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_emilia_1772/126>, abgerufen am 09.11.2024.