Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Berlin, 1772.Emilia Galotti. Odoardo. Zu viel Gnade! -- Erlauben Sie, Prinz, daß ich meinem unglücklichen Kinde alle die mannichfaltigen Kräukungen erspare, die Freund und Feind, Mitleid und Schadenfreude in Guastalla für sie bereit halten. Der Prinz. Um die süßen Kränkungen des Freundes und des Mitleids, würde es Grausam- keit seyn, sie zu bringen. Daß aber die Kränkun- gen des Feindes und der Schadenfreude sie nicht erreichen sollen; dafür, lieber Galotti, lassen Sie mich sorgen. Odoardo. Prinz, die väterliche Liebe thei- let ihre Sorgen nicht gern. -- Jch denke, ich weiß es, was meiner Tochter in ihren itzigen Umständen einzig ziemet. -- Entfernung aus der Welt; -- ein Kloster, -- sobald als möglich. Der Prinz. Ein Kloster? Odoardo. Bis dahin weine sie unter den Augen ihres Vaters. Der Prinz. So viel Schönheit soll in einem Kloster verblühen? -- Darf eine einzige fehlge- schlagene Hoffnung uns gegen die Welt so unver- söhnlich machen? -- Doch allerdings: dem Va- ter
Emilia Galotti. Odoardo. Zu viel Gnade! — Erlauben Sie, Prinz, daß ich meinem ungluͤcklichen Kinde alle die mannichfaltigen Kraͤukungen erſpare, die Freund und Feind, Mitleid und Schadenfreude in Guaſtalla fuͤr ſie bereit halten. Der Prinz. Um die ſuͤßen Kraͤnkungen des Freundes und des Mitleids, wuͤrde es Grauſam- keit ſeyn, ſie zu bringen. Daß aber die Kraͤnkun- gen des Feindes und der Schadenfreude ſie nicht erreichen ſollen; dafuͤr, lieber Galotti, laſſen Sie mich ſorgen. Odoardo. Prinz, die vaͤterliche Liebe thei- let ihre Sorgen nicht gern. — Jch denke, ich weiß es, was meiner Tochter in ihren itzigen Umſtaͤnden einzig ziemet. — Entfernung aus der Welt; — ein Kloſter, — ſobald als moͤglich. Der Prinz. Ein Kloſter? Odoardo. Bis dahin weine ſie unter den Augen ihres Vaters. Der Prinz. So viel Schoͤnheit ſoll in einem Kloſter verbluͤhen? — Darf eine einzige fehlge- ſchlagene Hoffnung uns gegen die Welt ſo unver- ſoͤhnlich machen? — Doch allerdings: dem Va- ter
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Emilia Galotti.
Odoardo. Zu viel Gnade! — Erlauben
Sie, Prinz, daß ich meinem ungluͤcklichen Kinde
alle die mannichfaltigen Kraͤukungen erſpare, die
Freund und Feind, Mitleid und Schadenfreude
in Guaſtalla fuͤr ſie bereit halten.
Der Prinz. Um die ſuͤßen Kraͤnkungen des
Freundes und des Mitleids, wuͤrde es Grauſam-
keit ſeyn, ſie zu bringen. Daß aber die Kraͤnkun-
gen des Feindes und der Schadenfreude ſie nicht
erreichen ſollen; dafuͤr, lieber Galotti, laſſen Sie
mich ſorgen.
Odoardo. Prinz, die vaͤterliche Liebe thei-
let ihre Sorgen nicht gern. — Jch denke, ich
weiß es, was meiner Tochter in ihren itzigen
Umſtaͤnden einzig ziemet. — Entfernung aus der
Welt; — ein Kloſter, — ſobald als moͤglich.
Der Prinz. Ein Kloſter?
Odoardo. Bis dahin weine ſie unter den
Augen ihres Vaters.
Der Prinz. So viel Schoͤnheit ſoll in einem
Kloſter verbluͤhen? — Darf eine einzige fehlge-
ſchlagene Hoffnung uns gegen die Welt ſo unver-
ſoͤhnlich machen? — Doch allerdings: dem Va-
ter
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