Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759.In welchem Verhältnisse stehen sie gegen einan- In- M 4
In welchem Verhältniſſe ſtehen ſie gegen einan- In- M 4
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In welchem Verhältniſſe ſtehen ſie gegen einan-
der? — Aber man hört: der Wolf und das
Lamm; ſogleich weis jeder, was er höret, und
weis, wie ſich das eine zu dem andern verhält. Dieſe
Wörter, welche ſtracks ihre gewiſſen Bilder in uns
erwecken, befördern die anſchauende Erkenntniß, die
durch jene Namen, bey welchen auch die, denen ſie
nicht unbekannt ſind, gewiß nicht alle vollkommen
eben daſſelbe denken, verhindert wird. Wenn daher
der Fabuliſt keine vernünftigen Individua auftreiben
kann, die ſich durch ihre bloſſe Benennungen in un-
ſere Einbildungskraft ſchildern, ſo iſt es ihm erlaubt,
und er hat Fug und Recht, dergleichen unter den
Thieren oder unter noch geringern Geſchöpfen zu
ſuchen. Man ſetze, in der Fabel von dem Wolfe
und dem Lamme, anſtatt des Wolfes den Nero,
anſtatt des Lammes den Britannicus und die Fabel
hat auf einmal alles verloren, was ſie zu einer Fabel
für das ganze menſchliche Geſchlecht macht. Aber
man ſetze anſtatt des Lammes und des Wolfes, den
Rieſen und den Zwerg, und ſie verlieret ſchon we-
niger; denn auch der Rieſe und der Zwerg ſind
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