Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759.Individua, deren Charakter, ohne weitere Hinzu- dür- * 2 B. Samuelis XII.
Individua, deren Charakter, ohne weitere Hinzu- dür- * 2 B. Samuelis XII.
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Individua, deren Charakter, ohne weitere Hinzu-
thuung, ziemlich aus der Benennung erhellet. Oder
man verwandle ſie lieber gar in folgende menſchliche
Fabel: „Ein Prieſter kam zu dem armen Manne
„des Propheten * und ſagte: Bringe dein weiſſes
„Lamm vor den Altar, denn die Götter fordern ein
„Opfer. Der Arme erwiederte: mein Nachbar hat
„eine zahlreiche Heerde, und ich habe nur das ein-
„zige Lamm. Du haſt aber den Göttern ein Ge-
„lübde gethan, verſetzte dieſer, weil ſie deine Fel-
„der geſegnet. — Ich habe kein Feld; war die Ant-
„wort. — Nun ſo war es damals, als ſie deinen
„Sohn von ſeiner Krankheit geneſen lieſſe — O,
„ſagte der Arme, die Götter haben ihn ſelbſt zum
„Opfer hingenommen. Gottloſer! zürnte der Prie-
„ſter; du läſterſt! und riß das Lamm aus ſeinem
„Schooſſe ꝛc. — — Und wenn in dieſer Verwand-
lung die Fabel noch weniger verloren hat, ſo kömmt
es bloß daher, weil man mit dem Worte Prieſter
den Charakter der Habſüchtigkeit, leider, noch weit
geſchwinder verbindet, als den Charakter der Blut-
dür-
* 2 B. Samuelis XII.
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