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Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759.

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"Wahrscheinliche nach verschiedenen Graden herr-
"schet, werden sie deswegen nicht unsüglich wun-
"derbare,
und in Absicht auf die Personen entwe-
"der göttliche oder thierische Fabeln genennt --

Und die Fabel von den zwey Töpfen; die Fabel von
den Bäumen und dem Dornstrauche? Sollen die
auch thierische Fabeln heissen? Oder sollen sie, und
ihres gleichen, eigne Benennungen erhalten? Wie
sehr wird diese Namenrolle anwachsen, besonders
wenn man auch alle Arten der vermischten Gattung
benennen sollte! Aber ein Exempel zu geben, daß
man, nach dieser Breitingerschen Eintheilung, oft
zweifelhaft seyn kann, zu welcher Classe man diese
oder jene Fabel rechnen soll, so betrachte man die
schon angeführte Fabel, von dem Gärtner und seinem
Hunde, oder die noch bekanntere, von dem Ackers-
manne und der Schlange; aber nicht so wie sie
Phädrus erzehlet, sondern wie sie unter den grie-
chischen Fabeln vorkömmt. Beyde haben einen so
geringen Grad des Wunderbaren, daß man sie noth-
wendig zu den wahrscheinlichen, das ist mensch-
lichen
Fabeln, rechnen müßte. In beyden aber

kommen

„Wahrſcheinliche nach verſchiedenen Graden herr-
„ſchet, werden ſie deswegen nicht unſüglich wun-
„derbare,
und in Abſicht auf die Perſonen entwe-
„der göttliche oder thieriſche Fabeln genennt —

Und die Fabel von den zwey Töpfen; die Fabel von
den Bäumen und dem Dornſtrauche? Sollen die
auch thieriſche Fabeln heiſſen? Oder ſollen ſie, und
ihres gleichen, eigne Benennungen erhalten? Wie
ſehr wird dieſe Namenrolle anwachſen, beſonders
wenn man auch alle Arten der vermiſchten Gattung
benennen ſollte! Aber ein Exempel zu geben, daß
man, nach dieſer Breitingerſchen Eintheilung, oft
zweifelhaft ſeyn kann, zu welcher Claſſe man dieſe
oder jene Fabel rechnen ſoll, ſo betrachte man die
ſchon angeführte Fabel, von dem Gärtner und ſeinem
Hunde, oder die noch bekanntere, von dem Ackers-
manne und der Schlange; aber nicht ſo wie ſie
Phädrus erzehlet, ſondern wie ſie unter den grie-
chiſchen Fabeln vorkömmt. Beyde haben einen ſo
geringen Grad des Wunderbaren, daß man ſie noth-
wendig zu den wahrſcheinlichen, das iſt menſch-
lichen
Fabeln, rechnen müßte. In beyden aber

kommen
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[207/0227] „Wahrſcheinliche nach verſchiedenen Graden herr- „ſchet, werden ſie deswegen nicht unſüglich wun- „derbare, und in Abſicht auf die Perſonen entwe- „der göttliche oder thieriſche Fabeln genennt — Und die Fabel von den zwey Töpfen; die Fabel von den Bäumen und dem Dornſtrauche? Sollen die auch thieriſche Fabeln heiſſen? Oder ſollen ſie, und ihres gleichen, eigne Benennungen erhalten? Wie ſehr wird dieſe Namenrolle anwachſen, beſonders wenn man auch alle Arten der vermiſchten Gattung benennen ſollte! Aber ein Exempel zu geben, daß man, nach dieſer Breitingerſchen Eintheilung, oft zweifelhaft ſeyn kann, zu welcher Claſſe man dieſe oder jene Fabel rechnen ſoll, ſo betrachte man die ſchon angeführte Fabel, von dem Gärtner und ſeinem Hunde, oder die noch bekanntere, von dem Ackers- manne und der Schlange; aber nicht ſo wie ſie Phädrus erzehlet, ſondern wie ſie unter den grie- chiſchen Fabeln vorkömmt. Beyde haben einen ſo geringen Grad des Wunderbaren, daß man ſie noth- wendig zu den wahrſcheinlichen, das iſt menſch- lichen Fabeln, rechnen müßte. In beyden aber kommen

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Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/227>, abgerufen am 21.11.2024.