Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759.rissen, weil man sie gleichfalls für fremde Federn Oder man verändert einzelne Umstände in der Oder man nimmt auch den merkwürdigsten Um- (S. die
riſſen, weil man ſie gleichfalls für fremde Federn Oder man verändert einzelne Umſtände in der Oder man nimmt auch den merkwürdigſten Um- (S. die
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0259" n="239"/> riſſen, weil man ſie gleichfalls für fremde Federn<lb/> gehalten? So geht es dem Plagiarius. Man er-<lb/> tappt ihn hier, man ertappt ihn da; und endlich<lb/> glaubt man, daß er auch das, was wirklich ſein ei-<lb/> gen iſt, geſtohlen habe. (S. <hi rendition="#fr">die ſechſte Fabel mei-<lb/> nes zweyten Buchs.</hi>)</p><lb/> <p>Oder man verändert einzelne Umſtände in der<lb/> Fabel. Wie wenn das Stücke Fleiſch, welches der<lb/> Fuchs dem Raben aus dem Schnabel ſchmeichelte,<lb/> vergiftet geweſen wär? (S. <hi rendition="#fr">die funfzehnte</hi>) Wie<lb/> wenn der Mann die erfrorne Schlange nicht aus<lb/> Barmherzigkeit, ſondern aus Begierde ihre ſchöne<lb/> Haut zu haben, aufgehoben und in den Buſen geſteckt<lb/> hätte? Hätte ſich der Mann auch alsdenn noch über<lb/> den Undank der Schlange beklagen können? (S.<lb/><hi rendition="#fr">die dritte Fabel.</hi>)</p><lb/> <p>Oder man nimmt auch den merkwürdigſten Um-<lb/> ſtand aus der Fabel heraus, und bauet auf denſelben<lb/> eine ganz neue Fabel. Dem Wolfe iſt ein Bein in<lb/> dem Schlunde ſtecken geblieben. In der kurzen Zeit,<lb/> da er ſich daran würgte, hatten die Schafe alſo vor ihm<lb/> Friede. Aber durfte ſich der Wolf die gezwun-<lb/> gene Enthaltung als eine gute That anrechnen?<lb/> <fw place="bottom" type="catch">(S. <hi rendition="#fr">die</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [239/0259]
riſſen, weil man ſie gleichfalls für fremde Federn
gehalten? So geht es dem Plagiarius. Man er-
tappt ihn hier, man ertappt ihn da; und endlich
glaubt man, daß er auch das, was wirklich ſein ei-
gen iſt, geſtohlen habe. (S. die ſechſte Fabel mei-
nes zweyten Buchs.)
Oder man verändert einzelne Umſtände in der
Fabel. Wie wenn das Stücke Fleiſch, welches der
Fuchs dem Raben aus dem Schnabel ſchmeichelte,
vergiftet geweſen wär? (S. die funfzehnte) Wie
wenn der Mann die erfrorne Schlange nicht aus
Barmherzigkeit, ſondern aus Begierde ihre ſchöne
Haut zu haben, aufgehoben und in den Buſen geſteckt
hätte? Hätte ſich der Mann auch alsdenn noch über
den Undank der Schlange beklagen können? (S.
die dritte Fabel.)
Oder man nimmt auch den merkwürdigſten Um-
ſtand aus der Fabel heraus, und bauet auf denſelben
eine ganz neue Fabel. Dem Wolfe iſt ein Bein in
dem Schlunde ſtecken geblieben. In der kurzen Zeit,
da er ſich daran würgte, hatten die Schafe alſo vor ihm
Friede. Aber durfte ſich der Wolf die gezwun-
gene Enthaltung als eine gute That anrechnen?
(S. die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |