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Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759.

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Ach, schweig nur; erwiederte der Knabe. Wel-
cher Undankbare hätte sich nicht zu entschuldigen
gewußt.

Recht, mein Sohn; fiel der Vater, der dieser
Unterredung zugehört hatte, dem Knaben ins Wort.
Aber gleichwohl, wenn du einmal von einem ausser-
ordentlichen Undanke hören solltest, so untersuche
ja alle Umstände genau, bevor du einen Menschen
mit so einem abscheulichen Schandflecke brandmar-
ken lässest. Wahre Wohlthäter, haben selten Un-
dankbare verpflichtet; ja, ich will zur Ehre
der Menschheit hoffen, -- niemals. Aber die
Wohlthäter mit kleinen eigennützigen Absichten, die
sind es werth, mein Sohn, daß sie Undank anstatt
Erkenntlichkeit einwuchern.



IV. Der

Ach, ſchweig nur; erwiederte der Knabe. Wel-
cher Undankbare hätte ſich nicht zu entſchuldigen
gewußt.

Recht, mein Sohn; fiel der Vater, der dieſer
Unterredung zugehört hatte, dem Knaben ins Wort.
Aber gleichwohl, wenn du einmal von einem auſſer-
ordentlichen Undanke hören ſollteſt, ſo unterſuche
ja alle Umſtände genau, bevor du einen Menſchen
mit ſo einem abſcheulichen Schandflecke brandmar-
ken läſſeſt. Wahre Wohlthäter, haben ſelten Un-
dankbare verpflichtet; ja, ich will zur Ehre
der Menſchheit hoffen, — niemals. Aber die
Wohlthäter mit kleinen eigennützigen Abſichten, die
ſind es werth, mein Sohn, daß ſie Undank anſtatt
Erkenntlichkeit einwuchern.



IV. Der
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[40/0060] Ach, ſchweig nur; erwiederte der Knabe. Wel- cher Undankbare hätte ſich nicht zu entſchuldigen gewußt. Recht, mein Sohn; fiel der Vater, der dieſer Unterredung zugehört hatte, dem Knaben ins Wort. Aber gleichwohl, wenn du einmal von einem auſſer- ordentlichen Undanke hören ſollteſt, ſo unterſuche ja alle Umſtände genau, bevor du einen Menſchen mit ſo einem abſcheulichen Schandflecke brandmar- ken läſſeſt. Wahre Wohlthäter, haben ſelten Un- dankbare verpflichtet; ja, ich will zur Ehre der Menſchheit hoffen, — niemals. Aber die Wohlthäter mit kleinen eigennützigen Abſichten, die ſind es werth, mein Sohn, daß ſie Undank anſtatt Erkenntlichkeit einwuchern. IV. Der

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Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/60>, abgerufen am 26.11.2024.