Lessing, Gotthold Ephraim: Minna von Barnhelm, oder das Soldatenglück. Berlin, 1767.Minna von Barnhelm, Sechster Auftritt. Die Dame. von Tellheim. v. Tellheim. Reden Sie frey, gnädige Frau! Vor mir dürfen Sie Sich Jhres Unglücks nicht schämen. Kann ich Jhnen worinn dienen? Die Dame. Mein Herr Major -- v. Tellheim. Jch beklage Sie, gnädige Frau! Worinn kann ich Jhnen dienen? Sie wissen, Jhr Gemahl war mein Freund; mein Freund, sage ich; ich war immer karg mit diesem Titel. Die Dame. Wer weiß es besser, als ich, wie werth Sie seiner Freundschaft waren, wie werth er der Jhrigen war? Sie würden sein letzter Gedanke, Jhr Name der letzte Ton seiner sterbenden Lippen gewesen seyn, hätte nicht die stärkere Natur dieses traurige Vorrecht für sei- nen unglücklichen Sohn, für seine unglückliche Gattinn gefordert -- v. Tellheim. Hören Sie auf, Madame! Weinen wollte ich mit Jhnen gern; aber ich habe heute keine Thränen. Verschonen Sie mich! Sie finden mich in einer Stunde, wo ich
Minna von Barnhelm, Sechſter Auftritt. Die Dame. von Tellheim. v. Tellheim. Reden Sie frey, gnaͤdige Frau! Vor mir duͤrfen Sie Sich Jhres Ungluͤcks nicht ſchaͤmen. Kann ich Jhnen worinn dienen? Die Dame. Mein Herr Major — v. Tellheim. Jch beklage Sie, gnaͤdige Frau! Worinn kann ich Jhnen dienen? Sie wiſſen, Jhr Gemahl war mein Freund; mein Freund, ſage ich; ich war immer karg mit dieſem Titel. Die Dame. Wer weiß es beſſer, als ich, wie werth Sie ſeiner Freundſchaft waren, wie werth er der Jhrigen war? Sie wuͤrden ſein letzter Gedanke, Jhr Name der letzte Ton ſeiner ſterbenden Lippen geweſen ſeyn, haͤtte nicht die ſtaͤrkere Natur dieſes traurige Vorrecht fuͤr ſei- nen ungluͤcklichen Sohn, fuͤr ſeine ungluͤckliche Gattinn gefordert — v. Tellheim. Hoͤren Sie auf, Madame! Weinen wollte ich mit Jhnen gern; aber ich habe heute keine Thraͤnen. Verſchonen Sie mich! Sie finden mich in einer Stunde, wo ich
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0024" n="20"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Minna von Barnhelm,</hi> </fw><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Sechſter Auftritt.</hi> </head><lb/> <stage> <hi rendition="#fr">Die Dame. von Tellheim.</hi> </stage><lb/> <sp who="#TEL"> <speaker> <hi rendition="#fr">v. Tellheim.</hi> </speaker> <p>Reden Sie frey, gnaͤdige Frau!<lb/> Vor mir duͤrfen Sie Sich Jhres Ungluͤcks nicht<lb/> ſchaͤmen. Kann ich Jhnen worinn dienen?</p> </sp><lb/> <sp who="#DAM"> <speaker> <hi rendition="#fr">Die Dame.</hi> </speaker> <p>Mein Herr Major —</p> </sp><lb/> <sp who="#TEL"> <speaker> <hi rendition="#fr">v. Tellheim.</hi> </speaker> <p>Jch beklage Sie, gnaͤdige Frau!<lb/> Worinn kann ich Jhnen dienen? Sie wiſſen,<lb/> Jhr Gemahl war mein Freund; mein Freund,<lb/> ſage ich; ich war immer karg mit dieſem Titel.</p> </sp><lb/> <sp who="#DAM"> <speaker> <hi rendition="#fr">Die Dame.</hi> </speaker> <p>Wer weiß es beſſer, als ich,<lb/> wie werth Sie ſeiner Freundſchaft waren, wie<lb/> werth er der Jhrigen war? Sie wuͤrden ſein<lb/> letzter Gedanke, Jhr Name der letzte Ton ſeiner<lb/> ſterbenden Lippen geweſen ſeyn, haͤtte nicht die<lb/> ſtaͤrkere Natur dieſes traurige Vorrecht fuͤr ſei-<lb/> nen ungluͤcklichen Sohn, fuͤr ſeine ungluͤckliche<lb/> Gattinn gefordert —</p> </sp><lb/> <sp who="#TEL"> <speaker> <hi rendition="#fr">v. Tellheim.</hi> </speaker> <p>Hoͤren Sie auf, Madame!<lb/> Weinen wollte ich mit Jhnen gern; aber ich<lb/> habe heute keine Thraͤnen. Verſchonen Sie<lb/> mich! Sie finden mich in einer Stunde, wo<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ich</fw><lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [20/0024]
Minna von Barnhelm,
Sechſter Auftritt.
Die Dame. von Tellheim.
v. Tellheim. Reden Sie frey, gnaͤdige Frau!
Vor mir duͤrfen Sie Sich Jhres Ungluͤcks nicht
ſchaͤmen. Kann ich Jhnen worinn dienen?
Die Dame. Mein Herr Major —
v. Tellheim. Jch beklage Sie, gnaͤdige Frau!
Worinn kann ich Jhnen dienen? Sie wiſſen,
Jhr Gemahl war mein Freund; mein Freund,
ſage ich; ich war immer karg mit dieſem Titel.
Die Dame. Wer weiß es beſſer, als ich,
wie werth Sie ſeiner Freundſchaft waren, wie
werth er der Jhrigen war? Sie wuͤrden ſein
letzter Gedanke, Jhr Name der letzte Ton ſeiner
ſterbenden Lippen geweſen ſeyn, haͤtte nicht die
ſtaͤrkere Natur dieſes traurige Vorrecht fuͤr ſei-
nen ungluͤcklichen Sohn, fuͤr ſeine ungluͤckliche
Gattinn gefordert —
v. Tellheim. Hoͤren Sie auf, Madame!
Weinen wollte ich mit Jhnen gern; aber ich
habe heute keine Thraͤnen. Verſchonen Sie
mich! Sie finden mich in einer Stunde, wo
ich
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |