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Lessing, Gotthold Ephraim: Minna von Barnhelm, oder das Soldatenglück. Berlin, 1767.

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Minna von Barnhelm.


Werner. Mensch, ich glaube, du liesest eben
so wenig die Zeitungen, als die Bibel? -- Du
kennst den Prinz Heraklius nicht? den braven
Mann nicht, der Persien weggenommen, und
nächster Tage die ottomannische Pforte einsprengen
wird? Gott sey Dank, daß doch noch irgendwo
in der Welt Krieg ist! Jch habe lange genug ge-
hoft, es sollte hier wieder losgehen. Aber da sitzen
sie, und heilen sich die Haut. Nein, Soldat
war ich, Soldat muß ich wieder seyn! Kurz, --

(indem er sich schüchtern umsieht, ob ihn jemand behorcht)
im Vertrauen, Just; ich wandere nach Persien,
um unter Sr. Königlichen Hoheit, dem Prinzen
Heraklius, ein Paar Feldzüge wider den Türken
zu machen.
Just. Du?
Werner. Jch, wie du mich hier siehst! Unsere
Vorfahren zogen fleißig wider den Türken; und
das sollten wir noch thun, wenn wir ehrliche
Kerls, und gute Christen wären. Freylich begreiffe
ich wohl, daß ein Feldzug wider den Türken
nicht halb so lustig seyn kann, als einer wider den
Franzosen; aber dafür muß er auch desto verdienst-
licher
Minna von Barnhelm.


Werner. Menſch, ich glaube, du lieſeſt eben
ſo wenig die Zeitungen, als die Bibel? — Du
kennſt den Prinz Heraklius nicht? den braven
Mann nicht, der Perſien weggenommen, und
naͤchſter Tage die ottomanniſche Pforte einſprengen
wird? Gott ſey Dank, daß doch noch irgendwo
in der Welt Krieg iſt! Jch habe lange genug ge-
hoft, es ſollte hier wieder losgehen. Aber da ſitzen
ſie, und heilen ſich die Haut. Nein, Soldat
war ich, Soldat muß ich wieder ſeyn! Kurz, —

(indem er ſich ſchuͤchtern umſieht, ob ihn jemand behorcht)
im Vertrauen, Juſt; ich wandere nach Perſien,
um unter Sr. Koͤniglichen Hoheit, dem Prinzen
Heraklius, ein Paar Feldzuͤge wider den Tuͤrken
zu machen.
Juſt. Du?
Werner. Jch, wie du mich hier ſiehſt! Unſere
Vorfahren zogen fleißig wider den Tuͤrken; und
das ſollten wir noch thun, wenn wir ehrliche
Kerls, und gute Chriſten waͤren. Freylich begreiffe
ich wohl, daß ein Feldzug wider den Tuͤrken
nicht halb ſo luſtig ſeyn kann, als einer wider den
Franzoſen; aber dafuͤr muß er auch deſto verdienſt-
licher
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[34/0038] Minna von Barnhelm. Werner. Menſch, ich glaube, du lieſeſt eben ſo wenig die Zeitungen, als die Bibel? — Du kennſt den Prinz Heraklius nicht? den braven Mann nicht, der Perſien weggenommen, und naͤchſter Tage die ottomanniſche Pforte einſprengen wird? Gott ſey Dank, daß doch noch irgendwo in der Welt Krieg iſt! Jch habe lange genug ge- hoft, es ſollte hier wieder losgehen. Aber da ſitzen ſie, und heilen ſich die Haut. Nein, Soldat war ich, Soldat muß ich wieder ſeyn! Kurz, — (indem er ſich ſchuͤchtern umſieht, ob ihn jemand behorcht) im Vertrauen, Juſt; ich wandere nach Perſien, um unter Sr. Koͤniglichen Hoheit, dem Prinzen Heraklius, ein Paar Feldzuͤge wider den Tuͤrken zu machen. Juſt. Du? Werner. Jch, wie du mich hier ſiehſt! Unſere Vorfahren zogen fleißig wider den Tuͤrken; und das ſollten wir noch thun, wenn wir ehrliche Kerls, und gute Chriſten waͤren. Freylich begreiffe ich wohl, daß ein Feldzug wider den Tuͤrken nicht halb ſo luſtig ſeyn kann, als einer wider den Franzoſen; aber dafuͤr muß er auch deſto verdienſt- licher

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Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Minna von Barnhelm, oder das Soldatenglück. Berlin, 1767, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_minna_1767/38>, abgerufen am 21.11.2024.