Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lessing, Gotthold Ephraim: Minna von Barnhelm, oder das Soldatenglück. Berlin, 1767.

Bild:
<< vorherige Seite
Minna von Barnhelm,


Das Fräulein. Ja?
v. Tellheim. Ja, ja! -- Allein --
Das Fräulein. Geduld! -- Sie lieben mich
noch: genug für mich. -- Jn was für einen
Ton bin ich mit Jhnen gefallen! Ein widriger,
melancholischer, ansteckender Ton. -- Jch nehme
den meinigen wieder an. -- Nun, mein lieber
Unglücklicher, Sie lieben mich noch, und haben
Jhre Minna noch, und sind unglücklich? Hören
Sie doch, was Jhre Minna für ein eingebildetes,
albernes Ding war, -- ist. Sie ließ, sie läßt
sich träumen, Jhr ganzes Glück sey sie. --
Geschwind kramen Sie Jhr Unglück aus. Sie
mag versuchen, wie viel sie dessen aufwiegt. --
Nun?
v. Tellheim. Mein Fräulein, ich bin nicht
gewohnt zu klagen.
Das Fräulein. Sehr wohl. Jch wüßte auch
nicht, was mir an einem Soldaten, nach dem
Prahlen, weniger gefiele, als das Klagen. Aber
es giebt eine gewisse kalte, nachläßige Art, von
seiner Tapferkeit und von seinem Unglücke zu
sprechen --

v. Tell-
Minna von Barnhelm,


Das Fraͤulein. Ja?
v. Tellheim. Ja, ja! — Allein —
Das Fraͤulein. Geduld! — Sie lieben mich
noch: genug fuͤr mich. — Jn was fuͤr einen
Ton bin ich mit Jhnen gefallen! Ein widriger,
melancholiſcher, anſteckender Ton. — Jch nehme
den meinigen wieder an. — Nun, mein lieber
Ungluͤcklicher, Sie lieben mich noch, und haben
Jhre Minna noch, und ſind ungluͤcklich? Hoͤren
Sie doch, was Jhre Minna fuͤr ein eingebildetes,
albernes Ding war, — iſt. Sie ließ, ſie laͤßt
ſich traͤumen, Jhr ganzes Gluͤck ſey ſie. —
Geſchwind kramen Sie Jhr Ungluͤck aus. Sie
mag verſuchen, wie viel ſie deſſen aufwiegt. —
Nun?
v. Tellheim. Mein Fraͤulein, ich bin nicht
gewohnt zu klagen.
Das Fraͤulein. Sehr wohl. Jch wuͤßte auch
nicht, was mir an einem Soldaten, nach dem
Prahlen, weniger gefiele, als das Klagen. Aber
es giebt eine gewiſſe kalte, nachlaͤßige Art, von
ſeiner Tapferkeit und von ſeinem Ungluͤcke zu
ſprechen —

v. Tell-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#TEL">
            <pb facs="#f0074" n="70"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Minna von Barnhelm,</hi> </fw><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MIN">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Das Fra&#x0364;ulein.</hi> </speaker>
            <p>Ja?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#TEL">
            <speaker> <hi rendition="#fr">v. Tellheim.</hi> </speaker>
            <p>Ja, ja! &#x2014; Allein &#x2014;</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MIN">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Das Fra&#x0364;ulein.</hi> </speaker>
            <p>Geduld! &#x2014; Sie lieben mich<lb/>
noch: genug fu&#x0364;r mich. &#x2014; Jn was fu&#x0364;r einen<lb/>
Ton bin ich mit Jhnen gefallen! Ein widriger,<lb/>
melancholi&#x017F;cher, an&#x017F;teckender Ton. &#x2014; Jch nehme<lb/>
den meinigen wieder an. &#x2014; Nun, mein lieber<lb/>
Unglu&#x0364;cklicher, Sie lieben mich noch, und haben<lb/>
Jhre Minna noch, und &#x017F;ind unglu&#x0364;cklich? Ho&#x0364;ren<lb/>
Sie doch, was Jhre Minna fu&#x0364;r ein eingebildetes,<lb/>
albernes Ding war, &#x2014; i&#x017F;t. Sie ließ, &#x017F;ie la&#x0364;ßt<lb/>
&#x017F;ich tra&#x0364;umen, Jhr ganzes Glu&#x0364;ck &#x017F;ey &#x017F;ie. &#x2014;<lb/>
Ge&#x017F;chwind kramen Sie Jhr Unglu&#x0364;ck aus. Sie<lb/>
mag ver&#x017F;uchen, wie viel &#x017F;ie de&#x017F;&#x017F;en aufwiegt. &#x2014;<lb/>
Nun?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#TEL">
            <speaker> <hi rendition="#fr">v. Tellheim.</hi> </speaker>
            <p>Mein Fra&#x0364;ulein, ich bin nicht<lb/>
gewohnt zu klagen.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MIN">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Das Fra&#x0364;ulein.</hi> </speaker>
            <p>Sehr wohl. Jch wu&#x0364;ßte auch<lb/>
nicht, was mir an einem Soldaten, nach dem<lb/>
Prahlen, weniger gefiele, als das Klagen. Aber<lb/>
es giebt eine gewi&#x017F;&#x017F;e kalte, nachla&#x0364;ßige Art, von<lb/>
&#x017F;einer Tapferkeit und von &#x017F;einem Unglu&#x0364;cke zu<lb/>
&#x017F;prechen &#x2014;</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">v. Tell-</hi> </fw><lb/>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[70/0074] Minna von Barnhelm, Das Fraͤulein. Ja? v. Tellheim. Ja, ja! — Allein — Das Fraͤulein. Geduld! — Sie lieben mich noch: genug fuͤr mich. — Jn was fuͤr einen Ton bin ich mit Jhnen gefallen! Ein widriger, melancholiſcher, anſteckender Ton. — Jch nehme den meinigen wieder an. — Nun, mein lieber Ungluͤcklicher, Sie lieben mich noch, und haben Jhre Minna noch, und ſind ungluͤcklich? Hoͤren Sie doch, was Jhre Minna fuͤr ein eingebildetes, albernes Ding war, — iſt. Sie ließ, ſie laͤßt ſich traͤumen, Jhr ganzes Gluͤck ſey ſie. — Geſchwind kramen Sie Jhr Ungluͤck aus. Sie mag verſuchen, wie viel ſie deſſen aufwiegt. — Nun? v. Tellheim. Mein Fraͤulein, ich bin nicht gewohnt zu klagen. Das Fraͤulein. Sehr wohl. Jch wuͤßte auch nicht, was mir an einem Soldaten, nach dem Prahlen, weniger gefiele, als das Klagen. Aber es giebt eine gewiſſe kalte, nachlaͤßige Art, von ſeiner Tapferkeit und von ſeinem Ungluͤcke zu ſprechen — v. Tell-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_minna_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_minna_1767/74
Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Minna von Barnhelm, oder das Soldatenglück. Berlin, 1767, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_minna_1767/74>, abgerufen am 24.11.2024.