[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.an den König von England. Ew. Königliche Majestät sehen ohne Zweifel zum voraus,da ich die vornehmsten Minister Heinrichs des Löwen, nem- lich seinen obersten Feldmarschal, und seinen grösten Cabinets- rath nenne, daß meine Rede von dem Grafen von der Lip- pe, Bernharden, und dem Erzbischof zu Bremen, Hartwichen, sey. Dieser Hartwich Utleden, das heist, aus dem alten Dorfe Lyd gebürtig, stamte aus einer uradlichen Fa- milie her, die davon den Namen führet, und noch im Herzog- thum Bremen im Ansehen ist. Sein Glück aber hatte er Heinrich dem Löwen zu danken. An dessen Hof war er erzogen, und kam stufenweise, wegen der an seinem Herrn er- wiesenen Treue und seiner grossen Staatsklugheit, so hoch ans Bret, daß man ihm nachgehends so ein Amt in der Republik an- traute, das mit Ertheilung der Rathschläge, mit gerichtlichen Aussprüchen, und mit Ausfertigung der Befehle des Regenten zu thun hat. Wir tituliren jetzo den einen Kanzler, welchen die Ur- kunden selbiger Zeit des Fürsten Notarius nennen. Auf Beförderung dieses seines Herrn ward er in das Collegium der Bremischen Domkirche aufgenommen, und erhielt nach dem Absterben Sifrids, eines Sohns des Albertus Ursus, wegen seiner Verdienste und bekanten Frömmigkeit, den Bischofshut. Ob er nun gleich in diesem Amte mit seinem Herrn einerley Schicksal hatte, und wegen seiner ihm in Widerwärtigkeiten ge- leisteten treuen Dienste ein Jahr in England, die übrige Zeit am Braunschweigischen Hofe, als ein des Landes Verwiesener, sich aufhalten muste, wenn anders das Leben bey seinem alten Herrn eine Landesverweisung genennet werden kan; so hat er doch das Wohl der Liefländer sich angelegen seyn lassen, und ganz allein mit seltenem Glück die drey ersten Bischöfe, von deren Geschich- ten dieses Buch handelt, erwählet, sie selbst eingeweihet, und nach Liefland geschickt. Der Graf von der Lippe aber, Bern- hard, stiftete bey den Seinigen ein seltenes, und bey der ganzen Nachwelt merkwürdiges Denkmal. Denn dieser Herr, welcher geraume Zeit des Henricus Leo Generalißimus gewesen, zog sich seines Herrn Unglück dergestalt zu Gemüthe, daß er allen Leuten aus den Augen ging, Lager und Residenz, Gemahlin und Kinder fahren ließ, und nackt und bloß sich in die Einsam- keit, als in den Hafen seiner Wohlfahrt retirirte; daß er seinen Feldherrnrock ab- und eine Mönchskutte anlegte; daß er unter den Cisterciensermönchen lag, und alsdenn erst anfing, Wissen- schaften zu erlernen, und zum Predigtamte sich zuzubereiten. Als nun dieser muntre Alte sich hierzu tüchtig merkte, zog er mit an- dern frommen Männern nach Liefland, wo er als Abt des Klo- sters f
an den Koͤnig von England. Ew. Koͤnigliche Majeſtaͤt ſehen ohne Zweifel zum voraus,da ich die vornehmſten Miniſter Heinrichs des Loͤwen, nem- lich ſeinen oberſten Feldmarſchal, und ſeinen groͤſten Cabinets- rath nenne, daß meine Rede von dem Grafen von der Lip- pe, Bernharden, und dem Erzbiſchof zu Bremen, Hartwichen, ſey. Dieſer Hartwich Utleden, das heiſt, aus dem alten Dorfe Lyd gebuͤrtig, ſtamte aus einer uradlichen Fa- milie her, die davon den Namen fuͤhret, und noch im Herzog- thum Bremen im Anſehen iſt. Sein Gluͤck aber hatte er Heinrich dem Loͤwen zu danken. An deſſen Hof war er erzogen, und kam ſtufenweiſe, wegen der an ſeinem Herrn er- wieſenen Treue und ſeiner groſſen Staatsklugheit, ſo hoch ans Bret, daß man ihm nachgehends ſo ein Amt in der Republik an- traute, das mit Ertheilung der Rathſchlaͤge, mit gerichtlichen Ausſpruͤchen, und mit Ausfertigung der Befehle des Regenten zu thun hat. Wir tituliren jetzo den einen Kanzler, welchen die Ur- kunden ſelbiger Zeit des Fuͤrſten Notarius nennen. Auf Befoͤrderung dieſes ſeines Herrn ward er in das Collegium der Bremiſchen Domkirche aufgenommen, und erhielt nach dem Abſterben Sifrids, eines Sohns des Albertus Urſus, wegen ſeiner Verdienſte und bekanten Froͤmmigkeit, den Biſchofshut. Ob er nun gleich in dieſem Amte mit ſeinem Herrn einerley Schickſal hatte, und wegen ſeiner ihm in Widerwaͤrtigkeiten ge- leiſteten treuen Dienſte ein Jahr in England, die uͤbrige Zeit am Braunſchweigiſchen Hofe, als ein des Landes Verwieſener, ſich aufhalten muſte, wenn anders das Leben bey ſeinem alten Herrn eine Landesverweiſung genennet werden kan; ſo hat er doch das Wohl der Lieflaͤnder ſich angelegen ſeyn laſſen, und ganz allein mit ſeltenem Gluͤck die drey erſten Biſchoͤfe, von deren Geſchich- ten dieſes Buch handelt, erwaͤhlet, ſie ſelbſt eingeweihet, und nach Liefland geſchickt. Der Graf von der Lippe aber, Bern- hard, ſtiftete bey den Seinigen ein ſeltenes, und bey der ganzen Nachwelt merkwuͤrdiges Denkmal. Denn dieſer Herr, welcher geraume Zeit des Henricus Leo Generalißimus geweſen, zog ſich ſeines Herrn Ungluͤck dergeſtalt zu Gemuͤthe, daß er allen Leuten aus den Augen ging, Lager und Reſidenz, Gemahlin und Kinder fahren ließ, und nackt und bloß ſich in die Einſam- keit, als in den Hafen ſeiner Wohlfahrt retirirte; daß er ſeinen Feldherrnrock ab- und eine Moͤnchskutte anlegte; daß er unter den Ciſtercienſermoͤnchen lag, und alsdenn erſt anfing, Wiſſen- ſchaften zu erlernen, und zum Predigtamte ſich zuzubereiten. Als nun dieſer muntre Alte ſich hierzu tuͤchtig merkte, zog er mit an- dern frommen Maͤnnern nach Liefland, wo er als Abt des Klo- ſters f
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Ew. Koͤnigliche Majeſtaͤt ſehen ohne Zweifel zum voraus,
da ich die vornehmſten Miniſter Heinrichs des Loͤwen, nem-
lich ſeinen oberſten Feldmarſchal, und ſeinen groͤſten Cabinets-
rath nenne, daß meine Rede von dem Grafen von der Lip-
pe, Bernharden, und dem Erzbiſchof zu Bremen,
Hartwichen, ſey. Dieſer Hartwich Utleden, das heiſt, aus
dem alten Dorfe Lyd gebuͤrtig, ſtamte aus einer uradlichen Fa-
milie her, die davon den Namen fuͤhret, und noch im Herzog-
thum Bremen im Anſehen iſt. Sein Gluͤck aber hatte er
Heinrich dem Loͤwen zu danken. An deſſen Hof war er
erzogen, und kam ſtufenweiſe, wegen der an ſeinem Herrn er-
wieſenen Treue und ſeiner groſſen Staatsklugheit, ſo hoch ans
Bret, daß man ihm nachgehends ſo ein Amt in der Republik an-
traute, das mit Ertheilung der Rathſchlaͤge, mit gerichtlichen
Ausſpruͤchen, und mit Ausfertigung der Befehle des Regenten zu
thun hat. Wir tituliren jetzo den einen Kanzler, welchen die Ur-
kunden ſelbiger Zeit des Fuͤrſten Notarius nennen. Auf
Befoͤrderung dieſes ſeines Herrn ward er in das Collegium der
Bremiſchen Domkirche aufgenommen, und erhielt nach dem
Abſterben Sifrids, eines Sohns des Albertus Urſus, wegen
ſeiner Verdienſte und bekanten Froͤmmigkeit, den Biſchofshut.
Ob er nun gleich in dieſem Amte mit ſeinem Herrn einerley
Schickſal hatte, und wegen ſeiner ihm in Widerwaͤrtigkeiten ge-
leiſteten treuen Dienſte ein Jahr in England, die uͤbrige Zeit am
Braunſchweigiſchen Hofe, als ein des Landes Verwieſener, ſich
aufhalten muſte, wenn anders das Leben bey ſeinem alten Herrn
eine Landesverweiſung genennet werden kan; ſo hat er doch das
Wohl der Lieflaͤnder ſich angelegen ſeyn laſſen, und ganz allein
mit ſeltenem Gluͤck die drey erſten Biſchoͤfe, von deren Geſchich-
ten dieſes Buch handelt, erwaͤhlet, ſie ſelbſt eingeweihet, und
nach Liefland geſchickt. Der Graf von der Lippe aber, Bern-
hard, ſtiftete bey den Seinigen ein ſeltenes, und bey der ganzen
Nachwelt merkwuͤrdiges Denkmal. Denn dieſer Herr, welcher
geraume Zeit des Henricus Leo Generalißimus geweſen, zog
ſich ſeines Herrn Ungluͤck dergeſtalt zu Gemuͤthe, daß er allen
Leuten aus den Augen ging, Lager und Reſidenz, Gemahlin
und Kinder fahren ließ, und nackt und bloß ſich in die Einſam-
keit, als in den Hafen ſeiner Wohlfahrt retirirte; daß er ſeinen
Feldherrnrock ab- und eine Moͤnchskutte anlegte; daß er unter
den Ciſtercienſermoͤnchen lag, und alsdenn erſt anfing, Wiſſen-
ſchaften zu erlernen, und zum Predigtamte ſich zuzubereiten. Als
nun dieſer muntre Alte ſich hierzu tuͤchtig merkte, zog er mit an-
dern frommen Maͤnnern nach Liefland, wo er als Abt des Klo-
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