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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.

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von 1204 bis 1205.
verübten, und also erfochten die Christen, mit Hülfe der heidnischen Semgallen,1204
über die Litthauer und Esthen einen völligen Sieg. Hierauf kehrten die
Deutschen mit den Semgallen nach der Niederlage der Litthauer und Esthen
zurück, diese beyden Völker zu plündern, und erhielten eine unbeschreibliche Beute,
sowol an Pferden als Vieh, an Kleidung und Gewehr, und kehrten alle durch
GOttes Gnade wohlbehalten, frisch und gesund wieder zu den Jhrigen, und lobe-
ten GOTT.

d) Hier fehlet der Rede was, wenn man an stat quem*) nicht eumque lieset.
§. 5.

Ein damals in Litthauen gefangener Priester, mit Namen Johannes, er-
zählte, daß auf einem Dorfe funfzig Weiber, um des Todes ihrer Männer wil-
len, sich erhenket hätten e). Sie stunden nemlich in der Einbildung, sie würden
bald in jenem andern Leben bey ihnen seyn f).

e) Diese machten es den Cimbrischen Weibern nach, welche, als ihre Männer von dem
Marius im Raudischen Felde niedergehauen waren, vorher ihre Kinder erwürg-
ten und zerschmetterten, und hernach entweder eine die andere todt stach, oder aus ih-
ren Haren Stricke flochten, und sich damit an die Bäume oder Querhölzer ihrer Wa-
gen henkten. Wenn Florus hist. rom. l. 3 c. 3 das erzählet, so nennet er diese To-
desart sehr ansehnlich, (speciosam mortem,) einen Tod zur Parade. Valerius Maxi-
mus
l. 5 c.
1 füget hinzu, der Deutschen Weiber hätten den Ueberwinder Marius
gebeten, er möchte sie den Vestalischen Jungfrauen zum Geschenke senden, mit der
Versicherung, sie wolten eben so wie jene, sich nimmer wieder verheirathen, und als sie
das nicht erlangen können, hätten sie sich die Nacht drauf mit dem Strange getödtet.
f) Mit diesem Exempel wird bestätiget, was Kojalow Hist. Lituan. tom. 1 l. 5 p. 140
von den Litthauern schreibet: Von jenem Leben, sagt er, welches die Menschen nach
dem Tode haben solten, und von der Wiederkunft der Seelen in ihre Leiber, wenn ein
ihnen unbekanter GOtt das ganze menschliche Geschlechte aus den Gräbern auf einen sehr
hohen Berg zum Gerichte berufen würde, glaubten doch die alten Litthauer etwas, ob-
gleich nach heidnischer und abergläubischer Art; weil sie in GOttes Wort völlig unerfah-
ren waren. Das ist doch richtiger, als was Kadlubko hist. Polon. l. 4 c. 19 p. 512
edit. Dobromil.
den Geten, das ist, den Samogeten beymist, wo er sagt: Alle
Geten, (die er vorher Preussen genennet,) haben diese Thorheit gemein, als ob die
vom Leibe getrenten Seelen wieder in Leiber gestecket würden, die noch solten geboren
werden: wie auch, daß einige durch Annehmung viehischer Körper zum Vieh würden.
Und vielleicht machts diese besondere Meynung von ihrem bevorstehenden Schicksal, daß
sie von der Unwissenheit der wilden Thiere nicht weit entfernet sind. Hingegen der
Duisburger schreibet part. 3 c. 5: Die alten Preussen hätten die Auferstehung des
Fleisches geglaubet; dis kan aber sein Ausleger nicht verdauen. Doch wenn man be-
denkt, daß dieses ein an die Redensart der Schrift gewöhnter Geistlicher geschrieben, die
heilige Schrift aber die Frage von der Auferstehung von der Unsterblichkeit nicht trenne,
ja, daß die Auferstehung so viel sey, als das ewige Leben, wie Grotius ep. 130 f. 49
bemerket: so hat Peter von Duisburg eben das gesagt, was die Litthauischen Wei-
ber geglaubet, nemlich, ein ander Leben nach dem Tode. Die übrigen Meynungen der
Nordlichen Völker hierüber hat Hartknoch gesamlet und gelehrt untersucht in der
Abhandlung von den Leichenbegängnissen der alten Preussen, im letzten §, welche Ab-
handlung unter den Preußischen Dissertationen die dreyzehnte ist.
§. 6.

Als inzwischen sich viele Leute in Deutschland mit dem heiligen Kreuz hat-
ten bezeichnen lassen: so ging der Herr Bischof endlich zu Schiffe, und nahm seinen
Bruder Rothmar g) aus dem Kloster Sigeberge mit sich; weil ihm auf Vol-
macht des allerfrömsten apostolischen Vaters Jnnocentius frey stund, aus jedem
Kloster einen von den Brüdern, welchen er wolte, zum Gehülfen seiner Arbeit
mitzunehmen h). Sie kamen also nach Riga unter Anführung dessen, der dem
Wind und Meer gebieten kan. Daselbst ward der Herr Bischof, nach welchem

die
*) Auch hier sind die Manuscripte hartnäckig, und muß daher durch das Mönchslatein entschuldiget
werden.
L

von 1204 bis 1205.
veruͤbten, und alſo erfochten die Chriſten, mit Huͤlfe der heidniſchen Semgallen,1204
uͤber die Litthauer und Eſthen einen voͤlligen Sieg. Hierauf kehrten die
Deutſchen mit den Semgallen nach der Niederlage der Litthauer und Eſthen
zuruͤck, dieſe beyden Voͤlker zu pluͤndern, und erhielten eine unbeſchreibliche Beute,
ſowol an Pferden als Vieh, an Kleidung und Gewehr, und kehrten alle durch
GOttes Gnade wohlbehalten, friſch und geſund wieder zu den Jhrigen, und lobe-
ten GOTT.

d) Hier fehlet der Rede was, wenn man an ſtat quem*) nicht eumque lieſet.
§. 5.

Ein damals in Litthauen gefangener Prieſter, mit Namen Johannes, er-
zaͤhlte, daß auf einem Dorfe funfzig Weiber, um des Todes ihrer Maͤnner wil-
len, ſich erhenket haͤtten e). Sie ſtunden nemlich in der Einbildung, ſie wuͤrden
bald in jenem andern Leben bey ihnen ſeyn f).

e) Dieſe machten es den Cimbriſchen Weibern nach, welche, als ihre Maͤnner von dem
Marius im Raudiſchen Felde niedergehauen waren, vorher ihre Kinder erwuͤrg-
ten und zerſchmetterten, und hernach entweder eine die andere todt ſtach, oder aus ih-
ren Haren Stricke flochten, und ſich damit an die Baͤume oder Querhoͤlzer ihrer Wa-
gen henkten. Wenn Florus hiſt. rom. l. 3 c. 3 das erzaͤhlet, ſo nennet er dieſe To-
desart ſehr anſehnlich, (ſpecioſam mortem,) einen Tod zur Parade. Valerius Maxi-
mus
l. 5 c.
1 fuͤget hinzu, der Deutſchen Weiber haͤtten den Ueberwinder Marius
gebeten, er moͤchte ſie den Veſtaliſchen Jungfrauen zum Geſchenke ſenden, mit der
Verſicherung, ſie wolten eben ſo wie jene, ſich nimmer wieder verheirathen, und als ſie
das nicht erlangen koͤnnen, haͤtten ſie ſich die Nacht drauf mit dem Strange getoͤdtet.
f) Mit dieſem Exempel wird beſtaͤtiget, was Kojalow Hiſt. Lituan. tom. 1 l. 5 p. 140
von den Litthauern ſchreibet: Von jenem Leben, ſagt er, welches die Menſchen nach
dem Tode haben ſolten, und von der Wiederkunft der Seelen in ihre Leiber, wenn ein
ihnen unbekanter GOtt das ganze menſchliche Geſchlechte aus den Graͤbern auf einen ſehr
hohen Berg zum Gerichte berufen wuͤrde, glaubten doch die alten Litthauer etwas, ob-
gleich nach heidniſcher und aberglaͤubiſcher Art; weil ſie in GOttes Wort voͤllig unerfah-
ren waren. Das iſt doch richtiger, als was Kadlubko hiſt. Polon. l. 4 c. 19 p. 512
edit. Dobromil.
den Geten, das iſt, den Samogeten beymiſt, wo er ſagt: Alle
Geten, (die er vorher Preuſſen genennet,) haben dieſe Thorheit gemein, als ob die
vom Leibe getrenten Seelen wieder in Leiber geſtecket wuͤrden, die noch ſolten geboren
werden: wie auch, daß einige durch Annehmung viehiſcher Koͤrper zum Vieh wuͤrden.
Und vielleicht machts dieſe beſondere Meynung von ihrem bevorſtehenden Schickſal, daß
ſie von der Unwiſſenheit der wilden Thiere nicht weit entfernet ſind. Hingegen der
Duisburger ſchreibet part. 3 c. 5: Die alten Preuſſen haͤtten die Auferſtehung des
Fleiſches geglaubet; dis kan aber ſein Ausleger nicht verdauen. Doch wenn man be-
denkt, daß dieſes ein an die Redensart der Schrift gewoͤhnter Geiſtlicher geſchrieben, die
heilige Schrift aber die Frage von der Auferſtehung von der Unſterblichkeit nicht trenne,
ja, daß die Auferſtehung ſo viel ſey, als das ewige Leben, wie Grotius ep. 130 f. 49
bemerket: ſo hat Peter von Duisburg eben das geſagt, was die Litthauiſchen Wei-
ber geglaubet, nemlich, ein ander Leben nach dem Tode. Die uͤbrigen Meynungen der
Nordlichen Voͤlker hieruͤber hat Hartknoch geſamlet und gelehrt unterſucht in der
Abhandlung von den Leichenbegaͤngniſſen der alten Preuſſen, im letzten §, welche Ab-
handlung unter den Preußiſchen Diſſertationen die dreyzehnte iſt.
§. 6.

Als inzwiſchen ſich viele Leute in Deutſchland mit dem heiligen Kreuz hat-
ten bezeichnen laſſen: ſo ging der Herr Biſchof endlich zu Schiffe, und nahm ſeinen
Bruder Rothmar g) aus dem Kloſter Sigeberge mit ſich; weil ihm auf Vol-
macht des allerfroͤmſten apoſtoliſchen Vaters Jnnocentius frey ſtund, aus jedem
Kloſter einen von den Bruͤdern, welchen er wolte, zum Gehuͤlfen ſeiner Arbeit
mitzunehmen h). Sie kamen alſo nach Riga unter Anfuͤhrung deſſen, der dem
Wind und Meer gebieten kan. Daſelbſt ward der Herr Biſchof, nach welchem

die
*) Auch hier ſind die Manuſcripte hartnaͤckig, und muß daher durch das Moͤnchslatein entſchuldiget
werden.
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[41/0073] von 1204 bis 1205. veruͤbten, und alſo erfochten die Chriſten, mit Huͤlfe der heidniſchen Semgallen, uͤber die Litthauer und Eſthen einen voͤlligen Sieg. Hierauf kehrten die Deutſchen mit den Semgallen nach der Niederlage der Litthauer und Eſthen zuruͤck, dieſe beyden Voͤlker zu pluͤndern, und erhielten eine unbeſchreibliche Beute, ſowol an Pferden als Vieh, an Kleidung und Gewehr, und kehrten alle durch GOttes Gnade wohlbehalten, friſch und geſund wieder zu den Jhrigen, und lobe- ten GOTT. 1204 d⁾ Hier fehlet der Rede was, wenn man an ſtat quem *) nicht eumque lieſet. §. 5. Ein damals in Litthauen gefangener Prieſter, mit Namen Johannes, er- zaͤhlte, daß auf einem Dorfe funfzig Weiber, um des Todes ihrer Maͤnner wil- len, ſich erhenket haͤtten e⁾ . Sie ſtunden nemlich in der Einbildung, ſie wuͤrden bald in jenem andern Leben bey ihnen ſeyn f⁾ . e⁾ Dieſe machten es den Cimbriſchen Weibern nach, welche, als ihre Maͤnner von dem Marius im Raudiſchen Felde niedergehauen waren, vorher ihre Kinder erwuͤrg- ten und zerſchmetterten, und hernach entweder eine die andere todt ſtach, oder aus ih- ren Haren Stricke flochten, und ſich damit an die Baͤume oder Querhoͤlzer ihrer Wa- gen henkten. Wenn Florus hiſt. rom. l. 3 c. 3 das erzaͤhlet, ſo nennet er dieſe To- desart ſehr anſehnlich, (ſpecioſam mortem,) einen Tod zur Parade. Valerius Maxi- mus l. 5 c. 1 fuͤget hinzu, der Deutſchen Weiber haͤtten den Ueberwinder Marius gebeten, er moͤchte ſie den Veſtaliſchen Jungfrauen zum Geſchenke ſenden, mit der Verſicherung, ſie wolten eben ſo wie jene, ſich nimmer wieder verheirathen, und als ſie das nicht erlangen koͤnnen, haͤtten ſie ſich die Nacht drauf mit dem Strange getoͤdtet. f⁾ Mit dieſem Exempel wird beſtaͤtiget, was Kojalow Hiſt. Lituan. tom. 1 l. 5 p. 140 von den Litthauern ſchreibet: Von jenem Leben, ſagt er, welches die Menſchen nach dem Tode haben ſolten, und von der Wiederkunft der Seelen in ihre Leiber, wenn ein ihnen unbekanter GOtt das ganze menſchliche Geſchlechte aus den Graͤbern auf einen ſehr hohen Berg zum Gerichte berufen wuͤrde, glaubten doch die alten Litthauer etwas, ob- gleich nach heidniſcher und aberglaͤubiſcher Art; weil ſie in GOttes Wort voͤllig unerfah- ren waren. Das iſt doch richtiger, als was Kadlubko hiſt. Polon. l. 4 c. 19 p. 512 edit. Dobromil. den Geten, das iſt, den Samogeten beymiſt, wo er ſagt: Alle Geten, (die er vorher Preuſſen genennet,) haben dieſe Thorheit gemein, als ob die vom Leibe getrenten Seelen wieder in Leiber geſtecket wuͤrden, die noch ſolten geboren werden: wie auch, daß einige durch Annehmung viehiſcher Koͤrper zum Vieh wuͤrden. Und vielleicht machts dieſe beſondere Meynung von ihrem bevorſtehenden Schickſal, daß ſie von der Unwiſſenheit der wilden Thiere nicht weit entfernet ſind. Hingegen der Duisburger ſchreibet part. 3 c. 5: Die alten Preuſſen haͤtten die Auferſtehung des Fleiſches geglaubet; dis kan aber ſein Ausleger nicht verdauen. Doch wenn man be- denkt, daß dieſes ein an die Redensart der Schrift gewoͤhnter Geiſtlicher geſchrieben, die heilige Schrift aber die Frage von der Auferſtehung von der Unſterblichkeit nicht trenne, ja, daß die Auferſtehung ſo viel ſey, als das ewige Leben, wie Grotius ep. 130 f. 49 bemerket: ſo hat Peter von Duisburg eben das geſagt, was die Litthauiſchen Wei- ber geglaubet, nemlich, ein ander Leben nach dem Tode. Die uͤbrigen Meynungen der Nordlichen Voͤlker hieruͤber hat Hartknoch geſamlet und gelehrt unterſucht in der Abhandlung von den Leichenbegaͤngniſſen der alten Preuſſen, im letzten §, welche Ab- handlung unter den Preußiſchen Diſſertationen die dreyzehnte iſt. §. 6. Als inzwiſchen ſich viele Leute in Deutſchland mit dem heiligen Kreuz hat- ten bezeichnen laſſen: ſo ging der Herr Biſchof endlich zu Schiffe, und nahm ſeinen Bruder Rothmar g⁾ aus dem Kloſter Sigeberge mit ſich; weil ihm auf Vol- macht des allerfroͤmſten apoſtoliſchen Vaters Jnnocentius frey ſtund, aus jedem Kloſter einen von den Bruͤdern, welchen er wolte, zum Gehuͤlfen ſeiner Arbeit mitzunehmen h⁾ . Sie kamen alſo nach Riga unter Anfuͤhrung deſſen, der dem Wind und Meer gebieten kan. Daſelbſt ward der Herr Biſchof, nach welchem die *) Auch hier ſind die Manuſcripte hartnaͤckig, und muß daher durch das Moͤnchslatein entſchuldiget werden. L

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/73>, abgerufen am 25.11.2024.