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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.

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n)
von 1204 bis 1205.
De Pelerins, dit-on, une Troupe grossiere
En public a Paris, y monta la premiere,
Et sottement zelee en sa simplicite
Ioüa les Saiets, la Vierge & Dieu par piere.
Le savoir a la fin dissipant l' Ignorance
Fit voir de ce projet la devote Imprudence
On chasse ces Docteurs prechans sans mission,
On vit renaitre Hector, Andromaque, Ilion.
Ob diese Meistersänger, (welche der Landgraf von Thüringen, Hermann, zu diesen
Zeiten am Hofe zu Eisenach oder Wartenburg hielt, der von ihren deutschen Ge-
dichten, in welchen sie ebenfals die göttlichen Geheimnisse besungen, ein sonderlicher Lieb-
haber war, und so nur schlechthin das Spiel zu Wartburg genennet wurde, von de-
nen die Historie von den Landgrafen ums Jahr 1207 nach des Eckarts Ausgabe mel-
det,) Comödianten gewesen, oder wenigstens ihre Lieder auf öffentlichem Schauplatz
hergesaget, und also ebenfals biblische Comödien gespielet, leidet die Zeit nicht zu unter-
suchen. Daß es diesen Leuten, die nach Liefland gewandert, an Einfällen und Mun-
terkeit nicht gefehlet habe, zeigen alle Umstände, man mag nun annehmen, daß sie diese
Schauspiele selbst erfunden, oder nur aufgeführet, und die Composition davon aus
Deutschland mit sich gebracht*).
Des Bischof Alberts, achtes Jahr,
vom Jahr Christi 1205 bis 1206.
§. 1.

Mit Anfang des achten Jahrs wolte der Herr Bischof sich um eben die1205
Freundschaft und Vertraulichkeit des Königs Woldemars von
Plosceke bewerben, die er seinem Vorfahren, dem Bischof Mein-
harden,
erwiesen, und schickte ihm sein Handpferd samt der Rüstung
durch den Abt Dietrich zu, der aber von Litthauischen Schnaphänen unter-
wegens geplündert ward. Er vor seine Person, und seine Leute mit, verloren
alles, was sie bey sich hatten; doch langten sie bey dem Könige, dem Leibe nach,
frisch und gesund an. Da sie aber in die Stadt traten, fanden sie etliche Liven
vor sich, so von den Landesältesten der Liven heimlich geschickt waren. Diese Kerl
brachten wider den Bischof und die Seinen mit einem schmeichelnden und tückischen
Vortrag alles vor, was sie ihrer Arglistigkeit nach erdichten konten, um den Kö-
nig nur zur Verjagung der Deutschen aus Liefland zu vermögen. Denn sie
gaben vor, der Bischof und seine Consorten wären ihnen**) ein alzuhartes und
unerträgliches Glaubensjoch. Der König trauete ihren Worten alzuleichte, und
stelte Befehl an alle seine Untersassen, je eher je lieber sich zum Aufbruch bereit zu
halten, daß sie auf dem schnellen Dünastrom zu Schiffe und auf Flossen, wo-
rauf sie das unterwegens nöthige bringen könten, nach Riga abfahren solten, wel-
ches auf diese Art bequemer und geschwinder geschehen könte, (als zu Lande). Die
Gesandten der Deutschen, so um das Eingeben der Liven und des Königs Vor-
haben nichts wusten, wurden deswegen vor den König vorgefordert, wo man sie

in
*) Man blieb nicht allein bey der Vorstellung solcher andächtigen Dinge auf dem Theater, sondern sie
wurden auch noch gar in Romanen getragen, damit die Abwesenden dieser seltsamen Erfindung
nicht verlustig gingen. Besiehe la Bibliotheque de Romans par Mons. Langlet du Fresnoy 1734.
Man schrieb sogar von dem Kyrie Eleison eine Rittergeschichte. Christus und Apollo, Cupi-
do
und der Heilige Geist, die Jungfrau Maria und Venus, hatten darinnen eine stete Zusam-
menkunft. Ja in diesen Zeiten der Unwissenheit machte man den Ritter Kyrie Eleison von
Montauban, den Deuteronium (das fünfte Buch Mosis,) und den Paralipomenon (die Bücher
der Chronike,) zu grossen und vornehmen Heiligen.
**) Für ei lese ich eis.
M
n)
von 1204 bis 1205.
De Pelerins, dit-on, une Troupe groſſière
En public à Paris, y monta la première,
Et ſottement zelée en ſa ſimplicité
Ioüa les Saiets, la Vierge & Dieu par pieré.
Le ſavoir à la fin diſſipant l’ Ignorance
Fit voir de ce projet la dévote Imprudence
On chaſſe ces Docteurs prêchans ſans miſſion,
On vit renaitre Hector, Andromaque, Ilion.
Ob dieſe Meiſterſaͤnger, (welche der Landgraf von Thuͤringen, Hermann, zu dieſen
Zeiten am Hofe zu Eiſenach oder Wartenburg hielt, der von ihren deutſchen Ge-
dichten, in welchen ſie ebenfals die goͤttlichen Geheimniſſe beſungen, ein ſonderlicher Lieb-
haber war, und ſo nur ſchlechthin das Spiel zu Wartburg genennet wurde, von de-
nen die Hiſtorie von den Landgrafen ums Jahr 1207 nach des Eckarts Ausgabe mel-
det,) Comoͤdianten geweſen, oder wenigſtens ihre Lieder auf oͤffentlichem Schauplatz
hergeſaget, und alſo ebenfals bibliſche Comoͤdien geſpielet, leidet die Zeit nicht zu unter-
ſuchen. Daß es dieſen Leuten, die nach Liefland gewandert, an Einfaͤllen und Mun-
terkeit nicht gefehlet habe, zeigen alle Umſtaͤnde, man mag nun annehmen, daß ſie dieſe
Schauſpiele ſelbſt erfunden, oder nur aufgefuͤhret, und die Compoſition davon aus
Deutſchland mit ſich gebracht*).
Des Biſchof Alberts, achtes Jahr,
vom Jahr Chriſti 1205 bis 1206.
§. 1.

Mit Anfang des achten Jahrs wolte der Herr Biſchof ſich um eben die1205
Freundſchaft und Vertraulichkeit des Koͤnigs Woldemars von
Ploſceke bewerben, die er ſeinem Vorfahren, dem Biſchof Mein-
harden,
erwieſen, und ſchickte ihm ſein Handpferd ſamt der Ruͤſtung
durch den Abt Dietrich zu, der aber von Litthauiſchen Schnaphaͤnen unter-
wegens gepluͤndert ward. Er vor ſeine Perſon, und ſeine Leute mit, verloren
alles, was ſie bey ſich hatten; doch langten ſie bey dem Koͤnige, dem Leibe nach,
friſch und geſund an. Da ſie aber in die Stadt traten, fanden ſie etliche Liven
vor ſich, ſo von den Landesaͤlteſten der Liven heimlich geſchickt waren. Dieſe Kerl
brachten wider den Biſchof und die Seinen mit einem ſchmeichelnden und tuͤckiſchen
Vortrag alles vor, was ſie ihrer Argliſtigkeit nach erdichten konten, um den Koͤ-
nig nur zur Verjagung der Deutſchen aus Liefland zu vermoͤgen. Denn ſie
gaben vor, der Biſchof und ſeine Conſorten waͤren ihnen**) ein alzuhartes und
unertraͤgliches Glaubensjoch. Der Koͤnig trauete ihren Worten alzuleichte, und
ſtelte Befehl an alle ſeine Unterſaſſen, je eher je lieber ſich zum Aufbruch bereit zu
halten, daß ſie auf dem ſchnellen Duͤnaſtrom zu Schiffe und auf Floſſen, wo-
rauf ſie das unterwegens noͤthige bringen koͤnten, nach Riga abfahren ſolten, wel-
ches auf dieſe Art bequemer und geſchwinder geſchehen koͤnte, (als zu Lande). Die
Geſandten der Deutſchen, ſo um das Eingeben der Liven und des Koͤnigs Vor-
haben nichts wuſten, wurden deswegen vor den Koͤnig vorgefordert, wo man ſie

in
*) Man blieb nicht allein bey der Vorſtellung ſolcher andaͤchtigen Dinge auf dem Theater, ſondern ſie
wurden auch noch gar in Romanen getragen, damit die Abweſenden dieſer ſeltſamen Erfindung
nicht verluſtig gingen. Beſiehe la Bibliotheque de Romans par Monſ. Langlet du Fresnoy 1734.
Man ſchrieb ſogar von dem Kyrie Eleiſon eine Rittergeſchichte. Chriſtus und Apollo, Cupi-
do
und der Heilige Geiſt, die Jungfrau Maria und Venus, hatten darinnen eine ſtete Zuſam-
menkunft. Ja in dieſen Zeiten der Unwiſſenheit machte man den Ritter Kyrie Eleiſon von
Montauban, den Deuteronium (das fuͤnfte Buch Moſis,) und den Paralipomenon (die Buͤcher
der Chronike,) zu groſſen und vornehmen Heiligen.
**) Fuͤr ei leſe ich eis.
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[45/0077] von 1204 bis 1205. n⁾ De Pelerins, dit-on, une Troupe groſſière En public à Paris, y monta la première, Et ſottement zelée en ſa ſimplicité Ioüa les Saiets, la Vierge & Dieu par pieré. Le ſavoir à la fin diſſipant l’ Ignorance Fit voir de ce projet la dévote Imprudence On chaſſe ces Docteurs prêchans ſans miſſion, On vit renaitre Hector, Andromaque, Ilion. Ob dieſe Meiſterſaͤnger, (welche der Landgraf von Thuͤringen, Hermann, zu dieſen Zeiten am Hofe zu Eiſenach oder Wartenburg hielt, der von ihren deutſchen Ge- dichten, in welchen ſie ebenfals die goͤttlichen Geheimniſſe beſungen, ein ſonderlicher Lieb- haber war, und ſo nur ſchlechthin das Spiel zu Wartburg genennet wurde, von de- nen die Hiſtorie von den Landgrafen ums Jahr 1207 nach des Eckarts Ausgabe mel- det,) Comoͤdianten geweſen, oder wenigſtens ihre Lieder auf oͤffentlichem Schauplatz hergeſaget, und alſo ebenfals bibliſche Comoͤdien geſpielet, leidet die Zeit nicht zu unter- ſuchen. Daß es dieſen Leuten, die nach Liefland gewandert, an Einfaͤllen und Mun- terkeit nicht gefehlet habe, zeigen alle Umſtaͤnde, man mag nun annehmen, daß ſie dieſe Schauſpiele ſelbſt erfunden, oder nur aufgefuͤhret, und die Compoſition davon aus Deutſchland mit ſich gebracht *). Des Biſchof Alberts, achtes Jahr, vom Jahr Chriſti 1205 bis 1206. §. 1. Mit Anfang des achten Jahrs wolte der Herr Biſchof ſich um eben die Freundſchaft und Vertraulichkeit des Koͤnigs Woldemars von Ploſceke bewerben, die er ſeinem Vorfahren, dem Biſchof Mein- harden, erwieſen, und ſchickte ihm ſein Handpferd ſamt der Ruͤſtung durch den Abt Dietrich zu, der aber von Litthauiſchen Schnaphaͤnen unter- wegens gepluͤndert ward. Er vor ſeine Perſon, und ſeine Leute mit, verloren alles, was ſie bey ſich hatten; doch langten ſie bey dem Koͤnige, dem Leibe nach, friſch und geſund an. Da ſie aber in die Stadt traten, fanden ſie etliche Liven vor ſich, ſo von den Landesaͤlteſten der Liven heimlich geſchickt waren. Dieſe Kerl brachten wider den Biſchof und die Seinen mit einem ſchmeichelnden und tuͤckiſchen Vortrag alles vor, was ſie ihrer Argliſtigkeit nach erdichten konten, um den Koͤ- nig nur zur Verjagung der Deutſchen aus Liefland zu vermoͤgen. Denn ſie gaben vor, der Biſchof und ſeine Conſorten waͤren ihnen **) ein alzuhartes und unertraͤgliches Glaubensjoch. Der Koͤnig trauete ihren Worten alzuleichte, und ſtelte Befehl an alle ſeine Unterſaſſen, je eher je lieber ſich zum Aufbruch bereit zu halten, daß ſie auf dem ſchnellen Duͤnaſtrom zu Schiffe und auf Floſſen, wo- rauf ſie das unterwegens noͤthige bringen koͤnten, nach Riga abfahren ſolten, wel- ches auf dieſe Art bequemer und geſchwinder geſchehen koͤnte, (als zu Lande). Die Geſandten der Deutſchen, ſo um das Eingeben der Liven und des Koͤnigs Vor- haben nichts wuſten, wurden deswegen vor den Koͤnig vorgefordert, wo man ſie in 1205 *) Man blieb nicht allein bey der Vorſtellung ſolcher andaͤchtigen Dinge auf dem Theater, ſondern ſie wurden auch noch gar in Romanen getragen, damit die Abweſenden dieſer ſeltſamen Erfindung nicht verluſtig gingen. Beſiehe la Bibliotheque de Romans par Monſ. Langlet du Fresnoy 1734. Man ſchrieb ſogar von dem Kyrie Eleiſon eine Rittergeſchichte. Chriſtus und Apollo, Cupi- do und der Heilige Geiſt, die Jungfrau Maria und Venus, hatten darinnen eine ſtete Zuſam- menkunft. Ja in dieſen Zeiten der Unwiſſenheit machte man den Ritter Kyrie Eleiſon von Montauban, den Deuteronium (das fuͤnfte Buch Moſis,) und den Paralipomenon (die Buͤcher der Chronike,) zu groſſen und vornehmen Heiligen. **) Fuͤr ei leſe ich eis. M

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/77>, abgerufen am 25.11.2024.