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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.

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Geschichte des dritten Bischof Alberts, achtes Jahr,
1205in Gegenwart der Liven befragte, was die Ursache ihrer Herkunft sey. Jndem
sie nun gerade zu sagten, sie wären Friede und Freundschafts halber gekommen, so
riefen die Liven im Gegentheil überlaut, dis wären Leute, die weder Frieden such-
ten noch hielten. Jhr Mund, der vol Fluchens und Bitterkeit war, reizte also
das Herz und Gemüthe des Königs, mehr Krieg zu veranstalten, als Frie-
de zu machen.

§. 2.

Da aber der König befurchte, es möchten seine geheimen Anschläge ans Ta-
geslicht kommen, ließ er die Deutschen von sich, mit Befehl in ihren Quartiren
sich inne zu halten. Der Abt hingegen dachte dem Dinge nach, und man bestach
einen von den königlichen Räthen mit Geschenken und Gelde, wodurch so gleich
der so lange verborgne Rathschlag entdecket ward. Wie er diesen heraus hatte, so
kam die wunderbare Vorsehung GOttes dem Abt recht entgegen, welche die Sa-
chen zum besten kehret. Denn er erfuhr durch GOttes Schickung, daß ein armer
Mann vom Schlosse Holme sich daselbst aufhielte; diesen bedung er um ein halb
Mark, fertigte ihn mit einem Schreiben ab, und eröfnete durch ihn dem Herrn Bi-
schof von Riga und der ganzen Gemeine der Gläubigen, was er gehöret und ge-
sehen hatte. Daher kam es, daß viele von den Pilgern, so sich schon über See zu
fahren zurechte gemacht, das Kreuz wieder nahmen und zurückkehrten. Selbst der
Bischof, der mit andern wegzuziehen in Bereitschaft stand, nahm von den Wegse-
gelnden Abschied, und kehrte nach Riga zu den Seinigen.

§. 3.

Der König welcher des Abts Verfahren inne worden war, ließ ihn vor sich
fordern, und that die Frage, ob er nach Riga einen Boten gesandt. Aber dieser
gestund vor des Königs Angesicht unerschrocken, er habe jemanden mit Briefen fort-
geschickt. Es baten zwar die übrigen Gesandten, die ihm von Riga mitgegeben,
und vor Gewaltthätigkeiten des Königs bange waren, den Abt höchlich, und rede-
ten ihm ein, zu leugnen, was er gesprochen hatte. Er wuste aber ganz gut, daß
ein einmal von sich gegebnes Wort, sich nicht wieder zurücknehmen ließ, und leug-
nete dem Könige gar nicht, was er gestanden. Der König nun, der wol sahe, er
richte solcher Gestalt nichts aus, weil sein Vorhaben verrathen wäre, und ihm
Krieg und Gewalt zu brauchen nicht anging, bediente sich daher einer List. Denn
wer in Taubengestalt glatte Worte gibt, richtet eben so viel Schaden an, als eine
Schlange die im Grase verborgen liegt. Der Abt ward nach Hause gelassen, und
wurden zugleich Rußische Gesandten mit Friedensvorschlägen hinterlistiger Weise
abgefertiget, daß beyde Partheyen, so wol die Liven als der Bischof, solten ge-
höret, und was recht wäre, beschlossen werden, damit denn beyde solten zufrie-
den seyn. Nachdem sie vom König ihren Abschied genommen, erreichten sie das
Reußische Schloß Kukenoys gar bald. Sie schickten einen Diakonus, Ste-
phan,
doch nicht den, der der erste Märtyrer war*), mit dem Abt nach Riga,
liessen den Bischof ersuchen, ihnen entgegen zu kommen, setzten den Termin zur Un-
terredung auf den 29sten Junii, und bestimten den Ort dazu neben dem Wogene-
fluß
a). Die andern gingen weit und breit im Lande herum, und riefen die Li-
ven
und Letten, die eigentlich Lettgallen hiessen b), zu den Waffen. Die Li-
v
en kamen und waren fertig nicht allein dem Willen des Königs Gehorsam zu leisten,
sondern auch die Verrätherey wider die Gläubigen an Christum unterstützen zu helfen.
Die Letten oder Lettgallen, ob sie schon noch Heiden waren, wolten doch lieber,
daß die Christen beym Leben blieben, und suchten sie zu erhalten. Daher kamen
sie nicht in die Unterredung dieser Treulosen. Sie konten auch von den Russen

durch
*) Hier hat der Chronikschreiber die Leser gar zu einfältig gehalten, die diesen Stephanus vielleicht mit
dem ersten Märtyrer verwechseln möchten, von dem Apostel Geschicht am 7ten Kap. stehet.

Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, achtes Jahr,
1205in Gegenwart der Liven befragte, was die Urſache ihrer Herkunft ſey. Jndem
ſie nun gerade zu ſagten, ſie waͤren Friede und Freundſchafts halber gekommen, ſo
riefen die Liven im Gegentheil uͤberlaut, dis waͤren Leute, die weder Frieden ſuch-
ten noch hielten. Jhr Mund, der vol Fluchens und Bitterkeit war, reizte alſo
das Herz und Gemuͤthe des Koͤnigs, mehr Krieg zu veranſtalten, als Frie-
de zu machen.

§. 2.

Da aber der Koͤnig befurchte, es moͤchten ſeine geheimen Anſchlaͤge ans Ta-
geslicht kommen, ließ er die Deutſchen von ſich, mit Befehl in ihren Quartiren
ſich inne zu halten. Der Abt hingegen dachte dem Dinge nach, und man beſtach
einen von den koͤniglichen Raͤthen mit Geſchenken und Gelde, wodurch ſo gleich
der ſo lange verborgne Rathſchlag entdecket ward. Wie er dieſen heraus hatte, ſo
kam die wunderbare Vorſehung GOttes dem Abt recht entgegen, welche die Sa-
chen zum beſten kehret. Denn er erfuhr durch GOttes Schickung, daß ein armer
Mann vom Schloſſe Holme ſich daſelbſt aufhielte; dieſen bedung er um ein halb
Mark, fertigte ihn mit einem Schreiben ab, und eroͤfnete durch ihn dem Herrn Bi-
ſchof von Riga und der ganzen Gemeine der Glaͤubigen, was er gehoͤret und ge-
ſehen hatte. Daher kam es, daß viele von den Pilgern, ſo ſich ſchon uͤber See zu
fahren zurechte gemacht, das Kreuz wieder nahmen und zuruͤckkehrten. Selbſt der
Biſchof, der mit andern wegzuziehen in Bereitſchaft ſtand, nahm von den Wegſe-
gelnden Abſchied, und kehrte nach Riga zu den Seinigen.

§. 3.

Der Koͤnig welcher des Abts Verfahren inne worden war, ließ ihn vor ſich
fordern, und that die Frage, ob er nach Riga einen Boten geſandt. Aber dieſer
geſtund vor des Koͤnigs Angeſicht unerſchrocken, er habe jemanden mit Briefen fort-
geſchickt. Es baten zwar die uͤbrigen Geſandten, die ihm von Riga mitgegeben,
und vor Gewaltthaͤtigkeiten des Koͤnigs bange waren, den Abt hoͤchlich, und rede-
ten ihm ein, zu leugnen, was er geſprochen hatte. Er wuſte aber ganz gut, daß
ein einmal von ſich gegebnes Wort, ſich nicht wieder zuruͤcknehmen ließ, und leug-
nete dem Koͤnige gar nicht, was er geſtanden. Der Koͤnig nun, der wol ſahe, er
richte ſolcher Geſtalt nichts aus, weil ſein Vorhaben verrathen waͤre, und ihm
Krieg und Gewalt zu brauchen nicht anging, bediente ſich daher einer Liſt. Denn
wer in Taubengeſtalt glatte Worte gibt, richtet eben ſo viel Schaden an, als eine
Schlange die im Graſe verborgen liegt. Der Abt ward nach Hauſe gelaſſen, und
wurden zugleich Rußiſche Geſandten mit Friedensvorſchlaͤgen hinterliſtiger Weiſe
abgefertiget, daß beyde Partheyen, ſo wol die Liven als der Biſchof, ſolten ge-
hoͤret, und was recht waͤre, beſchloſſen werden, damit denn beyde ſolten zufrie-
den ſeyn. Nachdem ſie vom Koͤnig ihren Abſchied genommen, erreichten ſie das
Reußiſche Schloß Kukenoys gar bald. Sie ſchickten einen Diakonus, Ste-
phan,
doch nicht den, der der erſte Maͤrtyrer war*), mit dem Abt nach Riga,
lieſſen den Biſchof erſuchen, ihnen entgegen zu kommen, ſetzten den Termin zur Un-
terredung auf den 29ſten Junii, und beſtimten den Ort dazu neben dem Wogene-
fluß
a). Die andern gingen weit und breit im Lande herum, und riefen die Li-
ven
und Letten, die eigentlich Lettgallen hieſſen b), zu den Waffen. Die Li-
v
en kamen und waren fertig nicht allein dem Willen des Koͤnigs Gehorſam zu leiſten,
ſondern auch die Verraͤtherey wider die Glaͤubigen an Chriſtum unterſtuͤtzen zu helfen.
Die Letten oder Lettgallen, ob ſie ſchon noch Heiden waren, wolten doch lieber,
daß die Chriſten beym Leben blieben, und ſuchten ſie zu erhalten. Daher kamen
ſie nicht in die Unterredung dieſer Treuloſen. Sie konten auch von den Ruſſen

durch
*) Hier hat der Chronikſchreiber die Leſer gar zu einfaͤltig gehalten, die dieſen Stephanus vielleicht mit
dem erſten Maͤrtyrer verwechſeln moͤchten, von dem Apoſtel Geſchicht am 7ten Kap. ſtehet.
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[46/0078] Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, achtes Jahr, in Gegenwart der Liven befragte, was die Urſache ihrer Herkunft ſey. Jndem ſie nun gerade zu ſagten, ſie waͤren Friede und Freundſchafts halber gekommen, ſo riefen die Liven im Gegentheil uͤberlaut, dis waͤren Leute, die weder Frieden ſuch- ten noch hielten. Jhr Mund, der vol Fluchens und Bitterkeit war, reizte alſo das Herz und Gemuͤthe des Koͤnigs, mehr Krieg zu veranſtalten, als Frie- de zu machen. 1205 §. 2. Da aber der Koͤnig befurchte, es moͤchten ſeine geheimen Anſchlaͤge ans Ta- geslicht kommen, ließ er die Deutſchen von ſich, mit Befehl in ihren Quartiren ſich inne zu halten. Der Abt hingegen dachte dem Dinge nach, und man beſtach einen von den koͤniglichen Raͤthen mit Geſchenken und Gelde, wodurch ſo gleich der ſo lange verborgne Rathſchlag entdecket ward. Wie er dieſen heraus hatte, ſo kam die wunderbare Vorſehung GOttes dem Abt recht entgegen, welche die Sa- chen zum beſten kehret. Denn er erfuhr durch GOttes Schickung, daß ein armer Mann vom Schloſſe Holme ſich daſelbſt aufhielte; dieſen bedung er um ein halb Mark, fertigte ihn mit einem Schreiben ab, und eroͤfnete durch ihn dem Herrn Bi- ſchof von Riga und der ganzen Gemeine der Glaͤubigen, was er gehoͤret und ge- ſehen hatte. Daher kam es, daß viele von den Pilgern, ſo ſich ſchon uͤber See zu fahren zurechte gemacht, das Kreuz wieder nahmen und zuruͤckkehrten. Selbſt der Biſchof, der mit andern wegzuziehen in Bereitſchaft ſtand, nahm von den Wegſe- gelnden Abſchied, und kehrte nach Riga zu den Seinigen. §. 3. Der Koͤnig welcher des Abts Verfahren inne worden war, ließ ihn vor ſich fordern, und that die Frage, ob er nach Riga einen Boten geſandt. Aber dieſer geſtund vor des Koͤnigs Angeſicht unerſchrocken, er habe jemanden mit Briefen fort- geſchickt. Es baten zwar die uͤbrigen Geſandten, die ihm von Riga mitgegeben, und vor Gewaltthaͤtigkeiten des Koͤnigs bange waren, den Abt hoͤchlich, und rede- ten ihm ein, zu leugnen, was er geſprochen hatte. Er wuſte aber ganz gut, daß ein einmal von ſich gegebnes Wort, ſich nicht wieder zuruͤcknehmen ließ, und leug- nete dem Koͤnige gar nicht, was er geſtanden. Der Koͤnig nun, der wol ſahe, er richte ſolcher Geſtalt nichts aus, weil ſein Vorhaben verrathen waͤre, und ihm Krieg und Gewalt zu brauchen nicht anging, bediente ſich daher einer Liſt. Denn wer in Taubengeſtalt glatte Worte gibt, richtet eben ſo viel Schaden an, als eine Schlange die im Graſe verborgen liegt. Der Abt ward nach Hauſe gelaſſen, und wurden zugleich Rußiſche Geſandten mit Friedensvorſchlaͤgen hinterliſtiger Weiſe abgefertiget, daß beyde Partheyen, ſo wol die Liven als der Biſchof, ſolten ge- hoͤret, und was recht waͤre, beſchloſſen werden, damit denn beyde ſolten zufrie- den ſeyn. Nachdem ſie vom Koͤnig ihren Abſchied genommen, erreichten ſie das Reußiſche Schloß Kukenoys gar bald. Sie ſchickten einen Diakonus, Ste- phan, doch nicht den, der der erſte Maͤrtyrer war *), mit dem Abt nach Riga, lieſſen den Biſchof erſuchen, ihnen entgegen zu kommen, ſetzten den Termin zur Un- terredung auf den 29ſten Junii, und beſtimten den Ort dazu neben dem Wogene- fluß a⁾ . Die andern gingen weit und breit im Lande herum, und riefen die Li- ven und Letten, die eigentlich Lettgallen hieſſen b⁾ , zu den Waffen. Die Li- ven kamen und waren fertig nicht allein dem Willen des Koͤnigs Gehorſam zu leiſten, ſondern auch die Verraͤtherey wider die Glaͤubigen an Chriſtum unterſtuͤtzen zu helfen. Die Letten oder Lettgallen, ob ſie ſchon noch Heiden waren, wolten doch lieber, daß die Chriſten beym Leben blieben, und ſuchten ſie zu erhalten. Daher kamen ſie nicht in die Unterredung dieſer Treuloſen. Sie konten auch von den Ruſſen durch *) Hier hat der Chronikſchreiber die Leſer gar zu einfaͤltig gehalten, die dieſen Stephanus vielleicht mit dem erſten Maͤrtyrer verwechſeln moͤchten, von dem Apoſtel Geſchicht am 7ten Kap. ſtehet.

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/78>, abgerufen am 25.11.2024.