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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.

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von 1205 bis 1206.
mit ihren Rigischen Liven in ihrer Rüstung auf Fahrzeugen hinauf, und lande-1205
ten bey dem Schloß Holme vierzehen Tage nach Pfingsten an. Die Feinde, so
diese kommen sahen, wolten das Ufer und den Zugang schützen, und kamen ihnen
verwegen entgegen. Anfänglich erstaunten die Christen sehr, da sie so wenig Leu-
te hatten: denn ihrer waren nur hundert und funfzig Mann; die feindliche Macht
hingegen war gar beträchtlich. Sie riefen aber in ihrem Gesang die Barmherzig-
keit GOttes an, stärkten ihren Muth, und sprungen endlich heraus. Der erste
war Arnold, ein Bruder der Ritterschaft Christi; hernach rückten die Be-
dienten des Bischofs aus einem andern Schiffe mit allen den übrigen zugleich an den
Feind an. Zuerst musten sie im Wasser fechten, und hielten die vom Ufer aufge-
lesenen Steine und die feindlichen Lanzen, welche grausam über ihre Köpfe weg-
flogen, mänlich aus. Endlich erreichten sie das Ufer, und stritten sehr tapfer. Die
Feinde, so meist nackend waren, wurden häufig von den fliegenden Pfeilen ver-
wundet: man wurde handgemein; die Feinde wurden geschlagen, nahmen Reiß-
aus, und wurden theils niedergehauen, theils musten sie im Ueberschwimmen ersau-
fen, theils wurden ins Schloß mitgenommen: die andern so mit Schwimmen entka-
men, entgingen doch den Stacheln des Ungeziefers nicht. Sie hatten den Ako bey
sich gehabt, ihren Vornehmesten und Landesältesten, so der Urheber der ganzen Ver-
rätherey und alles Unglücks war; der den König von Plosceke wider die Rigi-
schen
aufgehetzet; der die Litthauer versamlet, und die aus Thoreide und
ganz Liefland wider den Christlichen Namen aufgeboten. Unter andern ward
auch dieser mit niedergesebelt, und des Entleibten Haupt ward dem Bischof mit
der Zeitung des Sieges überbracht. Der Bischof hatte eben mit seiner Geistlich-
keit Messe gehalten, und wartete in der Furcht GOttes und im Gebet, ob sich et-
wan einer sehen ließ, der Post brächte, wie es abgelaufen. Denn sein Herz stand
auf diese Art immer in guter Fassung, und hatte ein groß Vertrauen auf den
HErrn. So gleich ließ sich von weitem ein Schifchen sehen, auf welchem einer von
den Brüdern der Ritterschaft mit etlichen Verwundeten zurück kam, und des
Akons Kopf zum Zeichen des Sieges dem Bischof überreichte. Dieser freute
sich mit allen, die zu Hause geblieben, und dankte GOtt, der durch so wenige seiner
Kirche Heil verschaffet.

e) Etwan, von Lenewarde*)?
§. 9.

Die Christen näherten sich inzwischen den Mauren der Vorstadt, warfen
Feuer auf die Schloßmauer, und schleuderten auch Feuer und Steine mit ihren
Patherellenf) ins Schloß. Die Steinschleuderer verwundeten gar viele in der
Vestung; daher jene, nachdem so viele umgekommen, nicht mehr im Stande
waren sich zu wehren. Also baten die von Thoreida um Friede, der ihnen auch
eingestanden ward, und bekamen Erlaubniß auszuziehen. Sie zogen also heraus
und waren fast alle verwundet. Die von Holme aber, als Anfänger des Un-
glücks, musten sich gefangen geben, deren Landesälteste man nach Riga führte,
und sie nach Verdienst in Eisen legte. Der übrigen die im Schloß waren, ver-
schonte man, und that ihnen weiter kein Leid g); weil sie schon lange das Sacra-
ment der heiligen Taufe empfangen hatten. Alles aber, was bisher in Liefland
so rühmlich vorgegangen, hat GOtt nicht durch Stärke vieler, sondern allezeit durch
wenige ausgerichtet. GOtt sey daher für so vielfachen Sieg in Ewigkeit gelobet.
Es war aber zu der Zeit ein grosser Hunger und Mangel an Lebensmitteln in der
Stadt, und GOtt schickte wunderbar den Daniel, einen Priester des Bischofs
von Gothland, her mit zwey Fahrzeugen h), die mit Getreide und andern derglei-
chen Nothwendigkeiten bis oben an geladen waren. Eben diesen Daniel schickte
der Bischof mit seinem Truchses Gevehard, etlichen Steinschleuderern, und ei-

nigen
*) Die Manuscripte haben Lembewalde.
N

von 1205 bis 1206.
mit ihren Rigiſchen Liven in ihrer Ruͤſtung auf Fahrzeugen hinauf, und lande-1205
ten bey dem Schloß Holme vierzehen Tage nach Pfingſten an. Die Feinde, ſo
dieſe kommen ſahen, wolten das Ufer und den Zugang ſchuͤtzen, und kamen ihnen
verwegen entgegen. Anfaͤnglich erſtaunten die Chriſten ſehr, da ſie ſo wenig Leu-
te hatten: denn ihrer waren nur hundert und funfzig Mann; die feindliche Macht
hingegen war gar betraͤchtlich. Sie riefen aber in ihrem Geſang die Barmherzig-
keit GOttes an, ſtaͤrkten ihren Muth, und ſprungen endlich heraus. Der erſte
war Arnold, ein Bruder der Ritterſchaft Chriſti; hernach ruͤckten die Be-
dienten des Biſchofs aus einem andern Schiffe mit allen den uͤbrigen zugleich an den
Feind an. Zuerſt muſten ſie im Waſſer fechten, und hielten die vom Ufer aufge-
leſenen Steine und die feindlichen Lanzen, welche grauſam uͤber ihre Koͤpfe weg-
flogen, maͤnlich aus. Endlich erreichten ſie das Ufer, und ſtritten ſehr tapfer. Die
Feinde, ſo meiſt nackend waren, wurden haͤufig von den fliegenden Pfeilen ver-
wundet: man wurde handgemein; die Feinde wurden geſchlagen, nahmen Reiß-
aus, und wurden theils niedergehauen, theils muſten ſie im Ueberſchwimmen erſau-
fen, theils wurden ins Schloß mitgenommen: die andern ſo mit Schwimmen entka-
men, entgingen doch den Stacheln des Ungeziefers nicht. Sie hatten den Ako bey
ſich gehabt, ihren Vornehmeſten und Landesaͤlteſten, ſo der Urheber der ganzen Ver-
raͤtherey und alles Ungluͤcks war; der den Koͤnig von Ploſceke wider die Rigi-
ſchen
aufgehetzet; der die Litthauer verſamlet, und die aus Thoreide und
ganz Liefland wider den Chriſtlichen Namen aufgeboten. Unter andern ward
auch dieſer mit niedergeſebelt, und des Entleibten Haupt ward dem Biſchof mit
der Zeitung des Sieges uͤberbracht. Der Biſchof hatte eben mit ſeiner Geiſtlich-
keit Meſſe gehalten, und wartete in der Furcht GOttes und im Gebet, ob ſich et-
wan einer ſehen ließ, der Poſt braͤchte, wie es abgelaufen. Denn ſein Herz ſtand
auf dieſe Art immer in guter Faſſung, und hatte ein groß Vertrauen auf den
HErrn. So gleich ließ ſich von weitem ein Schifchen ſehen, auf welchem einer von
den Bruͤdern der Ritterſchaft mit etlichen Verwundeten zuruͤck kam, und des
Akons Kopf zum Zeichen des Sieges dem Biſchof uͤberreichte. Dieſer freute
ſich mit allen, die zu Hauſe geblieben, und dankte GOtt, der durch ſo wenige ſeiner
Kirche Heil verſchaffet.

e) Etwan, von Lenewarde*)?
§. 9.

Die Chriſten naͤherten ſich inzwiſchen den Mauren der Vorſtadt, warfen
Feuer auf die Schloßmauer, und ſchleuderten auch Feuer und Steine mit ihren
Patherellenf) ins Schloß. Die Steinſchleuderer verwundeten gar viele in der
Veſtung; daher jene, nachdem ſo viele umgekommen, nicht mehr im Stande
waren ſich zu wehren. Alſo baten die von Thoreida um Friede, der ihnen auch
eingeſtanden ward, und bekamen Erlaubniß auszuziehen. Sie zogen alſo heraus
und waren faſt alle verwundet. Die von Holme aber, als Anfaͤnger des Un-
gluͤcks, muſten ſich gefangen geben, deren Landesaͤlteſte man nach Riga fuͤhrte,
und ſie nach Verdienſt in Eiſen legte. Der uͤbrigen die im Schloß waren, ver-
ſchonte man, und that ihnen weiter kein Leid g); weil ſie ſchon lange das Sacra-
ment der heiligen Taufe empfangen hatten. Alles aber, was bisher in Liefland
ſo ruͤhmlich vorgegangen, hat GOtt nicht durch Staͤrke vieler, ſondern allezeit durch
wenige ausgerichtet. GOtt ſey daher fuͤr ſo vielfachen Sieg in Ewigkeit gelobet.
Es war aber zu der Zeit ein groſſer Hunger und Mangel an Lebensmitteln in der
Stadt, und GOtt ſchickte wunderbar den Daniel, einen Prieſter des Biſchofs
von Gothland, her mit zwey Fahrzeugen h), die mit Getreide und andern derglei-
chen Nothwendigkeiten bis oben an geladen waren. Eben dieſen Daniel ſchickte
der Biſchof mit ſeinem Truchſes Gevehard, etlichen Steinſchleuderern, und ei-

nigen
*) Die Manuſcripte haben Lembewalde.
N
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[49/0081] von 1205 bis 1206. mit ihren Rigiſchen Liven in ihrer Ruͤſtung auf Fahrzeugen hinauf, und lande- ten bey dem Schloß Holme vierzehen Tage nach Pfingſten an. Die Feinde, ſo dieſe kommen ſahen, wolten das Ufer und den Zugang ſchuͤtzen, und kamen ihnen verwegen entgegen. Anfaͤnglich erſtaunten die Chriſten ſehr, da ſie ſo wenig Leu- te hatten: denn ihrer waren nur hundert und funfzig Mann; die feindliche Macht hingegen war gar betraͤchtlich. Sie riefen aber in ihrem Geſang die Barmherzig- keit GOttes an, ſtaͤrkten ihren Muth, und ſprungen endlich heraus. Der erſte war Arnold, ein Bruder der Ritterſchaft Chriſti; hernach ruͤckten die Be- dienten des Biſchofs aus einem andern Schiffe mit allen den uͤbrigen zugleich an den Feind an. Zuerſt muſten ſie im Waſſer fechten, und hielten die vom Ufer aufge- leſenen Steine und die feindlichen Lanzen, welche grauſam uͤber ihre Koͤpfe weg- flogen, maͤnlich aus. Endlich erreichten ſie das Ufer, und ſtritten ſehr tapfer. Die Feinde, ſo meiſt nackend waren, wurden haͤufig von den fliegenden Pfeilen ver- wundet: man wurde handgemein; die Feinde wurden geſchlagen, nahmen Reiß- aus, und wurden theils niedergehauen, theils muſten ſie im Ueberſchwimmen erſau- fen, theils wurden ins Schloß mitgenommen: die andern ſo mit Schwimmen entka- men, entgingen doch den Stacheln des Ungeziefers nicht. Sie hatten den Ako bey ſich gehabt, ihren Vornehmeſten und Landesaͤlteſten, ſo der Urheber der ganzen Ver- raͤtherey und alles Ungluͤcks war; der den Koͤnig von Ploſceke wider die Rigi- ſchen aufgehetzet; der die Litthauer verſamlet, und die aus Thoreide und ganz Liefland wider den Chriſtlichen Namen aufgeboten. Unter andern ward auch dieſer mit niedergeſebelt, und des Entleibten Haupt ward dem Biſchof mit der Zeitung des Sieges uͤberbracht. Der Biſchof hatte eben mit ſeiner Geiſtlich- keit Meſſe gehalten, und wartete in der Furcht GOttes und im Gebet, ob ſich et- wan einer ſehen ließ, der Poſt braͤchte, wie es abgelaufen. Denn ſein Herz ſtand auf dieſe Art immer in guter Faſſung, und hatte ein groß Vertrauen auf den HErrn. So gleich ließ ſich von weitem ein Schifchen ſehen, auf welchem einer von den Bruͤdern der Ritterſchaft mit etlichen Verwundeten zuruͤck kam, und des Akons Kopf zum Zeichen des Sieges dem Biſchof uͤberreichte. Dieſer freute ſich mit allen, die zu Hauſe geblieben, und dankte GOtt, der durch ſo wenige ſeiner Kirche Heil verſchaffet. 1205 e⁾ Etwan, von Lenewarde *)? §. 9. Die Chriſten naͤherten ſich inzwiſchen den Mauren der Vorſtadt, warfen Feuer auf die Schloßmauer, und ſchleuderten auch Feuer und Steine mit ihren Patherellen f⁾ ins Schloß. Die Steinſchleuderer verwundeten gar viele in der Veſtung; daher jene, nachdem ſo viele umgekommen, nicht mehr im Stande waren ſich zu wehren. Alſo baten die von Thoreida um Friede, der ihnen auch eingeſtanden ward, und bekamen Erlaubniß auszuziehen. Sie zogen alſo heraus und waren faſt alle verwundet. Die von Holme aber, als Anfaͤnger des Un- gluͤcks, muſten ſich gefangen geben, deren Landesaͤlteſte man nach Riga fuͤhrte, und ſie nach Verdienſt in Eiſen legte. Der uͤbrigen die im Schloß waren, ver- ſchonte man, und that ihnen weiter kein Leid g⁾ ; weil ſie ſchon lange das Sacra- ment der heiligen Taufe empfangen hatten. Alles aber, was bisher in Liefland ſo ruͤhmlich vorgegangen, hat GOtt nicht durch Staͤrke vieler, ſondern allezeit durch wenige ausgerichtet. GOtt ſey daher fuͤr ſo vielfachen Sieg in Ewigkeit gelobet. Es war aber zu der Zeit ein groſſer Hunger und Mangel an Lebensmitteln in der Stadt, und GOtt ſchickte wunderbar den Daniel, einen Prieſter des Biſchofs von Gothland, her mit zwey Fahrzeugen h⁾ , die mit Getreide und andern derglei- chen Nothwendigkeiten bis oben an geladen waren. Eben dieſen Daniel ſchickte der Biſchof mit ſeinem Truchſes Gevehard, etlichen Steinſchleuderern, und ei- nigen *) Die Manuſcripte haben Lembewalde. N

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/81>, abgerufen am 24.11.2024.