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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753.

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Leben und Thaten der liefländischen Ordensmeister,
1426man einen Artig, und den Sechsling einen Scherf nennen. Drey lübische
Pfennige sollen auf einen neuen Artig gehen, und keine andre Münze im Schwan-
ge gehen als Artige, Lübische und Scherfe. Damit man Scheidemünze be-
komme, werden neue Scherfe geschlagen. Wer nach Lätare sich der alten
Münze bedient, büsset 100 Mark Goldes, davon ein Viertel an die päpstliche
Kammer, ein anderes an die Reichskammer, das dritte an des Uebertreters Ober-
herrn, das vierte an den Erzbischof, die Bischöfe und den Orden verfält.

Der Papst Jnnocentius der IIIte, hatte schon vor mehr als zweihundert
Jahren der Geistlichkeit in Liefland die Erlaubnis ertheilet, sich in ihrer Klei-
dung von dem Orden zu unterscheiden, damit das Gegentheil keine Unterwerfung
anzeige, und der Orden ein Recht daraus mache. Doch wurden die Geistlichen
und sonderlich die Mönche auch ermahnet, um der Schwachheit der Neubekehr-
ten willen allen Unterschied in ihren Mönchstrachten aufzuheben, und einerley
Kleider zu tragen, weil es sonst die Schwachgläubigen für eine Mishelligkeit in
Glaubenssätzen ansehen dürften. Der Orden hielt es mit der Zeit seiner Hoheit
für verkleinerlich, wenn die Prälaten und Priester sich durch eine besondere Tracht
und Farbe unterschieden, gewan aber endlich am päpstlichen Hofe den langweili-
gen Rechtshandel, indem Martin der Vte die so berufene Bulla habitus*) heraus
gab, mit gemessenem Befehl, daß künftig von der Geistlichkeit durch ganz Lief-
land
die Uniform des Ordens ohne Ausnahme getragen werden solle.

Die Russen von Plescow fielen in diesem Jahr ins Dörptische ein,
wobey der Ordensmeister so gelassen war, daß er nur auf die erwünschte Stunde
hofte, wenn der Bischof ihn um Hülfe ersuchen und dabey sich zur Unterwer-
fung anbieten würde. Doch der Bischof ersparte das Compliment, und wandte
sich an die Litthauer, deren Grosfürst Vitold nicht nur dem Bischof Die-
drich
Luft machte, sondern auch Plescow selbst plünderte. Dieses Bündnis
mit den Litthauern gab den Orden wieder zu allerhand Ubermuth gegen die
Geistlichkeit Anlas. Der Erzbischof Henning konte sich nicht länger halten,
und berief eine algemeine Versamlung, auf welcher dem Domdechanten zu Re-
vel
und den Domherren zu Dörpt aufgetragen ward, dem Papst das Elend der
liefländischen Clerisey mündlich vorzustellen, zu welcher Reise ihnen verstattet
wurde, einige Collegen zu Gefehrten auf dem weiten Wege mit zu nehmen.

Einige Rathsherrnsöhne von Revel und Dörpt unternahmen eine gemein-
schaftliche Reise, um sowol Rom zu besehen als in Jtalien zu studiren. Dieser
Geselschaft von etwa 16 Personen laurte an dem Pas des Wassers Liba ein Hau-
fen Reuter auf, welche Goswin von Aschenberg, Vogt zu Grubin, anführte,
der ihnen ihre Briefschaften abnahm, das Reisegeld einsteckte, und die dabey be-
findlichen Domherren mit gebundenen Händen unter das Eis werfen lies. Diese
That berichtete er an die Bischöfe des Landes, unter seinem Namen, weil er mit
solchen Verräthern des Landes nicht anders umgehen können. Ob Cysse davon
Kundschaft gehabt, läst sich nicht sagen. Wenigstens krähete kein Hahn dar-
nach, und der Ordensmeister lies nach eingelaufenem Bericht weder die Sache
recht zur Untersuchung, noch den Thäter vor Gericht ziehen; ja da die Sache rege

gemacht
gen darf, so ist glaublicher, daß Rhanäus entweder in der Urschrift Marke, Oeseringe, Gro-
schen
und Artige lesen sollen, oder sich auch schon felerhafter Abschriften bedienet habe, derglei-
chen man hier in grosser Menge antrift.
*) Dieses an sich unerhebliche Gesetz wurde eine Gelegenheit zu vielem Misverständnis und offenbaren
Spaltungen, und weil die Clerisey hierdurch unter den Orden erniedriget zu seyn schien, so
verursachte dieser päpstliche Wille manchem darunter eine schwere Gewissensangst. Bey der
Stadt hat der Erzbischof Silvester die päpstliche Kleiderbulle bekant machen lassen, die daher
auch den Namen der Bullae habitus träget. Wir würden hier eine lange Reihe von Päpsten
anzuführen haben, deren Bullen fast von Regierung zu Regierung der liefländischen Clerisey
die Uniform des Ordens angerathen und befohlen haben, wenn besondere historische Umstände
darin enthalten wären und nicht ihr Jnhalt durchgängig auf eins hinaus liefe. Jndessen wäre
die Materie de pallio so fruchtbar, daß man wo nicht ein ganzes Buch, wie Tertullianus,
doch eine Dissertation davon schreiben könte.

Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter,
1426man einen Artig, und den Sechsling einen Scherf nennen. Drey luͤbiſche
Pfennige ſollen auf einen neuen Artig gehen, und keine andre Muͤnze im Schwan-
ge gehen als Artige, Luͤbiſche und Scherfe. Damit man Scheidemuͤnze be-
komme, werden neue Scherfe geſchlagen. Wer nach Laͤtare ſich der alten
Muͤnze bedient, buͤſſet 100 Mark Goldes, davon ein Viertel an die paͤpſtliche
Kammer, ein anderes an die Reichskammer, das dritte an des Uebertreters Ober-
herrn, das vierte an den Erzbiſchof, die Biſchoͤfe und den Orden verfaͤlt.

Der Papſt Jnnocentius der IIIte, hatte ſchon vor mehr als zweihundert
Jahren der Geiſtlichkeit in Liefland die Erlaubnis ertheilet, ſich in ihrer Klei-
dung von dem Orden zu unterſcheiden, damit das Gegentheil keine Unterwerfung
anzeige, und der Orden ein Recht daraus mache. Doch wurden die Geiſtlichen
und ſonderlich die Moͤnche auch ermahnet, um der Schwachheit der Neubekehr-
ten willen allen Unterſchied in ihren Moͤnchstrachten aufzuheben, und einerley
Kleider zu tragen, weil es ſonſt die Schwachglaͤubigen fuͤr eine Mishelligkeit in
Glaubensſaͤtzen anſehen duͤrften. Der Orden hielt es mit der Zeit ſeiner Hoheit
fuͤr verkleinerlich, wenn die Praͤlaten und Prieſter ſich durch eine beſondere Tracht
und Farbe unterſchieden, gewan aber endlich am paͤpſtlichen Hofe den langweili-
gen Rechtshandel, indem Martin der Vte die ſo berufene Bulla habitus*) heraus
gab, mit gemeſſenem Befehl, daß kuͤnftig von der Geiſtlichkeit durch ganz Lief-
land
die Uniform des Ordens ohne Ausnahme getragen werden ſolle.

Die Ruſſen von Plescow fielen in dieſem Jahr ins Doͤrptiſche ein,
wobey der Ordensmeiſter ſo gelaſſen war, daß er nur auf die erwuͤnſchte Stunde
hofte, wenn der Biſchof ihn um Huͤlfe erſuchen und dabey ſich zur Unterwer-
fung anbieten wuͤrde. Doch der Biſchof erſparte das Compliment, und wandte
ſich an die Litthauer, deren Grosfuͤrſt Vitold nicht nur dem Biſchof Die-
drich
Luft machte, ſondern auch Plescow ſelbſt pluͤnderte. Dieſes Buͤndnis
mit den Litthauern gab den Orden wieder zu allerhand Ubermuth gegen die
Geiſtlichkeit Anlas. Der Erzbiſchof Henning konte ſich nicht laͤnger halten,
und berief eine algemeine Verſamlung, auf welcher dem Domdechanten zu Re-
vel
und den Domherren zu Doͤrpt aufgetragen ward, dem Papſt das Elend der
lieflaͤndiſchen Cleriſey muͤndlich vorzuſtellen, zu welcher Reiſe ihnen verſtattet
wurde, einige Collegen zu Gefehrten auf dem weiten Wege mit zu nehmen.

Einige Rathsherrnſoͤhne von Revel und Doͤrpt unternahmen eine gemein-
ſchaftliche Reiſe, um ſowol Rom zu beſehen als in Jtalien zu ſtudiren. Dieſer
Geſelſchaft von etwa 16 Perſonen laurte an dem Pas des Waſſers Liba ein Hau-
fen Reuter auf, welche Goswin von Aſchenberg, Vogt zu Grubin, anfuͤhrte,
der ihnen ihre Briefſchaften abnahm, das Reiſegeld einſteckte, und die dabey be-
findlichen Domherren mit gebundenen Haͤnden unter das Eis werfen lies. Dieſe
That berichtete er an die Biſchoͤfe des Landes, unter ſeinem Namen, weil er mit
ſolchen Verraͤthern des Landes nicht anders umgehen koͤnnen. Ob Cyſſe davon
Kundſchaft gehabt, laͤſt ſich nicht ſagen. Wenigſtens kraͤhete kein Hahn dar-
nach, und der Ordensmeiſter lies nach eingelaufenem Bericht weder die Sache
recht zur Unterſuchung, noch den Thaͤter vor Gericht ziehen; ja da die Sache rege

gemacht
gen darf, ſo iſt glaublicher, daß Rhanaͤus entweder in der Urſchrift Marke, Oeſeringe, Gro-
ſchen
und Artige leſen ſollen, oder ſich auch ſchon felerhafter Abſchriften bedienet habe, derglei-
chen man hier in groſſer Menge antrift.
*) Dieſes an ſich unerhebliche Geſetz wurde eine Gelegenheit zu vielem Misverſtaͤndnis und offenbaren
Spaltungen, und weil die Cleriſey hierdurch unter den Orden erniedriget zu ſeyn ſchien, ſo
verurſachte dieſer paͤpſtliche Wille manchem darunter eine ſchwere Gewiſſensangſt. Bey der
Stadt hat der Erzbiſchof Silveſter die paͤpſtliche Kleiderbulle bekant machen laſſen, die daher
auch den Namen der Bullae habitus traͤget. Wir wuͤrden hier eine lange Reihe von Paͤpſten
anzufuͤhren haben, deren Bullen faſt von Regierung zu Regierung der lieflaͤndiſchen Cleriſey
die Uniform des Ordens angerathen und befohlen haben, wenn beſondere hiſtoriſche Umſtaͤnde
darin enthalten waͤren und nicht ihr Jnhalt durchgaͤngig auf eins hinaus liefe. Jndeſſen waͤre
die Materie de pallio ſo fruchtbar, daß man wo nicht ein ganzes Buch, wie Tertullianus,
doch eine Diſſertation davon ſchreiben koͤnte.
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[128/0146] Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter, man einen Artig, und den Sechsling einen Scherf nennen. Drey luͤbiſche Pfennige ſollen auf einen neuen Artig gehen, und keine andre Muͤnze im Schwan- ge gehen als Artige, Luͤbiſche und Scherfe. Damit man Scheidemuͤnze be- komme, werden neue Scherfe geſchlagen. Wer nach Laͤtare ſich der alten Muͤnze bedient, buͤſſet 100 Mark Goldes, davon ein Viertel an die paͤpſtliche Kammer, ein anderes an die Reichskammer, das dritte an des Uebertreters Ober- herrn, das vierte an den Erzbiſchof, die Biſchoͤfe und den Orden verfaͤlt. 1426 Der Papſt Jnnocentius der IIIte, hatte ſchon vor mehr als zweihundert Jahren der Geiſtlichkeit in Liefland die Erlaubnis ertheilet, ſich in ihrer Klei- dung von dem Orden zu unterſcheiden, damit das Gegentheil keine Unterwerfung anzeige, und der Orden ein Recht daraus mache. Doch wurden die Geiſtlichen und ſonderlich die Moͤnche auch ermahnet, um der Schwachheit der Neubekehr- ten willen allen Unterſchied in ihren Moͤnchstrachten aufzuheben, und einerley Kleider zu tragen, weil es ſonſt die Schwachglaͤubigen fuͤr eine Mishelligkeit in Glaubensſaͤtzen anſehen duͤrften. Der Orden hielt es mit der Zeit ſeiner Hoheit fuͤr verkleinerlich, wenn die Praͤlaten und Prieſter ſich durch eine beſondere Tracht und Farbe unterſchieden, gewan aber endlich am paͤpſtlichen Hofe den langweili- gen Rechtshandel, indem Martin der Vte die ſo berufene Bulla habitus *) heraus gab, mit gemeſſenem Befehl, daß kuͤnftig von der Geiſtlichkeit durch ganz Lief- land die Uniform des Ordens ohne Ausnahme getragen werden ſolle. Die Ruſſen von Plescow fielen in dieſem Jahr ins Doͤrptiſche ein, wobey der Ordensmeiſter ſo gelaſſen war, daß er nur auf die erwuͤnſchte Stunde hofte, wenn der Biſchof ihn um Huͤlfe erſuchen und dabey ſich zur Unterwer- fung anbieten wuͤrde. Doch der Biſchof erſparte das Compliment, und wandte ſich an die Litthauer, deren Grosfuͤrſt Vitold nicht nur dem Biſchof Die- drich Luft machte, ſondern auch Plescow ſelbſt pluͤnderte. Dieſes Buͤndnis mit den Litthauern gab den Orden wieder zu allerhand Ubermuth gegen die Geiſtlichkeit Anlas. Der Erzbiſchof Henning konte ſich nicht laͤnger halten, und berief eine algemeine Verſamlung, auf welcher dem Domdechanten zu Re- vel und den Domherren zu Doͤrpt aufgetragen ward, dem Papſt das Elend der lieflaͤndiſchen Cleriſey muͤndlich vorzuſtellen, zu welcher Reiſe ihnen verſtattet wurde, einige Collegen zu Gefehrten auf dem weiten Wege mit zu nehmen. Einige Rathsherrnſoͤhne von Revel und Doͤrpt unternahmen eine gemein- ſchaftliche Reiſe, um ſowol Rom zu beſehen als in Jtalien zu ſtudiren. Dieſer Geſelſchaft von etwa 16 Perſonen laurte an dem Pas des Waſſers Liba ein Hau- fen Reuter auf, welche Goswin von Aſchenberg, Vogt zu Grubin, anfuͤhrte, der ihnen ihre Briefſchaften abnahm, das Reiſegeld einſteckte, und die dabey be- findlichen Domherren mit gebundenen Haͤnden unter das Eis werfen lies. Dieſe That berichtete er an die Biſchoͤfe des Landes, unter ſeinem Namen, weil er mit ſolchen Verraͤthern des Landes nicht anders umgehen koͤnnen. Ob Cyſſe davon Kundſchaft gehabt, laͤſt ſich nicht ſagen. Wenigſtens kraͤhete kein Hahn dar- nach, und der Ordensmeiſter lies nach eingelaufenem Bericht weder die Sache recht zur Unterſuchung, noch den Thaͤter vor Gericht ziehen; ja da die Sache rege gemacht **) *) Dieſes an ſich unerhebliche Geſetz wurde eine Gelegenheit zu vielem Misverſtaͤndnis und offenbaren Spaltungen, und weil die Cleriſey hierdurch unter den Orden erniedriget zu ſeyn ſchien, ſo verurſachte dieſer paͤpſtliche Wille manchem darunter eine ſchwere Gewiſſensangſt. Bey der Stadt hat der Erzbiſchof Silveſter die paͤpſtliche Kleiderbulle bekant machen laſſen, die daher auch den Namen der Bullae habitus traͤget. Wir wuͤrden hier eine lange Reihe von Paͤpſten anzufuͤhren haben, deren Bullen faſt von Regierung zu Regierung der lieflaͤndiſchen Cleriſey die Uniform des Ordens angerathen und befohlen haben, wenn beſondere hiſtoriſche Umſtaͤnde darin enthalten waͤren und nicht ihr Jnhalt durchgaͤngig auf eins hinaus liefe. Jndeſſen waͤre die Materie de pallio ſo fruchtbar, daß man wo nicht ein ganzes Buch, wie Tertullianus, doch eine Diſſertation davon ſchreiben koͤnte. **) gen darf, ſo iſt glaublicher, daß Rhanaͤus entweder in der Urſchrift Marke, Oeſeringe, Gro- ſchen und Artige leſen ſollen, oder ſich auch ſchon felerhafter Abſchriften bedienet habe, derglei- chen man hier in groſſer Menge antrift.

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik02_1753/146>, abgerufen am 22.12.2024.