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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753.

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Leben und Thaten der liefländischen Ordensmeister,
1236deutsche Ordensbrüder gegenwärtig befanden: doch konten die Liefländer mit
dem Hochmeister selbst nicht zur Unterredung kommen, weil derselbe eine Reise an
den kaiserl. und päpstl. Hof unternehmen müssen. Man machte ihnen mit Fleis
die Aufnahme schwer, damit dieselbe als eine hohe und wichtige Wohlthat angese-
hen werden möchte. Man erkundigte sich nach ihren Ordensgesetzen, nach ihren
Vorrechten, nach ihren Ländern, nach ihrem Leben, und lies den beiden zurück-
gekommenen Gesandten Bericht abstatten, wie sie es in Liefland gefunden
hätten.

Der Bruder Ehrenfried war nicht am besten auf die Brüder der Ritter-
schaft Christi in Liefland zu sprechen. Es sind sagte er, eigensinnige nnd muth-
willige Köpfe, die sich nicht gern an die Ordensregeln binden. Sie begehen selt-
same Dinge, und sehen mehr auf ihren Eigennutz als auf die gemeine Wohlfarth.
Dabey wies er vor dem Vicemeister auf 2 von den liefländischen Abgeordneten
mit dem Finger, und fügte hinzu: diese nebst 4 andern, welche ich kenne, sind
die allerärgsten. Diese schöne Empfelung begleitete der zweite Gesandte, Arnold,
mit einem neuen Lobspruch: Alles, fieng er an, was dieser mein Reisegefährte
hier vorgebracht, hat seine Richtigkeit. Da aber die Schwerdtbrüder unsern
Orden annehmen und allen Misbrauch fahren lassen; so wollen wir das Beste
hoffen. Jndessen wollen wir ihnen durch unsern Wandel ein Muster der Nach-
folge vorstellen.

Der Vicemeister fragte nach der Reihe herum, was die deutschen Brüder
zu dieser Vereinigung gedächten. Alle Anwesende gaben dem Bruder Ehrenfried
Beifal, und wiederriethen sie als die gefährlichste Sache. Ganz zuletzt kam das
Wort an einen damals noch jungen Bruder, aber nachmaligen Hochmeister,
Herman von Heldrungen, der diesen kützlichen Handel bis zur Rückkunft des
Hochmeisters auszusetzen rieth. Arnold von Neuendorf ergrif diesen Vor-
schlag, und bat die Brüderschaft, auf die Stimme dieses jungen Ritters Acht zu
geben. Man beschlos also das Anbringen der liefländischen Gesandschaft un-
erörtert zu lassen, bis der Hochmeister in Person zugegen wäre. Der Vogt zu
Wenden, Erdmund, und der Ordensmarschal Joh. Salinger, beur-
laubten sich hierauf bey dem Vicemeister, Ludwig von Oettingen, und zo-
gen wieder nach Hause, von denen doch der Ordensmarschal unterwegens starb.
Der dritte Schwerdtbruder Joh. von Meydeburg solte inzwischen die Ankunft
des Hochmeister Hermans mit Geduld abwarten.

Der Vicemeister ward beim Aussenbleiben seines Principals, zumal, da
ihn der liefländische Abgeordnete fast täglich überlief, auch ungedultig, und
reisete selbst an den kaiserl. Hof, wohin er den Abgeordneten mit nahm, und vom
deutschen Orden die Brüder Ulrich von Döre, Wichmannen von Würz-
burg
und Hermannen von Heldrungen zur Begleitung bey sich hatte. Sie
fanden den Hochmeister ziemlich willig. Doch wolte er alles auf die päpstl. Ein-
willigung ankommen lassen; da denn um dieselbe einzuholen, der Hochmeister mit
dem Abgeordneten Herman von Heldrungen sich zum Papst Gregorius dem
IXten verfügte, der zu Viterbo, nicht aber zu Salerno, oder gar, wie Wais-
sel
schreibt, zu Lucern, seine Hofstadt aufgeschlagen.

1237

Am päpstl. Hofe machte der dänische Gesandte viele Schwierigkeiten, weil
Waldemar der IIte weder Mühe noch Kosten sparen lies, den Papst dahin zu
vermögen, daß derselbe das Schlos Revel dem König zusprechen solte x). Der

Papst
x) Daß Volquin Revel eingenommen, und die Esten, welche die Dänen daraus ver-
jaget, mit eignen Kräften des Ordens, wieder zu Paaren getrieben bezeuget, Raynald
annal. eccl. t. 13, p. 445, n. 65, beim Jahre 1236. Der Papst schrieb aus Viterbo
den 11ten May 1237 an seinen Botschafter, den Cardinal Wilhelm von Modena,
sich alle ersinliche Mühe zu geben, damit Waldemar sein Revel, die Brüder aber
die Unkosten der Eroberung wieder bekämen. Eine andre Jnstruction bekam Wil-
helm

Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter,
1236deutſche Ordensbruͤder gegenwaͤrtig befanden: doch konten die Lieflaͤnder mit
dem Hochmeiſter ſelbſt nicht zur Unterredung kommen, weil derſelbe eine Reiſe an
den kaiſerl. und paͤpſtl. Hof unternehmen muͤſſen. Man machte ihnen mit Fleis
die Aufnahme ſchwer, damit dieſelbe als eine hohe und wichtige Wohlthat angeſe-
hen werden moͤchte. Man erkundigte ſich nach ihren Ordensgeſetzen, nach ihren
Vorrechten, nach ihren Laͤndern, nach ihrem Leben, und lies den beiden zuruͤck-
gekommenen Geſandten Bericht abſtatten, wie ſie es in Liefland gefunden
haͤtten.

Der Bruder Ehrenfried war nicht am beſten auf die Bruͤder der Ritter-
ſchaft Chriſti in Liefland zu ſprechen. Es ſind ſagte er, eigenſinnige nnd muth-
willige Koͤpfe, die ſich nicht gern an die Ordensregeln binden. Sie begehen ſelt-
ſame Dinge, und ſehen mehr auf ihren Eigennutz als auf die gemeine Wohlfarth.
Dabey wies er vor dem Vicemeiſter auf 2 von den lieflaͤndiſchen Abgeordneten
mit dem Finger, und fuͤgte hinzu: dieſe nebſt 4 andern, welche ich kenne, ſind
die alleraͤrgſten. Dieſe ſchoͤne Empfelung begleitete der zweite Geſandte, Arnold,
mit einem neuen Lobſpruch: Alles, fieng er an, was dieſer mein Reiſegefaͤhrte
hier vorgebracht, hat ſeine Richtigkeit. Da aber die Schwerdtbruͤder unſern
Orden annehmen und allen Misbrauch fahren laſſen; ſo wollen wir das Beſte
hoffen. Jndeſſen wollen wir ihnen durch unſern Wandel ein Muſter der Nach-
folge vorſtellen.

Der Vicemeiſter fragte nach der Reihe herum, was die deutſchen Bruͤder
zu dieſer Vereinigung gedaͤchten. Alle Anweſende gaben dem Bruder Ehrenfried
Beifal, und wiederriethen ſie als die gefaͤhrlichſte Sache. Ganz zuletzt kam das
Wort an einen damals noch jungen Bruder, aber nachmaligen Hochmeiſter,
Herman von Heldrungen, der dieſen kuͤtzlichen Handel bis zur Ruͤckkunft des
Hochmeiſters auszuſetzen rieth. Arnold von Neuendorf ergrif dieſen Vor-
ſchlag, und bat die Bruͤderſchaft, auf die Stimme dieſes jungen Ritters Acht zu
geben. Man beſchlos alſo das Anbringen der lieflaͤndiſchen Geſandſchaft un-
eroͤrtert zu laſſen, bis der Hochmeiſter in Perſon zugegen waͤre. Der Vogt zu
Wenden, Erdmund, und der Ordensmarſchal Joh. Salinger, beur-
laubten ſich hierauf bey dem Vicemeiſter, Ludwig von Oettingen, und zo-
gen wieder nach Hauſe, von denen doch der Ordensmarſchal unterwegens ſtarb.
Der dritte Schwerdtbruder Joh. von Meydeburg ſolte inzwiſchen die Ankunft
des Hochmeiſter Hermans mit Geduld abwarten.

Der Vicemeiſter ward beim Auſſenbleiben ſeines Principals, zumal, da
ihn der lieflaͤndiſche Abgeordnete faſt taͤglich uͤberlief, auch ungedultig, und
reiſete ſelbſt an den kaiſerl. Hof, wohin er den Abgeordneten mit nahm, und vom
deutſchen Orden die Bruͤder Ulrich von Doͤre, Wichmannen von Wuͤrz-
burg
und Hermannen von Heldrungen zur Begleitung bey ſich hatte. Sie
fanden den Hochmeiſter ziemlich willig. Doch wolte er alles auf die paͤpſtl. Ein-
willigung ankommen laſſen; da denn um dieſelbe einzuholen, der Hochmeiſter mit
dem Abgeordneten Herman von Heldrungen ſich zum Papſt Gregorius dem
IXten verfuͤgte, der zu Viterbo, nicht aber zu Salerno, oder gar, wie Waiſ-
ſel
ſchreibt, zu Lucern, ſeine Hofſtadt aufgeſchlagen.

1237

Am paͤpſtl. Hofe machte der daͤniſche Geſandte viele Schwierigkeiten, weil
Waldemar der IIte weder Muͤhe noch Koſten ſparen lies, den Papſt dahin zu
vermoͤgen, daß derſelbe das Schlos Revel dem Koͤnig zuſprechen ſolte x). Der

Papſt
x) Daß Volquin Revel eingenommen, und die Eſten, welche die Daͤnen daraus ver-
jaget, mit eignen Kraͤften des Ordens, wieder zu Paaren getrieben bezeuget, Raynald
annal. eccl. t. 13, p. 445, n. 65, beim Jahre 1236. Der Papſt ſchrieb aus Viterbo
den 11ten May 1237 an ſeinen Botſchafter, den Cardinal Wilhelm von Modena,
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[36/0054] Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter, deutſche Ordensbruͤder gegenwaͤrtig befanden: doch konten die Lieflaͤnder mit dem Hochmeiſter ſelbſt nicht zur Unterredung kommen, weil derſelbe eine Reiſe an den kaiſerl. und paͤpſtl. Hof unternehmen muͤſſen. Man machte ihnen mit Fleis die Aufnahme ſchwer, damit dieſelbe als eine hohe und wichtige Wohlthat angeſe- hen werden moͤchte. Man erkundigte ſich nach ihren Ordensgeſetzen, nach ihren Vorrechten, nach ihren Laͤndern, nach ihrem Leben, und lies den beiden zuruͤck- gekommenen Geſandten Bericht abſtatten, wie ſie es in Liefland gefunden haͤtten. 1236 Der Bruder Ehrenfried war nicht am beſten auf die Bruͤder der Ritter- ſchaft Chriſti in Liefland zu ſprechen. Es ſind ſagte er, eigenſinnige nnd muth- willige Koͤpfe, die ſich nicht gern an die Ordensregeln binden. Sie begehen ſelt- ſame Dinge, und ſehen mehr auf ihren Eigennutz als auf die gemeine Wohlfarth. Dabey wies er vor dem Vicemeiſter auf 2 von den lieflaͤndiſchen Abgeordneten mit dem Finger, und fuͤgte hinzu: dieſe nebſt 4 andern, welche ich kenne, ſind die alleraͤrgſten. Dieſe ſchoͤne Empfelung begleitete der zweite Geſandte, Arnold, mit einem neuen Lobſpruch: Alles, fieng er an, was dieſer mein Reiſegefaͤhrte hier vorgebracht, hat ſeine Richtigkeit. Da aber die Schwerdtbruͤder unſern Orden annehmen und allen Misbrauch fahren laſſen; ſo wollen wir das Beſte hoffen. Jndeſſen wollen wir ihnen durch unſern Wandel ein Muſter der Nach- folge vorſtellen. Der Vicemeiſter fragte nach der Reihe herum, was die deutſchen Bruͤder zu dieſer Vereinigung gedaͤchten. Alle Anweſende gaben dem Bruder Ehrenfried Beifal, und wiederriethen ſie als die gefaͤhrlichſte Sache. Ganz zuletzt kam das Wort an einen damals noch jungen Bruder, aber nachmaligen Hochmeiſter, Herman von Heldrungen, der dieſen kuͤtzlichen Handel bis zur Ruͤckkunft des Hochmeiſters auszuſetzen rieth. Arnold von Neuendorf ergrif dieſen Vor- ſchlag, und bat die Bruͤderſchaft, auf die Stimme dieſes jungen Ritters Acht zu geben. Man beſchlos alſo das Anbringen der lieflaͤndiſchen Geſandſchaft un- eroͤrtert zu laſſen, bis der Hochmeiſter in Perſon zugegen waͤre. Der Vogt zu Wenden, Erdmund, und der Ordensmarſchal Joh. Salinger, beur- laubten ſich hierauf bey dem Vicemeiſter, Ludwig von Oettingen, und zo- gen wieder nach Hauſe, von denen doch der Ordensmarſchal unterwegens ſtarb. Der dritte Schwerdtbruder Joh. von Meydeburg ſolte inzwiſchen die Ankunft des Hochmeiſter Hermans mit Geduld abwarten. Der Vicemeiſter ward beim Auſſenbleiben ſeines Principals, zumal, da ihn der lieflaͤndiſche Abgeordnete faſt taͤglich uͤberlief, auch ungedultig, und reiſete ſelbſt an den kaiſerl. Hof, wohin er den Abgeordneten mit nahm, und vom deutſchen Orden die Bruͤder Ulrich von Doͤre, Wichmannen von Wuͤrz- burg und Hermannen von Heldrungen zur Begleitung bey ſich hatte. Sie fanden den Hochmeiſter ziemlich willig. Doch wolte er alles auf die paͤpſtl. Ein- willigung ankommen laſſen; da denn um dieſelbe einzuholen, der Hochmeiſter mit dem Abgeordneten Herman von Heldrungen ſich zum Papſt Gregorius dem IXten verfuͤgte, der zu Viterbo, nicht aber zu Salerno, oder gar, wie Waiſ- ſel ſchreibt, zu Lucern, ſeine Hofſtadt aufgeſchlagen. Am paͤpſtl. Hofe machte der daͤniſche Geſandte viele Schwierigkeiten, weil Waldemar der IIte weder Muͤhe noch Koſten ſparen lies, den Papſt dahin zu vermoͤgen, daß derſelbe das Schlos Revel dem Koͤnig zuſprechen ſolte x). Der Papſt x) Daß Volquin Revel eingenommen, und die Eſten, welche die Daͤnen daraus ver- jaget, mit eignen Kraͤften des Ordens, wieder zu Paaren getrieben bezeuget, Raynald annal. eccl. t. 13, p. 445, n. 65, beim Jahre 1236. Der Papſt ſchrieb aus Viterbo den 11ten May 1237 an ſeinen Botſchafter, den Cardinal Wilhelm von Modena, ſich alle erſinliche Muͤhe zu geben, damit Waldemar ſein Revel, die Bruͤder aber die Unkoſten der Eroberung wieder bekaͤmen. Eine andre Jnſtruction bekam Wil- helm

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik02_1753/54>, abgerufen am 27.11.2024.