Lewald, Fanny: Adele. 2. Ausg. Berlin, 1864."Ich bitte Dich," entgegnete sie ablehnend, "spiele Dir doch keine Komödie vor. In Deinem Alter und einem possirten Mädchen gegenüber, eine Leidenschaft!" Sie schien von dem Gegenstande offenbar Nichts weiter sprechen oder hören zu wollen. Hellwig brach also ebenfalls ab, aber man konnte ihm anmerken, daß die Gleichgültigkeit ihn gereizt hatte, mit der seine Frau ihn und den Gegenstand behandelte. Er zerlegte, ohne aufzusehen, das Filet[,] welches der Kellner ihnen vorgesetzt, und trank mürrisch und schweigend den seinen Wein herunter. Auch Samuel und Adele schwiegen bei ihrer Rückkehr zum Hotel. Er war ergrimmt, sie traurig. Samuel konnte es nicht verschmerzen, daß Adele ihn genöthigt, vor Hellwig den Platz zu räumen; er ärgerte sich auch über den zerstörten heiteren Abend und den nicht ausgetrunkenen Wein. Adele beklagte ihr Schicksal, das treue “Ich bitte Dich,” entgegnete sie ablehnend, “spiele Dir doch keine Komödie vor. In Deinem Alter und einem possirten Mädchen gegenüber, eine Leidenschaft!” Sie schien von dem Gegenstande offenbar Nichts weiter sprechen oder hören zu wollen. Hellwig brach also ebenfalls ab, aber man konnte ihm anmerken, daß die Gleichgültigkeit ihn gereizt hatte, mit der seine Frau ihn und den Gegenstand behandelte. Er zerlegte, ohne aufzusehen, das Filet[,] welches der Kellner ihnen vorgesetzt, und trank mürrisch und schweigend den seinen Wein herunter. Auch Samuel und Adele schwiegen bei ihrer Rückkehr zum Hôtel. Er war ergrimmt, sie traurig. Samuel konnte es nicht verschmerzen, daß Adele ihn genöthigt, vor Hellwig den Platz zu räumen; er ärgerte sich auch über den zerstörten heiteren Abend und den nicht ausgetrunkenen Wein. Adele beklagte ihr Schicksal, das treue <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0226" n="216"/> <p> “Ich bitte Dich,” entgegnete sie ablehnend, “spiele Dir doch keine Komödie vor. In Deinem Alter und einem possirten Mädchen gegenüber, eine Leidenschaft!”</p> <p> Sie schien von dem Gegenstande offenbar Nichts weiter sprechen oder hören zu wollen. Hellwig brach also ebenfalls ab, aber man konnte ihm anmerken, daß die Gleichgültigkeit ihn gereizt hatte, mit der seine Frau ihn und den Gegenstand behandelte. Er zerlegte, ohne aufzusehen, das Filet[,] welches der Kellner ihnen vorgesetzt, und trank mürrisch und schweigend den seinen Wein herunter.</p> <p> Auch Samuel und Adele schwiegen bei ihrer Rückkehr zum Hôtel. Er war ergrimmt, sie traurig. Samuel konnte es nicht verschmerzen, daß Adele ihn genöthigt, vor Hellwig den Platz zu räumen; er ärgerte sich auch über den zerstörten heiteren Abend und den nicht ausgetrunkenen Wein. Adele beklagte ihr Schicksal, das treue </p> </div> </body> </text> </TEI> [216/0226]
“Ich bitte Dich,” entgegnete sie ablehnend, “spiele Dir doch keine Komödie vor. In Deinem Alter und einem possirten Mädchen gegenüber, eine Leidenschaft!”
Sie schien von dem Gegenstande offenbar Nichts weiter sprechen oder hören zu wollen. Hellwig brach also ebenfalls ab, aber man konnte ihm anmerken, daß die Gleichgültigkeit ihn gereizt hatte, mit der seine Frau ihn und den Gegenstand behandelte. Er zerlegte, ohne aufzusehen, das Filet[,] welches der Kellner ihnen vorgesetzt, und trank mürrisch und schweigend den seinen Wein herunter.
Auch Samuel und Adele schwiegen bei ihrer Rückkehr zum Hôtel. Er war ergrimmt, sie traurig. Samuel konnte es nicht verschmerzen, daß Adele ihn genöthigt, vor Hellwig den Platz zu räumen; er ärgerte sich auch über den zerstörten heiteren Abend und den nicht ausgetrunkenen Wein. Adele beklagte ihr Schicksal, das treue
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