Lewald, Fanny: Adele. 2. Ausg. Berlin, 1864.voll befriedigt. Wofür hatte sie gelebt, was hatte sie gehabt durch alle diese Jahre, woran ihre Seele den rechten Trost gefunden? Samuel war der Einzige gewesen, der treu zu ihr gehalten. Nach der Zeit seines Kommens hatte sie seit Jahren ihre Zeit eingetheilt, auf ihn hatte sie gebaut, ihn hatte sie geliebt! -- ja, geliebt! Sie hielt inne, ihr eigenes Geständniß überraschte sie. Sie konnte es kaum glauben, sie mißtraute ihrem Herzen; aber so war es, das war es! Sie hatte Samuel geliebt, schon lange geliebt. Seine schlichte Treue, seine ruhige Beharrlichkeit, sein einfaches, rechtschaffenes Wesen hatten ihr die höchste Achtung eingeflößt, hatten ihre Neigung ihm gewonnen, und sie würde das nicht verkannt, würde es sich mit Freuden eingestanden haben, hätte sie sich nicht so fest gelebt in dem Glauben an die einzige, unwandelbare Liebe, hätte sie diese nicht in ihren Dichtungen voll befriedigt. Wofür hatte sie gelebt, was hatte sie gehabt durch alle diese Jahre, woran ihre Seele den rechten Trost gefunden? Samuel war der Einzige gewesen, der treu zu ihr gehalten. Nach der Zeit seines Kommens hatte sie seit Jahren ihre Zeit eingetheilt, auf ihn hatte sie gebaut, ihn hatte sie geliebt! — ja, geliebt! Sie hielt inne, ihr eigenes Geständniß überraschte sie. Sie konnte es kaum glauben, sie mißtraute ihrem Herzen; aber so war es, das war es! Sie hatte Samuel geliebt, schon lange geliebt. Seine schlichte Treue, seine ruhige Beharrlichkeit, sein einfaches, rechtschaffenes Wesen hatten ihr die höchste Achtung eingeflößt, hatten ihre Neigung ihm gewonnen, und sie würde das nicht verkannt, würde es sich mit Freuden eingestanden haben, hätte sie sich nicht so fest gelebt in dem Glauben an die einzige, unwandelbare Liebe, hätte sie diese nicht in ihren Dichtungen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0262" n="252"/> voll befriedigt. Wofür hatte sie gelebt, was hatte sie gehabt durch alle diese Jahre, woran ihre Seele den rechten Trost gefunden? Samuel war der Einzige gewesen, der treu zu ihr gehalten. Nach der Zeit seines Kommens hatte sie seit Jahren ihre Zeit eingetheilt, auf ihn hatte sie gebaut, ihn hatte sie geliebt! — ja, geliebt!</p> <p> </p> <p> Sie hielt inne, ihr eigenes Geständniß überraschte sie. Sie konnte es kaum glauben, sie mißtraute ihrem Herzen; aber so war es, das war es! Sie hatte Samuel geliebt, schon lange geliebt. Seine schlichte Treue, seine ruhige Beharrlichkeit, sein einfaches, rechtschaffenes Wesen hatten ihr die höchste Achtung eingeflößt, hatten ihre Neigung ihm gewonnen, und sie würde das nicht verkannt, würde es sich mit Freuden eingestanden haben, hätte sie sich nicht so fest gelebt in dem Glauben an die einzige, unwandelbare Liebe, hätte sie diese nicht in ihren Dichtungen </p> </div> </body> </text> </TEI> [252/0262]
voll befriedigt. Wofür hatte sie gelebt, was hatte sie gehabt durch alle diese Jahre, woran ihre Seele den rechten Trost gefunden? Samuel war der Einzige gewesen, der treu zu ihr gehalten. Nach der Zeit seines Kommens hatte sie seit Jahren ihre Zeit eingetheilt, auf ihn hatte sie gebaut, ihn hatte sie geliebt! — ja, geliebt!
Sie hielt inne, ihr eigenes Geständniß überraschte sie. Sie konnte es kaum glauben, sie mißtraute ihrem Herzen; aber so war es, das war es! Sie hatte Samuel geliebt, schon lange geliebt. Seine schlichte Treue, seine ruhige Beharrlichkeit, sein einfaches, rechtschaffenes Wesen hatten ihr die höchste Achtung eingeflößt, hatten ihre Neigung ihm gewonnen, und sie würde das nicht verkannt, würde es sich mit Freuden eingestanden haben, hätte sie sich nicht so fest gelebt in dem Glauben an die einzige, unwandelbare Liebe, hätte sie diese nicht in ihren Dichtungen
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