Lewald, Fanny: Adele. 2. Ausg. Berlin, 1864.stets als den höchsten Idealismus, als die höchste weibliche Tugend hingestellt. Sie war in wundersamer Stimmung. Bald grollte sie sich und ihren Schriften, und schwur sich, keine Zeile mehr zu schreiben, bald mußte sie lachen über sich und Samuel. Wie hatten sie sich so verblenden können? Weshalb hatte er nicht gesehen, daß sie ihn liebte, daß sie zu ihm gehörte? weshalb hatte er es ihr denn nicht gesagt? -- Jetzt gleich wollte sie zu ihm, ihm Alles selbst bekennen, sie war ja alt genug, um wahr zu sein. Indeß, als sie dann gehen wollte, fand sie es unmöglich. Es war schon spät, Samuel war krank, er schlief gewiß seit Stunden. Sie dachte mit solcher Liebe an seinen stillen, sanften Schlaf. Aber Samuel schlief nicht, sondern er lag wach auf seinem Lager. Er hätte weinen können, wäre das in seiner Art gewesen. Das also war das Ende deiser Reise, auf die er sich gefreut, auf die stets als den höchsten Idealismus, als die höchste weibliche Tugend hingestellt. Sie war in wundersamer Stimmung. Bald grollte sie sich und ihren Schriften, und schwur sich, keine Zeile mehr zu schreiben, bald mußte sie lachen über sich und Samuel. Wie hatten sie sich so verblenden können? Weshalb hatte er nicht gesehen, daß sie ihn liebte, daß sie zu ihm gehörte? weshalb hatte er es ihr denn nicht gesagt? — Jetzt gleich wollte sie zu ihm, ihm Alles selbst bekennen, sie war ja alt genug, um wahr zu sein. Indeß, als sie dann gehen wollte, fand sie es unmöglich. Es war schon spät, Samuel war krank, er schlief gewiß seit Stunden. Sie dachte mit solcher Liebe an seinen stillen, sanften Schlaf. Aber Samuel schlief nicht, sondern er lag wach auf seinem Lager. Er hätte weinen können, wäre das in seiner Art gewesen. Das also war das Ende deiser Reise, auf die er sich gefreut, auf die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0263" n="253"/> stets als den höchsten Idealismus, als die höchste weibliche Tugend hingestellt.</p> <p> Sie war in wundersamer Stimmung. Bald grollte sie sich und ihren Schriften, und schwur sich, keine Zeile mehr zu schreiben, bald mußte sie lachen über sich und Samuel. Wie hatten sie sich so verblenden können? Weshalb hatte er nicht gesehen, daß sie ihn liebte, daß sie zu ihm gehörte? weshalb hatte er es ihr denn nicht gesagt? — Jetzt gleich wollte sie zu ihm, ihm Alles selbst bekennen, sie war ja alt genug, um wahr zu sein.</p> <p> Indeß, als sie dann gehen wollte, fand sie es unmöglich. Es war schon spät, Samuel war krank, er schlief gewiß seit Stunden. Sie dachte mit solcher Liebe an seinen stillen, sanften Schlaf.</p> <p> Aber Samuel schlief nicht, sondern er lag wach auf seinem Lager. Er hätte weinen können, wäre das in seiner Art gewesen. Das also war das Ende deiser Reise, auf die er sich gefreut, auf die </p> </div> </body> </text> </TEI> [253/0263]
stets als den höchsten Idealismus, als die höchste weibliche Tugend hingestellt.
Sie war in wundersamer Stimmung. Bald grollte sie sich und ihren Schriften, und schwur sich, keine Zeile mehr zu schreiben, bald mußte sie lachen über sich und Samuel. Wie hatten sie sich so verblenden können? Weshalb hatte er nicht gesehen, daß sie ihn liebte, daß sie zu ihm gehörte? weshalb hatte er es ihr denn nicht gesagt? — Jetzt gleich wollte sie zu ihm, ihm Alles selbst bekennen, sie war ja alt genug, um wahr zu sein.
Indeß, als sie dann gehen wollte, fand sie es unmöglich. Es war schon spät, Samuel war krank, er schlief gewiß seit Stunden. Sie dachte mit solcher Liebe an seinen stillen, sanften Schlaf.
Aber Samuel schlief nicht, sondern er lag wach auf seinem Lager. Er hätte weinen können, wäre das in seiner Art gewesen. Das also war das Ende deiser Reise, auf die er sich gefreut, auf die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Sophie - A Digital Library of Works by German-Speaking Women: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax von "Sophie".
(2013-02-04T11:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
archive.org: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-02-04T11:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-02-04T11:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |