Lewald, Fanny: Adele. 2. Ausg. Berlin, 1864.nicht, wie es gekommen war, sie tröstete sich damit, daß Hellwig sie nicht hätte verlassen können, hätte er sie ganz verstanden, ganz gekannt, wäre sie selber sich vollkommen klar gewesen. Tagelang ging sie einsam durch die Gegend, in Betrachtung ihrer selbst versunken, und bemüht, mit sich zu einem inneren Abschluß zu gelangen, den sie nicht zu finden wußte. Da ihr Verkehr mit Hellwig aufhörte, fand sie sich plötzlich müßig. Sie hatte ihre ganze Zeit auf den Briefwechsel mit ihm, und auf die litterarischen Handleistungen gewendet, zu denen er sie gewöhnt. Im Hauswesen hatte sie sich nie betheiligt, den Umgang mit ihren Altersgenossen hatte sie bei der Besonderheit ihrer Thätigkeit nicht gesucht, und die Jugend hatte auch kein Gefallen gehabt an Adelens Richtung und an ihrem sonderbaren Wesen. Die Einen nannten sie eine Gelehrte, die Anderen eine Kokette. Der hielt sie für prüde, weil sie gleichgültig war nicht, wie es gekommen war, sie tröstete sich damit, daß Hellwig sie nicht hätte verlassen können, hätte er sie ganz verstanden, ganz gekannt, wäre sie selber sich vollkommen klar gewesen. Tagelang ging sie einsam durch die Gegend, in Betrachtung ihrer selbst versunken, und bemüht, mit sich zu einem inneren Abschluß zu gelangen, den sie nicht zu finden wußte. Da ihr Verkehr mit Hellwig aufhörte, fand sie sich plötzlich müßig. Sie hatte ihre ganze Zeit auf den Briefwechsel mit ihm, und auf die litterarischen Handleistungen gewendet, zu denen er sie gewöhnt. Im Hauswesen hatte sie sich nie betheiligt, den Umgang mit ihren Altersgenossen hatte sie bei der Besonderheit ihrer Thätigkeit nicht gesucht, und die Jugend hatte auch kein Gefallen gehabt an Adelens Richtung und an ihrem sonderbaren Wesen. Die Einen nannten sie eine Gelehrte, die Anderen eine Kokette. Der hielt sie für prüde, weil sie gleichgültig war <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0078" n="68"/> nicht, wie es gekommen war, sie tröstete sich damit, daß Hellwig sie nicht hätte verlassen können, hätte er sie ganz verstanden, ganz gekannt, wäre sie selber sich vollkommen klar gewesen.</p> <p> Tagelang ging sie einsam durch die Gegend, in Betrachtung ihrer selbst versunken, und bemüht, mit sich zu einem inneren Abschluß zu gelangen, den sie nicht zu finden wußte.</p> <p> Da ihr Verkehr mit Hellwig aufhörte, fand sie sich plötzlich müßig. Sie hatte ihre ganze Zeit auf den Briefwechsel mit ihm, und auf die litterarischen Handleistungen gewendet, zu denen er sie gewöhnt. Im Hauswesen hatte sie sich nie betheiligt, den Umgang mit ihren Altersgenossen hatte sie bei der Besonderheit ihrer Thätigkeit nicht gesucht, und die Jugend hatte auch kein Gefallen gehabt an Adelens Richtung und an ihrem sonderbaren Wesen. Die Einen nannten sie eine Gelehrte, die Anderen eine Kokette. Der hielt sie für prüde, weil sie gleichgültig war </p> </div> </body> </text> </TEI> [68/0078]
nicht, wie es gekommen war, sie tröstete sich damit, daß Hellwig sie nicht hätte verlassen können, hätte er sie ganz verstanden, ganz gekannt, wäre sie selber sich vollkommen klar gewesen.
Tagelang ging sie einsam durch die Gegend, in Betrachtung ihrer selbst versunken, und bemüht, mit sich zu einem inneren Abschluß zu gelangen, den sie nicht zu finden wußte.
Da ihr Verkehr mit Hellwig aufhörte, fand sie sich plötzlich müßig. Sie hatte ihre ganze Zeit auf den Briefwechsel mit ihm, und auf die litterarischen Handleistungen gewendet, zu denen er sie gewöhnt. Im Hauswesen hatte sie sich nie betheiligt, den Umgang mit ihren Altersgenossen hatte sie bei der Besonderheit ihrer Thätigkeit nicht gesucht, und die Jugend hatte auch kein Gefallen gehabt an Adelens Richtung und an ihrem sonderbaren Wesen. Die Einen nannten sie eine Gelehrte, die Anderen eine Kokette. Der hielt sie für prüde, weil sie gleichgültig war
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