Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.

Bild:
<< vorherige Seite

aller Welt Augen verzehrenden Bettlermassen und freute mich, daß es bei uns anders ist. Auch die Einrichtung, nach welcher man Anfangs in den Küchen die Speisen nur zubereitete und sie aus der Küche abgeholt werden mußten, sagte dem Bedürfniß und der Gewohnheit des Volkes nicht zu, und erst seit man die Volksküchen zugleich in Speisehäuser verwandelt hat, in denen Jeder, ohne alle Ausnahme Zutritt hat, der am Eingange seine Marke für eine ganze oder halbe Portion eingelöst und bezahlt hat und aus denen eben so ein Jeder sich so viel Portionen, als er will, in seine Behausung holen lassen kann, erst seitdem sind die Anstalten dasjenige geworden, was sie jetzt sind: eine unschätzbare Erleichterung für den Unbemittelten, der billig und zugleich kräftig zu essen wünscht; und daneben eine der heilsam verbrüdernden Ketten zwischen den mehr und weniger Begüterten, zwischen den mehr und weniger Gebildeten. Ich habe, wie gesagt, eines der Speisehäuser besucht und die Speisen gekostet; viele meiner Bekannten haben das zu anderen Zeiten gethan, aber überall und immer ist die Haltung der Gäste gut und immer sind die Speisen so vortrefflich gewesen, daß auch ein verwöhnter Gaumen sie mit Lust genießen konnte. Der alte Grundsatz, das "l'union fait la force!" bewährt sich denn auch hier und bestärkt mich in meiner alten Ueberzeugung und in meinem oft gethanen Ausspruche, daß unsere ganze jetzige Art des bürgerlichen Haushaltens für alle nicht eben wohlhabenden

aller Welt Augen verzehrenden Bettlermassen und freute mich, daß es bei uns anders ist. Auch die Einrichtung, nach welcher man Anfangs in den Küchen die Speisen nur zubereitete und sie aus der Küche abgeholt werden mußten, sagte dem Bedürfniß und der Gewohnheit des Volkes nicht zu, und erst seit man die Volksküchen zugleich in Speisehäuser verwandelt hat, in denen Jeder, ohne alle Ausnahme Zutritt hat, der am Eingange seine Marke für eine ganze oder halbe Portion eingelöst und bezahlt hat und aus denen eben so ein Jeder sich so viel Portionen, als er will, in seine Behausung holen lassen kann, erst seitdem sind die Anstalten dasjenige geworden, was sie jetzt sind: eine unschätzbare Erleichterung für den Unbemittelten, der billig und zugleich kräftig zu essen wünscht; und daneben eine der heilsam verbrüdernden Ketten zwischen den mehr und weniger Begüterten, zwischen den mehr und weniger Gebildeten. Ich habe, wie gesagt, eines der Speisehäuser besucht und die Speisen gekostet; viele meiner Bekannten haben das zu anderen Zeiten gethan, aber überall und immer ist die Haltung der Gäste gut und immer sind die Speisen so vortrefflich gewesen, daß auch ein verwöhnter Gaumen sie mit Lust genießen konnte. Der alte Grundsatz, das »l'union fait la force!« bewährt sich denn auch hier und bestärkt mich in meiner alten Ueberzeugung und in meinem oft gethanen Ausspruche, daß unsere ganze jetzige Art des bürgerlichen Haushaltens für alle nicht eben wohlhabenden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0093" n="83"/>
aller Welt Augen verzehrenden Bettlermassen und freute mich, daß es bei uns anders ist. Auch die Einrichtung, nach welcher man Anfangs in den Küchen die Speisen nur zubereitete und sie aus der Küche abgeholt werden mußten, sagte dem Bedürfniß und der Gewohnheit des Volkes nicht zu, und erst seit man die Volksküchen zugleich in Speisehäuser verwandelt hat, in denen Jeder, ohne alle Ausnahme Zutritt hat, der am Eingange seine Marke für eine ganze oder halbe Portion eingelöst und bezahlt hat und aus denen eben so ein Jeder sich so viel Portionen, als er will, in seine Behausung holen lassen kann, erst seitdem sind die Anstalten dasjenige geworden, was sie jetzt sind: eine unschätzbare Erleichterung für den Unbemittelten, der billig und zugleich kräftig zu essen wünscht; und daneben eine der heilsam verbrüdernden Ketten zwischen den mehr und weniger Begüterten, zwischen den mehr und weniger Gebildeten. Ich habe, wie gesagt, eines der Speisehäuser besucht und die Speisen gekostet; viele meiner Bekannten haben das zu anderen Zeiten gethan, aber überall und immer ist die Haltung der Gäste gut und immer sind die Speisen so vortrefflich gewesen, daß auch ein verwöhnter Gaumen sie mit Lust genießen konnte. Der alte Grundsatz, das »<hi rendition="#aq">l'union fait la force</hi>!« bewährt sich denn auch hier und bestärkt mich in meiner alten Ueberzeugung und in meinem oft gethanen Ausspruche, daß unsere ganze jetzige Art des bürgerlichen Haushaltens für alle nicht eben wohlhabenden
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0093] aller Welt Augen verzehrenden Bettlermassen und freute mich, daß es bei uns anders ist. Auch die Einrichtung, nach welcher man Anfangs in den Küchen die Speisen nur zubereitete und sie aus der Küche abgeholt werden mußten, sagte dem Bedürfniß und der Gewohnheit des Volkes nicht zu, und erst seit man die Volksküchen zugleich in Speisehäuser verwandelt hat, in denen Jeder, ohne alle Ausnahme Zutritt hat, der am Eingange seine Marke für eine ganze oder halbe Portion eingelöst und bezahlt hat und aus denen eben so ein Jeder sich so viel Portionen, als er will, in seine Behausung holen lassen kann, erst seitdem sind die Anstalten dasjenige geworden, was sie jetzt sind: eine unschätzbare Erleichterung für den Unbemittelten, der billig und zugleich kräftig zu essen wünscht; und daneben eine der heilsam verbrüdernden Ketten zwischen den mehr und weniger Begüterten, zwischen den mehr und weniger Gebildeten. Ich habe, wie gesagt, eines der Speisehäuser besucht und die Speisen gekostet; viele meiner Bekannten haben das zu anderen Zeiten gethan, aber überall und immer ist die Haltung der Gäste gut und immer sind die Speisen so vortrefflich gewesen, daß auch ein verwöhnter Gaumen sie mit Lust genießen konnte. Der alte Grundsatz, das »l'union fait la force!« bewährt sich denn auch hier und bestärkt mich in meiner alten Ueberzeugung und in meinem oft gethanen Ausspruche, daß unsere ganze jetzige Art des bürgerlichen Haushaltens für alle nicht eben wohlhabenden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

zeno.org – Contumax GmbH & Co. KG: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax von zeno.org (2013-01-04T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus zeno.org entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-04T13:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-04T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Wird ein Wort durch einen Seitenumbruch getrennt, so wird es vollständig auf der vorhergehenden Seite übernommen.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/93
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/93>, abgerufen am 25.11.2024.